Neues Gesetz zu Öffnungszeiten: Weniger Bürokratie – aber mehr Stress?

Das von Bayern geplante Ladenschlussgesetz weitet die Möglichkeit aus, welche Läden in Tourismusorten auch sonn- und feiertags öffnen dürfen. Welche Effekte das auf Einnahmen und Personal haben wird.
Maximilian Neumair |
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Die Altstadt von Bad Tölz. Sie gilt in Bayern als Tourismusort, der vom neuen Ladenschlussgesetz profitieren könnte.
Die Altstadt von Bad Tölz. Sie gilt in Bayern als Tourismusort, der vom neuen Ladenschlussgesetz profitieren könnte. © imago

München - Wochenende heißt für den Großteil der Menschen Freizeit. Gerade dann ist auch mal Zeit übrig, einen Ausflug in die Stadt zu unternehmen, ein wenig zu bummeln. So sehen das viele die Folge: volle Alt- und Innenstädte an den Samstagen, denn am Sonntag steht man vor verschlossenen Türen.

Das bayerische Ladenschlussgesetz, das die Staatsregierung im Laufe des nächsten Jahres auf den Weg bringen will, ändert zwar an der erlaubten Anzahl an verkaufsoffenen Sonn- und Feiertagen für Tourismusorte nichts – bis zu 40 bei möglichen 60 pro Jahr sind schon jetzt erlaubt.

Ladenschlussgesetz in Bayern: Was in Zukunft möglich sein kann

Aber gelockert wird, wer die Türen für die Kunden öffnen darf. "Statt der ortskennzeichnenden Ware, wie es bisher gegolten hat, genügt der Bezug auf die Region", sagt Arbeitsministerin Ulrike Scharf (CSU).

Die bayerische Sozialministerin Scharf (CSU) wird vom DGB kritisiert (Archivbild).
Die bayerische Sozialministerin Scharf (CSU) wird vom DGB kritisiert (Archivbild). © Christoph Soeder/dpa

Miriam Hördegen vom Verein Tourismus Oberbayern München übersetzt das im Gespräch mit der AZ so: "Bisher durfte ein Laden, der etwa Käse anbietet, nur öffnen, wenn die Molkerei im selben Ort ansässig ist. Jetzt kann auch ein Laden öffnen, der seinen Käse von einer Molkerei im Nachbarort bezieht."

Ladenschlussgesetz: Wer davon profitieren kann

Gerade in Oberbayern gibt es demnach viele Betriebe, die regionale Produkte im handwerklichen und Lebensmittel-Bereich vertreiben und künftig ebenfalls öffnen dürfen.

Außerdem sollen Gemeinden durch das Gesetz selbst bestimmen können, wo ein Tourismusverkauf zugelassen wird. "Die können sich so als Einzelhandelsstandort profilieren", sagt Bernd Ohlmann vom Handelsverband Bayern der AZ.

Handelsverband: Änderungen sind "gut, richtig und längst überfällig" 

Demnach könnte so ein ganzer Ort in einem Tourismusgebiet bekannt dafür sein, auch am Sonntag flächendeckend geöffnet zu haben. Auch die Gastronomie würde dadurch profitieren.

Bernd Ohlmann blickt skeptisch auf die US-Boykotte: "Wir schneiden uns alle ins eigene Fleisch."
Bernd Ohlmann blickt skeptisch auf die US-Boykotte: "Wir schneiden uns alle ins eigene Fleisch." © dpa/Stefan Puchner

Laut dem Handelsverband hat es in der Vergangenheit immer wieder Diskussionen darüber gegeben, warum die einen öffnen dürfen – und die anderen nicht. Diese Änderungen seien "gut, richtig und längst überfällig", denn sie würden vereinfachen und entbürokratisieren. Das sieht auch Hördegen vom Verein Tourismus Oberbayern München so: "Die Gemeinden müssen nicht mehr überlegen, ob ein Laden Ortsprodukte anbietet oder 'nur' ein regionales Produkt."

Was sich durch das Ladenschlussgesetz ändert: "Das belebt die Innenstädte"

Zudem werde der Handel so flexibler und könne so erhalten bleiben ‒ trotz Konkurrenzkampf mit den Internetriesen. "Das belebt die Innenstädte", sagt Hördegen, "Und das ist wiederum für die Touristen und die Einheimischen attraktiv."

