Nachhaltige Versuchung: Die Pralinen und Törtchen von Muschler schmecken himmlisch

Draußen herbstelt es. Schnell rein in die süße Stube von Andreas Muschler in Freising. Der 41-Jährige kommt zum Termin trotz Nieselregen mit dem Radl um die Ecke. Tiefenentspannt und mit einem breiten Lächeln.
Törtchen neben Törtchen sind in der Theke aufgereiht. Oder besser gesagt: essbare Kunstwerke, die fast zu schade zum Verspeisen sind. Eine Mutter und ihr Sohn stehen davor und können sich nicht sofort entscheiden. Zum Beispiel gibt es an diesem Tag "Chou Pistaché" (Pistazienmousse, hausgemachter Pistazien-Nougat-Crunch, Crumble und Brandteig).
Oder den orangen"Pumpkin": Aprikosenspiegel, Kürbismousse, Aprikosen-Kompott-Kern, Mandel-Kürbis-Nougat, Kürbiskernbiskuit und Schokomürbteig. Dazu Macarons, Pralinen, Tartes, Schokoladen. Eine Pâtisserie und Chocolaterie wie in Frankreich. Nur eben mitten in Freising.
Handwerk mit Tradition Großeltern eröffnen schon 1955 eine Bäckerei
2014 hat Muschler seinen "Genussort" aufgesperrt. Er hat Bankkaufmann gelernt, aber auch Konditor und Bäcker (für die beste Meisterprüfung im Konditorenhandwerk hat er den Meisterpreis der Bayerischen Staatsregierung bekommen).
Der Hang zu diesem Handwerk liegt in seiner Familie - die Großeltern eröffneten schon 1955 eine Bäckerei und Konditorei in Freising, seine Eltern führten sie weiter, erzählt er im Gespräch. Er ist also damit aufgewachsen, hat sich aber auch in anderen Backstuben umgeschaut. In München, Wien und Paris.

In Österreich kam er das erste Mal mit den besonderen Törtchen in Berührung. Die Neugier: geweckt. Über einen glücklichen Zufall konnte er sodann bei Pierre Hermé in Frankreich hineinschnuppern, "der Godfather der französischen Chocolaterie und Pâtisserie", wie ihn Muschler nennt. "Ich hatte meinen ersten Tag dort und mir ist das Herz aufgegangen." Wie würde er die französische Pâtisserie beschreiben? "Es sind eher die Komponenten eines Tellerdesserts als ein klassisches Kuchenstück."
Mit internationalen Einflüssen im Gepäck kehrte er heim - er fühlt sich mit Freising verbunden, hier wollte er seinen Laden eröffnen. Mit Schau-Backstube und Café. Und mit Erfolg. Seine Schokoladen wurden bei den "International Chocolate Awards" schon mehrfach ausgezeichnet.
An oberster Stelle steht der Geschmack
In seiner gläsernen Manufaktur spricht er über seine Prioritäten: "Der Geschmack ist immer an oberster Stelle." Man könnte sagen: Die "inneren Werte" der Kreationen zählen. Aber der Freisinger achtet auch auf seinen ökologischen Fußabdruck. Schon seit Tag eins nutzen sie zum Beispiel Öko-Strom.

Im Gespräch kristallisiert sich heraus: Nachhaltigkeit ist ein großes Wort, das in der Praxis wie ein Puzzle aus vielen Einzelteilen besteht. Und es ist ein Prozess, diese nach und nach zusammenzusetzen. Manches lässt sich einfach umsetzen, wie der Öko-Strom. Bei anderen Dingen muss man im Alltag abwägen und vielleicht auch tüfteln. Muschler sagt klar: "Wir sind weder komplett bio, noch komplett regional, noch komplett konventionell."
Der Weg der Nachhaltigkeit in der Praxis
Aber: "Wir sind auf dem Weg. Wie sich auch die Gesellschaft auf den Weg macht." Für ihn zählt: "Was kann ich ändern?" Die oft wiederholte Ausrede, dass man als Einzelner sowieso nichts bewirken könne, lässt er nicht gelten. "Das stimmt einfach nicht."
Wie also versucht er, etwas für mehr Nachhaltigkeit in seiner Pâtisserie zu tun?
- Beispiel 1: Die Verpackungen "Wir lassen viele unsere Verpackungen in Freising designen und herstellen", der Rest kommt zum größten Teil aus Deutschland, ein kleiner Teil aus dem umliegenden europäischen Ausland. "Alles, was wie Plastik aussieht, ist Maisfolie." Und die ist biologisch abbaubar.

