Neues Gesetz zu Öffnungszeiten: Weniger Bürokratie – aber mehr Stress?
München - Wochenende heißt für den Großteil der Menschen Freizeit. Gerade dann ist auch mal Zeit übrig, einen Ausflug in die Stadt zu unternehmen, ein wenig zu bummeln. So sehen das viele – die Folge: volle Alt- und Innenstädte an den Samstagen, denn am Sonntag steht man vor verschlossenen Türen.
Das bayerische Ladenschlussgesetz, das die Staatsregierung im Laufe des nächsten Jahres auf den Weg bringen will, ändert zwar an der erlaubten Anzahl an verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagen für Tourismusorte nichts – bis zu 40 bei möglichen 60 pro Jahr sind schon jetzt erlaubt.
Ladenschlussgesetz in Bayern: Was in Zukunft möglich sein kann
Aber gelockert wird, wer die Türen für die Kunden öffnen darf. "Statt der ortskennzeichnenden Ware, wie es bisher gegolten hat, genügt der Bezug auf die Region", sagt Arbeitsministerin Ulrike Scharf (CSU).

Miriam Hördegen vom Verein Tourismus Oberbayern München übersetzt das im Gespräch mit der AZ so: "Bisher durfte ein Laden, der etwa Käse anbietet, nur öffnen, wenn die Molkerei im selben Ort ansässig ist. Jetzt kann auch ein Laden öffnen, der seinen Käse von einer Molkerei im Nachbarort bezieht."
Ladenschlussgesetz: Wer davon profitieren kann
Gerade in Oberbayern gibt es demnach viele Betriebe, die regionale Produkte im handwerklichen und Lebensmittel-Bereich vertreiben und künftig ebenfalls öffnen dürfen.
Außerdem sollen Gemeinden durch das Gesetz selbst bestimmen können, wo ein Tourismusverkauf zugelassen wird. "Die können sich so als Einzelhandelsstandort profilieren", sagt Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern der AZ.
Handelsverband: Änderungen sind "gut, richtig und längst überfällig"
Demnach könnte so ein ganzer Ort in einem Tourismusgebiet bekannt dafür sein, auch am Sonntag flächendeckend geöffnet zu haben. Auch die Gastronomie würde dadurch profitieren.

Laut dem Handelsverband hat es in der Vergangenheit immer wieder Diskussionen darüber gegeben, warum die einen öffnen dürfen – und die anderen nicht. Diese Änderungen seien "gut, richtig und längst überfällig", denn sie würden vereinfachen und entbürokratisieren. Das sieht auch Hördegen vom Verein Tourismus Oberbayern München so: "Die Gemeinden müssen nicht mehr überlegen, ob ein Laden Ortsprodukte anbietet oder 'nur' ein regionales Produkt."
Was sich durch das Ladenschlussgesetz ändert: "Das belebt die Innenstädte"
Zudem werde der Handel so flexibler und könne so erhalten bleiben ‒ trotz Konkurrenzkampf mit den Internetriesen. "Das belebt die Innenstädte", sagt Hördegen, "Und das ist wiederum für die Touristen und die Einheimischen attraktiv."
Für die Kunden wird's bequemer, für die Geschäfte weniger bürokratisch. Die Gretchenfrage des Einzelhandels lautet jedoch: Bringt das auch mehr Umsatz?
Gretchenfrage zum Ladenschlussgesetz: "Die Umsätze verlagern sich letztendlich bloß"
"Wenn ein Ort dafür bekannt ist, dass man sonntags hingehen kann, sorgt das für mehr Frequenz und mehr Umsatz", sagt dazu Ohlmann vom Handelsverband. Er schränkt aber ein, dass es immer auf das einzelne Unternehmen und seine Lage ankomme.
Verdi-Einzelhandelsexperte Hubert Thiermeyer hält hingegen wenig von den Hoffnungen auf höhere schwarze Zahlen. "Letztendlich verlagern sich bloß die Umsätze", sagt er der AZ. "Das ist wie beim Black Friday: Umsätze, die in dieser Woche gemacht werden, werden in den Wochen davor nicht gemacht."
Umsatzverlagerung wegen neuem Gesetz: Geben Kunden mehr Geld aus?
Auch Hördegen vom Verein Tourismus Oberbayern München geht von einer Umsatzverlagerung aus: "Nur weil die Geschäfte länger öffnen, heißt das nicht, dass die Touristen mehr Geld zur Verfügung haben und zusätzlich konsumieren können." Denkbar wäre jedoch, dass bei einer besseren wirtschaftlichen Lage sich der Umsatz für jene Geschäfte verbessert, die durch die neue Regelung künftig öffnen dürfen.
Dass der Umsatz nur verlagert wird, wissen laut Gewerkschafter Thiermeyer die Händler und würden deshalb kein zusätzliches Personal bereitstellen. Das heißt: mehr Arbeitszeit bei gleicher Arbeitskraft.
"Sonntagsarbeit macht jede Branche völlig unattraktiv"
"Sonntagsarbeit macht jede Branche völlig unattraktiv", sagt er. Schon jetzt würden viele Menschen den Handel wegen der Bezahlung und der Belastung verlassen. Auch der Sonntagszuschlag hilft da nicht, denn: "Die wenigsten zahlen Zuschläge."
Als Beispiel nennt er die vielen Textilhäuser in München, die keiner Tarifbindung unterliegen. Ein Sonntagszuschlag ist gesetzlich nicht verpflichtend. Solange die Wirtschaft ächzt, besteht das Risiko von mehr Stress ‒ ohne mehr Umsatz.
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- Ulrike Scharf