Für die Kunden wird's bequemer, für die Geschäfte weniger bürokratisch. Die Gretchenfrage des Einzelhandels lautet jedoch: Bringt das auch mehr Umsatz?

Gretchenfrage zum Ladenschlussgesetz: "Die Umsätze verlagern sich letztendlich bloß"

"Wenn ein Ort dafür bekannt ist, dass man sonntags hingehen kann, sorgt das für mehr Frequenz und mehr Umsatz", sagt dazu Ohlmann vom Handelsverband. Er schränkt aber ein, dass es immer auf das einzelne Unternehmen und seine Lage ankomme.

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Verdi-Einzelhandelsexperte Hubert Thiermeyer hält hingegen wenig von den Hoffnungen auf höhere schwarze Zahlen. "Letztendlich verlagern sich bloß die Umsätze", sagt er der AZ. "Das ist wie beim Black Friday: Umsätze, die in dieser Woche gemacht werden, werden in den Wochen davor nicht gemacht."

Umsatzverlagerung wegen neuem Gesetz: Geben Kunden mehr Geld aus?

Auch Hördegen vom Verein Tourismus Oberbayern München geht von einer Umsatzverlagerung aus: "Nur weil die Geschäfte länger öffnen, heißt das nicht, dass die Touristen mehr Geld zur Verfügung haben und zusätzlich konsumieren können." Denkbar wäre jedoch, dass bei einer besseren wirtschaftlichen Lage sich der Umsatz für jene Geschäfte verbessert, die durch die neue Regelung künftig öffnen dürfen.

Dass der Umsatz nur verlagert wird, wissen laut Gewerkschafter Thiermeyer die Händler und würden deshalb kein zusätzliches Personal bereitstellen. Das heißt: mehr Arbeitszeit bei gleicher Arbeitskraft.

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"Sonntagsarbeit macht jede Branche völlig unattraktiv"

"Sonntagsarbeit macht jede Branche völlig unattraktiv", sagt er. Schon jetzt würden viele Menschen den Handel wegen der Bezahlung und der Belastung verlassen. Auch der Sonntagszuschlag hilft da nicht, denn: "Die wenigsten zahlen Zuschläge."

Als Beispiel nennt er die vielen Textilhäuser in München, die keiner Tarifbindung unterliegen. Ein Sonntagszuschlag ist gesetzlich nicht verpflichtend. Solange die Wirtschaft ächzt, besteht das Risiko von mehr Stress ‒ ohne mehr Umsatz.

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5 Kommentare
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  • am 02.12.2024 16:49 Uhr / Bewertung:

    Wer geht schon gerne alleine....
    Versuchen Sie mal alleine in den Bot. Garten, Nymphenburger Schlosspark, Englischen Garten. Dort wo man sitzen kann und in Ruhe die Leute beobachten. Es ist gar nicht so wenige und sie sehen auch entspannt aus. Sie nehmen sogar Bücher mit zum Lesen. Es gibt Gott sei dank kein Gruppenzwang. Mit Verlaub, die Leute in Gruppen sind nur am Quatschen. Ist sowas anstrengend, stressig. Ich empfinde als erholsam, mein Gehirn abzuschalten, ohne ständig zu quatschen. Ich kann auf einer Bank sitzen, wohin ich gehen möchte, zum Cafe trinken, ganz spontan.
    Es ist viel wichtiger, wenige, aber echte Freunde zu haben, für sie man Zeit hat, um sich nach Alleingänge noch mit Freunden zu treffen, wenn man darauf Lust, ohne Stress. Dann halt ein nächstes Mal. Das tun echte Freunde, die sich verstehen und akzeptieren.
    Eine Kollegin fährt sehr oft mit Bus zum Skifahren, auch zum Wandern. Ganz alleine? Ja, macht sie. Ist nicht langweilig? Lächelnd antwortete sie mit nein

  • FRUSTI13 am 03.12.2024 07:59 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von

    Die allermeisten Menschen haben ein Sozialleben und Familie. Da findet die Freizeit in der Regel am Wochenende statt!

  • Der Schwabinger am 02.12.2024 12:03 Uhr / Bewertung:

    Wenn der Handel nicht bereit ist, dem Kunden ein Erlebnis zu bieten, gibts bald den Handel nicht mehr. Denn online bestellen ist zu verführerisch geworden.

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