Neue Stufe im Amigo-Skandal?

Hohe Honorarzahlungen der Staatsregierung an Anwälte, die zugleich Abgeordnete im Landtag sind, empören vor allem die SPD - wie genau das System funktioniert.
von  Helmut Reister
Am 9. September wehrte sich der CSU-Abgeordnete Ernst Weidenbusch im Rahmen einer Pressekonferenz im Landtag gegen Oppositionsvorwürfe wegen hoher Honorarzahlungen der Bayerischen Landesbank.
Am 9. September wehrte sich der CSU-Abgeordnete Ernst Weidenbusch im Rahmen einer Pressekonferenz im Landtag gegen Oppositionsvorwürfe wegen hoher Honorarzahlungen der Bayerischen Landesbank. © picture alliance/dpa

München - Der Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch (CSU) steht in der neu entfachten Diskussion über unzureichende Transparenz bei den Nebenbeschäftigungen der bayerischen Landespolitiker im Mittelpunkt. Zwei Honorare über rund 430.000 Euro, die er der Staatsregierung als Anwalt in Rechnung gestellt hat, sind der Stein des Anstoßes.

Im Sommer 2017, wurde der Münchner CSU-Politiker vom damaligen Ministerpräsidenten Horst Seehofer (ebenfalls CSU) mit dem Bayerischen Verdienstorden ausgezeichnet. Weidenbusch habe als Sonderbeauftragter des Freistaats für die krisengeschüttelte BayernLB und als Vorsitzender einer damit beschäftigten parlamentarischen Kommission Hervorragendes geleistet, hieß es in der Würdigung.

Neue Stufe im "CSU-Amigo-Skandal"

Durch eine Parlamentarische Anfrage der FDP wurde jetzt bekannt, dass Weidenbusch von der BayernLB-Krise auch finanziell profitierte, nicht als Politiker, aber als Anwalt. Zweimal hatte die Staatsregierung seine anwaltschaftlichen Dienste in Anspruch genommen.

Florian von Brunn, Fraktionsvorsitzender der SPD im Landtag, sprach in einer ersten Reaktion von einer neuen Stufe im "CSU-Amigo-Skandal". Ernst Weidenbusch wiederum reagierte ganz gelassen und erklärte, dass der Haushaltsausschuss seiner Mandatierung zugestimmt hätte. Völlig klar ist momentan jedoch nichts.

Weidenbusch war 2018 für die BayernLB in milliardenschwere Vergleichsverhandlungen eingebunden. Außerdem beauftragte ihn die Staatsregierung mit Vergleichsverhandlungen in einer Streitsache, in die die BayernLB verwickelt war. Sie bezahlte auch Weidenbuschs Rechnung: 251 .018,48 Euro.

Horst Arnold spricht von "ungenügender Transparenz und verschwimmenden Grenzen"

Diese Einzelheiten gehören eher durch Zufall zur Antwort auf eine weitere, bisher nicht bekannte Parlamentarische Anfrage. Horst Arnold, von Brunns Vorgänger im Chefsessel der SPD-Fraktion und selbst Jurist, wollte völlig unabhängig von der "Causa Weidenbusch" schon im April wissen, welche Anwälte oder Kanzleien von und mit Landtagsabgeordneten staatliche Aufträge erhalten haben. Auf die Antwort musste er bis Ende August warten.

"Wir bewegen uns hier in einer Region mit ungenügender Transparenz und verschwimmenden Grenzen - eine Grauzone", so Arnold. An dieser Einschätzung hat die Beantwortung seiner Fragen nichts geändert - im Gegenteil.

Die Zentrale der Bayerischen Landesbank in der Brienner Straße.
Die Zentrale der Bayerischen Landesbank in der Brienner Straße. © imago images/Sven Simon


Beachtliche zehn Prozent der 205 Abgeordneten im Landtag sind Anwalt. Das lässt sich den Daten auf der virtuellen Landtagsseite "Abgeordnete von A-Z" entnehmen. Zu den "Veröffentlichungspflichtigen Angaben", die jeder Mandatsträger machen muss, gehören Angaben zum finanziellen Umfang von Nebenbeschäftigungen.

Die derzeit geltenden Bestimmungen, die den Pflichtangaben zugrunde liegen, spiegeln nur ein ungefähres Bild der tatsächlichen Verhältnisse wider. Die Nebeneinkünfte müssen nur in bestimmte, breit aufgestellte Stufen eingeteilt werden. Die Tatsache, dass Anwälte dabei zu den Spitzenreitern bei den Einkünften zählen, ist trotz der groben Stufenregelung unübersehbar.

Ein Name taucht gleich mehrfach auf: "MdL Josef Schmid"

Die Stufen neun und zehn, bis und ab 250 .000 Euro jährlich oder durch Einzelaufträge, haben etliche Anwälte angegeben. Dazu gehört auch CSU-Urgestein Alfred Sauter, der aber infolge staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen wegen Korruptionsverdachts bei einem Masken-Deal inzwischen als Fraktionsloser im Landtag sitzt. Er hat Stufe zehn bei Pflichtangaben zu Nebeneinkommen gleich zweimal genannt.

Welche Anwälte beziehungsweise welche Anwaltskanzleien, an denen Abgeordnete beteiligt sind oder für sie arbeiten, haben staatliche Aufträge erhalten? Das war ein zentraler Punkt in Arnolds Fragenkomplex. Ein Name, der von Münchens ehemaligen zweiten Bürgermeister (2014-2018) und jetzigem Landtagsabgeordneten, taucht in einem Satz gleich mehrfach auf. "MdL Josef Schmid", heißt es in der stereotypen Antwort des Finanzministeriums, "war hiesiger Kenntnis nach mit dem Mandat nicht befasst."

Befasst mit den Mandaten, staatlichen Aufträgen, war die Großkanzlei, in der Josef Schmidt seit Ende seiner Bürgermeisterzeit und Beginn seiner Landtags-Performance "Equity Partner" ist. Auf seiner Internetseite macht er daraus auch kein Geheimnis.

Aus der ministeriellen Antwort an Arnold erschließt sich, dass die Kanzlei erste Wahl ist, wenn rechtliche Hilfe außerhalb des Staatsapparates nötig scheint. Unterschiedliche Ministerien waren Auftraggeber.

Dazu zählt zum Beispiel die "fachplanungsrechtliche Begleitung des Projektes Erdinger Ringschluss", wie aus der Antwort hervorgeht. 9 .469. 332,48 Euro hat diese gekostet, 263 .165,84 Euro die "beratende Tätigkeit als Verwaltungshelfer zu Rechtsfragen der Luftreinhalteplanung" für München. Einzelne staatliche Aufträge, durchaus lukrative, landeten auch in anderen Anwaltskanzleien mit Abgeordneten-Bezug.

Für Arnold steht außer Frage, dass die Vergabe staatlicher Aufträge an Anwaltskanzleien ein anderes Format annehmen muss. "Die gängige, ausgesprochen undurchsichtige Praxis in diesem Bereich ist für die grauen Zonen verantwortlich und schafft Platz, zu viel Platz für Spekulationen", lautet sein Fazit.

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