Nackte Sklavin und Hasenfüße

NÜRNBERG - Schiller und Johann Wolfgang von Goethe, Puppen und Prominente, große Opern und Ballett-Zugaben: Das Figurentheater-Festival tanzt auf Premierenwellen im Nürnberger Großraum.
Zwischen zwei großen Opern-Erstaufführungen in Nürnberg, einer Komödien-Uraufführung in Fürth, Besuch mit Johann Wolfgang von Goethe aus Wuppertal in Erlangen, wortgewaltiger Schiller-Klassik in der Kongresshalle und einer Hommage an Hilde Knef in Gibitzenhof, tänzelt das 16. Internationale Figurentheater-Festival im Städte-Großraum auf den Premieren-Wellen. Mitten in die Hochsaison fällt auch die Blaue Nacht am 23. Mai. Das will geplant sein!
OPER: Die deutsche Erstaufführung der französischen Fassung einer italienischen Oper – polyglotter kann eine einzelne Premiere gar nicht sein als die vom 2. Mai: „Dom Sébastien“ von Donizetti (Nürnberger Opernfreunde kennen bislang „Liebestrank“ und „Lucia di Lammermoor“, „Don Pasquale“ und „Lukrezia Borgia“, ja sogar „Die Regimentstochter“) gehört zu Intendant Peter Theilers Nachlass-Verwaltung des Vielschreibers. Dies hier ist, nicht frei von weltpolitischer Pikanterie, die Geschichte eines Herrschers, der Nordafrika vom Islam „befreien“ will. David Hermann, (Achtung, ein ehemaliger Neuenfels-Assistent!) inszeniert, Christoph Gedschold dirigiert. Wichtiger ist sicher die längst überfällige Nürnberg-Premiere von Erich Wolfgang Korngolds „Die tote Stadt“. Der Komponist, als Wunderkind gefeiert, geriet unter die rassistische Geschmacks-Diktatur der Nazis und wurde zur Soundtrack-Berühmtheit in Hollywood. Für die Wiederentdeckung seiner gleißend-süffigen Opernmusik steigt Kapellmeister Philipp Pointner am 30.5. von der „Csárdásfürstin“ um, Gabriele Rech führt Regie, die „Aida“ Mardi Byers ist dabei. – Unter „musiktheater modern“ debütiert im Hubertussaal eine Kurzopern-Reihe unter Leitung von Christian Gabriel mit KlangKonzepte-Ensemble. Nur relativ modern, denn Gian Carlo Menottis Seancen-Spiel „The Medium“ entstand 1947: 26. bis 30.4.
SCHAUSPIEL: Jutta Richter-Haaser und Patricia Litten sind als Konkurrenz-Königinnen noch in Erinnerung, jetzt lässt Stefan Otteni ganz andere Typen, Julia Bartolome und Elke Wollmann, in Schillers „Maria Stuart“ antreten (ab 18.4. Kongresshalle). Der Brite Simon Stephens, über dessen Stück „Pornographie“ auch in Nürnberg geteilte Meinung herrschte, verspricht mit „Motortown“ den Blick in Abgründe des Alltags. Marco Steeger spielt einen Soldaten, der nach dem Einsatz im Irak-Krieg daheim die Orientierung verliert (ab 25.4., Tafelhalle). – Frauen-Power schlägt zurück. Nachdem sich das Herren-Ensemble in „Ladies Night“ so erfolgreich austobt, kommt die weibliche Antwort mit „Samstag, Sonntag, Montag“. Klaus Kusenberg hat Eduardo de Filippo, dessen „Kunst der Komödie“ wellenartig in Spielplänen auf- und untertaucht, kurzfristig eingefädelt. Aufbegehrende Frauen attackieren Macho-Männchen, und dabei sind 17 Rollen zu besetzen (ab 13.6. Kongresshalle). – Nach seinem durschlagenden Erfolg mit dem Revue-Text f´ür „Petticoat und Schickedance“ hat Ewald Arenz nun mit „Die Odaliske“ (laut Duden eine „Haremssklavin“) Salonkomödien-Uraufführung. Eine Nackte soll da auf dem Sofa lagern; es ist versprochen (ab 23. April im Fürther Theater). – Star-Gastspiel im Gostner: Philipp Hochmair, Groß-Darsteller an führenden Bühnen, kehrt für zwei Tage zurück, mit der knalligen „Werther“-Performance (23.6. Hubertussaal) und dem am Wiener Burgtheater entstandenen Kafka-Livehörspiel „Der Prozess“ (24.6. Gostner Hoftheater). - Wiedersehen macht Freude auch in Erlangen: Christian von Treskow, der dort zehn Produktionen herausbrachte (u.a. „Hamlet“) kommt vom 9. bis 11.5. mit Johann Wolfgang von Goethe „Urfaust“ aus Wuppertal, wo er Schauspiel-Intendant wurde. – Hausgemachte Klassik ist auch schon in Probe: Malte Kreuzfeldt, mit „Tintenherz“ in guter Erinnerung, wagt es mit Shakespeares „Sturm“ (18.6., Markgrafentheater).
FIGUREN-FESTIVAL: Viele Gastspiele sprengen den Rahmen des Puppentheaters und nehmen es mühelos mit den großen Brüdern auf. Der avantgardistische Lette Alvis Hermanis mit seinem Rigaer Ensemble sowieso (21./22.5., Redoutensaal Erlangen), aber auch das Materialtheater Stuttgart mit der nahe am Leben des Brian gesiedelten Bibel-Travestie „Passion der Schafe“ (21.5., Tafelhalle), das Maskentheater Familie Flöz bei „Hotel Paradiso“ (21.5., Markgrafentheater, 23.5., Tafelhalle, 24.5. Fürther Theater), das Puppentheater Halle mit zweieinhalbstündigen „Buddenbrooks“ (17.5 Erlangen, 24.5. Nürnberg) und Neville Tranters viertägige Stationierung im Großraum (16. bis 19.5.) mit der hasenfüßigen Apokalypse „Cuniculus“.
MUSIKKOMÖDIE: Was die Operetten-Fans Heißmann & Rassau mit der „Fledermaus“ von Johann Strauß anstellen, ist eine Frage (ab 29.4. in der Comödie Fürth) - wie die Knef nach der Kino-Enttäuschung bei Hilde Pohl die Rosen regnen lässt (3.5. im Hubertussaal) die andere.
TANZ: Intendant Werner Müller hat das Cedar Lake Contemporary Ballett persönlich in New York eingekauft (8. bis 10.5.). Im Kulturforum reanimiert er einen Klassiker der Tanz-Moderne: Susanne Linke mit „Im Bade wannen“ (17./18.4.) – Sondervorstellungen beim Ballett, das ist bemerkenswert. Goyo Montero macht Zugaben mit „Benditos Malditos“ in der Tafelhalle (14.und 20.6.) und „Romeo und Julia“ im Opernhaus (6. und 13.6.). Dieter Stoll