- Beispiel 2: Der Kakao Die Grundzutat wird bei Muschler nur fair gehandelt gekauft. Er bezieht den Grand-Cru-Kakao über einen Schweizer Rohschokoladenhersteller auf direktem Weg aus Venezuela. Auf Muschlers Homepage wird hervorgehoben, dass die Kleinbauern durch langfristige Verträge Sicherheit bekämen. Dazu würden sie dort keine Spritzmittel verwenden und es gibt keine Monokulturen, erzählt er - diese sind nämlich anfällig und schlecht für den Klimawandel gerüstet. Angebaut werde der Kakao wie ein Bio-Produkt, aber es sei nicht extra als solches zertifiziert. Es handelt sich um den sehr seltenen Edelkakao Criollo. "Unsere Pralinen sind alle damit gemacht." Zum zweiten Lieferanten von Rohkakao schreibt Muschler auf seiner Seite: "Unser zweiter Lieferant für Rohschokolade Valhrona arbeitet aktiv daran, seine Auswirkungen auf die Umwelt zu verringern" - etwa durch Abfallvermeidung, Nutzung erneuerbarer Energien und das Ökodesign der Produkte.
Regionale Produkte von Haselnüssen bis Kürbiskerne
Kakao können Muschler und seine Mitarbeiter nicht aus Deutschland und auch nicht aus Europa beziehen, 70 Prozent der Weltmarkt-Menge wird in Westafrika (Ghana und Elfenbeinküste) angebaut, der Rest in anderen tropischen Regionen.
Aber an anderer Stelle können sie regionale Zutaten verwenden, das spart weite Transportwege. Zum Beispiel bei Hasel- und Walnüssen, Mehl, Eiern, Kürbiskernen, Apfelsaft oder Quitten, zählt er auf. Manches verwenden sie auch in Bio-Qualität, zum Beispiel das Dinkelmehl oder die Milch. Den Kaffee bezieht er aus Italien, also nicht regional und auch nicht bio. Der Grund: Der verwendete Kaffee ist vom Geschmack her genau so, wie er ihn möchte. Deshalb will er ihn vorerst nicht umstellen.

Geputzt werde bei ihm unter anderem mit Bio-Reinigungsmitteln. Und bei den Maschinen in der Produktion setzten sie auf Reparatur, um das Leben der Geräte zu verlängern und weniger Elektroschrott zu verursachen. Ein bisschen stolz deutet er zur Spülmaschine - die funktioniert seit der Eröffnung 2014.
Schau-Backstube: "Keine Bühne, sondern Transparenz"
In der Schau-Backstube können Gäste zuschauen, wie die süßen Teilchen entstehen. "Es wird alles selbst hergestellt, wir machen keine Packerl auf und schütten das fertige Pulver rein. Es ist handwerkliches Know-how, das gezeigt wird." Aber: "Es geht nicht um die Bühne, sondern um die Transparenz."

All das hat seinen stolzen Preis. Das Törtchen "Chou Pistaché" kostet zum Beispiel 8,30 Euro. Der "Pumpkin" 9,90 Euro. Zum Mitnehmen. Ein kleiner Aufschlag kommt oben drauf, wenn man im Café genießt.
Muschler sagt offen: "Es gibt natürlich auch manche, denen der Preis zu teuer ist", aber es koste einfach eine gewisse Summe, die Speisen "in dieser Qualität, mit viel Handarbeit, Regionalität und fair gehandeltem Kakao herzustellen". Noch dazu in Bestlage mitten in der oberbayerischen Innenstadt.
Zum Schluss zwei süße Komplimente. Eins, das er einmal bekommen hat: "Andreas, du bringst die Welt nach Freising." Und eins, das er verteilt: "Mein liebster Kuchen ist immer noch der Erdbeerkuchen meiner Oma."