Neue Details im Hanna-Prozess: Reichte die Zeit überhaupt für einen Mord?

Traunstein/Aschau - Die 23-jährige Hanna verlässt den Eiskeller, will die gut 800 Meter nach Hause gehen. Um 2.28 Uhr zeigt sie eine Videokamera das letzte Mal lebend. Am Landgericht Traunstein sollen am Donnerstag erneut die Handydaten darüber Aufschluss geben, was in jener Nacht auf den 3. Oktober 2022 passiert ist.
Sechs Zeugen sind dazu geladen, doch nicht alle kommen am 16. Verhandlungstag zu Wort. Schon jetzt ist klar, dass der Prozess aufgrund weiterer Beweisanträge der Verteidigung, aber auch gerade wegen der komplexen Mobilfunkdaten länger dauern wird.
Prozess im Mordfall Hanna: Dreierlei Daten wurden untersucht
Die Frage, wer wann wo war und was mit Hannas Handy passiert ist, lässt sich aber so einfach nicht beantworten. Denn wie ein Experte für digitale Forensik erklärt, sind es dreierlei Daten, die sich die Polizei angeschaut hat – und zwar nicht nur für Hanna, sondern auch für den Angeklagten Sebastian T. (22) sowie dessen Freundin und Hauptbelastungszeugin Verena R.
Da sind einerseits die Satellitendaten der jeweiligen Smartphones. Aber auch die Daten aus den Mobilfunknetzen wurden untersucht, die wiederum aus Verbindungen zu drei Handy-masten generiert werden. Hinzu kommen Standortdaten mit WLAN-Routern, die Google im Hintergrund ermittelt.
Es geht um Fragen wie: Warum ging Hannas Anruf am Festnetztelefon um 2.32 Uhr nicht durch? Lag es an ihrem fehlenden Prepaid-Guthaben? Oder fand genau dann der Angriff statt? War es etwa nur ein versehentlicher Anruf, den Hanna schnell unterbrach?
Über vieles können auch die Experten nur spekulieren. Fest steht, dass die GPS-Daten ab 2.31 Uhr ungenau werden. Vielleicht weil das Handy ins Wasser geworfen wurde? Darauf würde deuten, dass die Temperatur ihres Akkus ab diesem Zeitpunkt schlagartig abnahm.
Wie passt das alles zusammen?
Ungewöhnlich und "besonders" findet der Experte, dass es lange Zeit keinen Funkzellenwechsel an Hannas Handy gab, zum möglichen Mordzeitpunkt jedoch schon. Nur wie das alles zusammenpasst, bleibt offen.
Dass die Polizei so detaillierte Auswertungen machen konnte, grenzt an ein Wunder. Denn Hannas Handy lag den ganzen Winter offenbar in der Prien und wurde dort erst acht Monate nach ihrem Tod gefunden.
Der Angeklagte hat Mühe, die Augen offenzuhalten. Staatsanwalt Florian Jeserer nimmt die Brille vom Kopf und reibt sich die Augen. Für alle Beteiligten ist dieser Prozesstag anstrengend, weil die Materie so komplex ist, und das volle sechs Stunden lang. Aus Sicht der Verteidigung sind die Daten jedoch "enorm wichtig", sagt Pflichtverteidiger Markus Frank der AZ. Für ihn stellt sich die Frage, ob in so kurzer Zeit wirklich der Mord stattgefunden haben kann, dem die Staatsanwaltschaft dem jungen Mann aus Aschau vorwirft.
Reichen drei, womöglich vier Minuten aus? Ist der Angeklagte vor Gewalt in so kurzer Zeit förmlich explodiert und konnte den Leichnam der großen Frau in den Bärbach werfen – oder war er nur joggen und es ist etwas ganz anderes passiert?
Wer hat Hanna getötet? Der Angeklagte sagt nicht aus
Auch die Auswertungen der Mobilfunkdaten von Verena R. und der drei Smartphones des Angeklagten bringen am Donnerstag wenig Klarheit. Sichtlich erschöpft sagt Richterin Jacqueline Aßbichler während der mühsamen Befragung zum Angeklagten: "Sie könnten das alles aufklären, mit ein paar Sätzen!" Doch T. schweigt weiter.

Ob Regina Rick, die schon den vermeintlichen Badewannen-Mörder aus dem Knast holen konnte, T. weiter verteidigen wird, ist offen. Termine in einem anderen Verfahren kollidieren mit dem Mordprozess. Die Staatsanwaltschaft würde sie wohl nicht vermissen. Wolfgang Fiedler wirft Rick vor, die Tatsachen zu verdrehen, das ziehe sich "wie ein roter Faden durch die letzten Wochen".