Nach WM-Party: Ehepaar halbnackt in Zelle gesperrt

GILCHING/STARNBERG - Eine harmlose WM-Party im Garten endete für ein Ehepaar halbnackt in einer Ausnüchterungszelle. Wegen Ruhestörung stand das Paar nun vor dem Amtsgericht Starnberg - doch schnell wurde klar, dass sie sich nur gegen einen völlig unverhältnismäßigen Polizeieinsatz gewehrt hatten.
Sie feierten Deutschlands Sieg gegen Schweden, grillten im Garten, hörten Musik und sangen Lieder: Typische Abendstunden im Sommermärchen 2006. Wegen Ruhestörung kam eine Polizeistreife vorbei, "Wir haben sofort angeboten, die Musik leiser zu drehen und nach drinnen zu gehen", so ein Gast der etwa zwölf-köpfigen Party. Bei der harmlosen Ruhestörung blieb es nicht: Die Gastgeber der Party mussten sich gestern wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt vor dem Amtsgericht Starnberg verantworten.
Die Polizisten verlangten von dem Hausbesitzer, Christian S. (alle Namen geändert), Gastgeber der Party, sich auszuweisen - doch der wollte erst einmal den Ausweis der Beamten sehen. Es kam zu einer verbalen Auseinandersetzung, bis der Hausherr nachgeben und seinen Ausweis aus dem Haus holen wollte.
"Unten ohne"
Doch der Beamte verwehrte ihm den Zutritt, sagt der Anwalt von Christian S., Rudolf Holztrattner. Jetzt eskalierte der Einsatz völlig: Der Polizist brachte Christan S. brutal zu Boden, eine Polizistin half ihm dabei, er, seine Ehefrau und eine Bekannte wurden im Polizeiwagen eingesperrt und auf Polizeiwachen gebracht - obwohl sie die Personalien noch vor Ort im Polizeiwagen aufgenommen hatten.
Christian S. und seine Frau Tina wurden in eine Kellerzelle der Germeringer Polizeiwache gesperrt - und mussten sich bis auf die Unterwäsche ausziehen. Tina S., die keinen Slip trug, musste gefesselt und "unten ohne" in der Zelle ausharren. Das Ehepaar drückte immer wieder den Notruf - sie hatten Durst, wollten Bekannte und einen Anwalt verständigen - und ihr 17-jähriger Sohn war allein in dem Haus zurückgeblieben. Wäre eine Nachbarin nicht eingeschritten, die Polizeibeamten hätten ihn in ein Jugendheim verfrachtet, so Holztrattner.
Zahlreiche blaue Flecken und Einblutungen
Erst um 6 Uhr früh endete die unwürdige Behandlung, das Ehepaar wurde entlassen - vorher nahmen die Beamten noch Fingerabdrücke, "wie bei Schwerverbrechern", sagte Christian S. zur AZ. Ein Arzt diagnostizierte bei Christian S. zahlreiche blaue Flecken, Einblutungen im Schläfenbereich und eine Verstauchung im Kehlkopf - die Polizisten hätten ihn bei der Blutentnahme gewürgt, sagte Christian S. gestern vor dem Amtsgericht Starnberg aus.
Er wurde freigesprochen - jetzt wird gegen die beteiligten Polizeibeamten ermittelt. Anwalt Rudolf Holztrattner und seine Kollegen erstatteten Strafanzeige wegen Körperverletzung, Freiheitsberaubung und Amtsmissbrauch.
Laura Kaufmann