Namensstreit in Südtirol: Freie Wähler warnen vor historischem Identitätsverlust
Ihre Namen stammen aus dem 19. Jahrhundert und erinnern an eine Zeit, in der Deutsche, Österreicher und Südtiroler eng verbunden waren. Damals, als die ersten Wanderwege entstanden und der Aufstieg zu den Gipfeln südlich des Brenners noch beschwerlich war, zog sich allein die Anreise mit Eisenbahn, Kutschen und Fuhrwerken über Tage hin. Berghütten, errichtet von Mitgliedern der Sektionen des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins, boten den Alpinisten Schutz.
Benannt wurden sie einst nach der Heimat ihrer Erbauer. So gibt es eine Regensburger Hütte – und die historischen Verbindungen reichen mit der Marburger, Chemnitzer und Magdeburger Hütte bis nach Hessen, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Wenn es nach Ingrid Beikirchner, Präsidentin des Alpenvereins Südtirol, geht, könnten jedoch bald andere Namenstafeln die zahlreichen Gebäude schmücken.
Präsidentin von Alpenverein in Südtirol: "Namen machen heute keinen Sinn mehr"
Für sie sind die Bezeichnungen aus der Zeit gefallen und ergeben "heute keinen Sinn mehr", schreibt sie im Magazin des Vereins. Beikirchner kritisiert, dass deutsche und italienische Bezeichnungen oft nicht übereinstimmen und sie mittlerweile keinen Bezug zu Deutschland mehr haben.

Umgekehrt trägt die Kasseler Hütte auf Italienisch den Namen "Rifugio Roma" – obwohl es keinerlei Verbindung zur fast 800 Kilometer entfernten Hauptstadt gibt.
Deutsche und italienische Hütten-Bezeichnungen unterscheiden sich teils stark
Das sorgt für Chaos. Zum Problem werde das bei Notfällen, wenn Rettungskräfte wegen unterschiedlicher Bezeichnungen nicht wissen, wo sich ein Unfall ereignet hat, so Beikirchner.
Die Chefin des Alpenvereins schlägt daher vor, sowohl die italienischen als auch die deutschen Namen vollständig zu ändern. So könnte aus der Chemnitzer Hütte beispielsweise die Nevesjochhütte (italienisch: Rifugio Neves) werden – benannt nach dem nahe gelegenen Berg.
"Wäre ein Bruch mit der Geschichte": Debatte beschäftigt Politik in Südtirol
Beikirchners Vorschlag sorgt in Südtirol für Wirbel. Bernhard Zimmerhofer, Abgeordneter der Süd-Tiroler Freiheitspartei im dortigen Landesparlament, kritisiert ihn scharf.
"Eine Namensänderung wäre ein Bruch mit der Geschichte", sagt der Politiker der AZ. Historische Verbindungen würden dabei "leichtfertig" aufs Spiel gesetzt. Auch Bezeichnungen, die bis nach Sachsen zurückführen, hätten ihre Daseinsberechtigung. "1914, kurz vor dem Ersten Weltkrieg, war König Friedrich August von Sachsen im Ahrntal und bestieg den Schwarzenstein."
Freie Wähler in Bayern wollen Hütten-Namen erhalten: "Verlust gemeinsamer Geschichte"
Inzwischen schlägt Beikirchners Anregung ebenso in Bayern Wellen. Johann Groß, tourismuspolitischer Sprecher der Freien Wähler im Landtag, wünscht sich den Erhalt der Namen.

Deren Wegfall wäre für viele Bayern ein "Verlust gemeinsamer Geschichte und Identität", sagt der Abgeordnete der AZ. Er hofft auf einen fairen Austausch und eine Lösung, "die für Südtirol und bayerische Touristen gleichermaßen tragbar ist".
Debatte war nur ein "Denkanstoß"
Eine so große Debatte wollte Beikirchner mit ihrem "Denkanstoß" eigentlich gar nicht auslösen, schreibt sie. "Umbenennungen hat es in der Alpingeschichte schon sehr oft gegeben, und die neuen Namen wurden sehr rasch von der Bevölkerung angenommen."
In Vergessenheit soll die Geschichte deshalb trotzdem nicht geraten. Auf mehrsprachigen Tafeln könnte die ursprüngliche Namensgebung festgehalten und erläutert werden, regt sie an. Das wäre ein Kompromiss, mit dem sich übrigens auch der bayerische Parlamentarier Groß anfreunden könnte.
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