Neuer Altenheim-Skandal: Oma Margitta misshandelt?
Tochter klagt an: Meine Mutter starb, weil das Heim sie vernachlässigt hat. Und es ist nicht der erste Fall in dem Haus.
NÜRNBERG Eine alte Dame (79) fährt mit einem Rollstuhl, an dem die Bremse seit Monaten defekt ist, eine ungesicherte Treppe hinunter und stirbt. Eine andere, 88 Jahre alt, erdrosselt sich selbst, weil die Schutzplanken an ihrem Bett nicht richtig justiert waren. Wieder eine andere, 91 Jahre alt, liegt mit gebrochenem Bein stundenlang am Boden, keiner merkt’s. Ist das der Alltag in Nürnbergs Alten- und Pflegeheimen?
Der Bericht über den Tod einer Bewohnerin (91) des AWO-Altenheims in der Salzbrunner Straße (AZ berichtete) schlägt Wellen. Eine ganze Reihe von Angehörigen dort untergebrachter Pflegefälle beschwerten sich gegenüber der AZ ebenfalls über „nicht tragbare Zustände“. Gabriele V. (45) ist eine der Angehörigen. Sie sagt: „Meine Mutter hat eine sechswöchige Kurzzeitpflege nicht überlebt. Und das Heim hat daran einen gehörigen Anteil.“
Den Aussagen der Tochter zufolge hat sich eine vorübergehende stationäre Kurzzeitpflege ihrer Mutter (74) im AWO-Heim nicht vermeiden lassen: „Meine Vater hatte im Februar einen Schlaganfall erlitten. Wegen der dadurch entstandenen Belastung blieb uns nichts anderes übrig. Meine Mutter ist an Demenz erkrankt und wird seit Jahren ohnehin von einem ambulanten Pflegedienst betreut.“
"Meine Mutter hat 20 Kilo an Gewicht verloren"
Das Entsetzen über den gesundheitlichen Zustand ihrer Mutter nach deren Entlassung aus dem Heim ist Gabriele V. auch jetzt noch ins Gesicht geschrieben: „Meine Mutter hatte 20 Kilo an Gewicht verloren, konnte nicht mehr aufstehen und nicht mehr laufen. Vorher konnte ich mit ihr sogar noch in die Stadt zum Bummeln gehen.“ Drei Wochen nach ihrer Entlassung war Margitta tot. „Sie hat sich von den Strapazen im Heim nicht mehr erholen können“, sagt die Tochter.
Gabriele V. will die Todesumstände ihrer Mutter nicht auf sich beruhen lassen und wird in den nächsten Tagen einen Anwalt einschalten, wie sie der AZ versicherte. Einen Trumpf hat sie nämlich noch in der Hand – die letzten Fotos, die von Margitta R. nach ihrer Entlassung aus dem Heim gemacht wurden. Darauf sind blaue Flecken auf dem Körper der Seniorin zu sehen und Blutergüsse an den Füßen. Gabriele V.: „Da kann man leicht zu dem Schluss kommen, dass meine Mutter misshandelt worden sein könnte.“
Gabriele V., die vom Amtsgericht als Betreuer ihrer Eltern eingesetzt ist, wollte Einblick in die Akten des Heims nehmen. Sie vermutet nämlich, dass ihre Mutter auch mit Medikamenten ruhig gestellt wurde. Die Einsichtnahme wurde ihr verweigert. Gabriele V.: „Man sagte mir, dass dies heiminterne Akten sind.“
Auch im Fall der 91-Jährigen, die mit gebrochenem Bein stundenlang auf dem Boden lag, mauert das AWO-Heim. Ihr Sohn Helmut R. (64) schaffte es nach dem Tod seiner Mutter Babette nicht, sich deren Akten im Heim anzusehen. Die ebenfalls an Demenz erkrankte Frau war gegen ihren und den Willen ihre Sohnes in das Heim gebracht worden – und starb an den Folgen des Sturzes. Daheim hatte Helmut R. seine Mutter zwölf Jahre lang problemlos betreut.
Helmut Reister
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