Nach der Katastrophe: So laufen die Bauarbeiten an der Kunsteisbahn am Königssee

Dreieinhalb Jahre nach dem Unwetterschaden laufen die Erneuerungen von Deutschlands ältester Kunsteisbahn am Königssee auf Hochtouren. Ein Besuch auf der Baustelle.
von  Kilian Pfeiffer
Die Fundamente links neben dem Eiskanal sind neu. Hier werden die Kühlmittelfernleitungen verlegt. Der ganze Bereich soll überdacht werden.
Die Fundamente links neben dem Eiskanal sind neu. Hier werden die Kühlmittelfernleitungen verlegt. Der ganze Bereich soll überdacht werden. © Kilian Pfeiffer

Schönau am Königssee - Stille liegt über dem Königssee. Weiter oben an der Kunsteisbahn durchbrechen Motorendröhnen und schweres Bohrgerät die idyllische Ruhe. Wo einst das Kufenkratzen auf Eis zu hören war, wird mächtig umgebaut.

Projektleiter Florian Amort behält den Überblick. Knapp vier Jahre nach einem schweren Unwetter und desaströsem Millionenschaden haben die Bauarbeiten unterhalb der steilen Grünstein-Wand Fahrt aufgenommen.

Lange Zeit konnte hier keiner runter mit Schlitten oder Bob. Wenn es nach den Verantwortlichen geht, soll es im kommenden Winter aber wieder losgehen auf der ältesten Kunsteisbahn der Welt. Zwischen Geröllhaufen, Materiallieferungen und jeder Menge Baugefährten liegt derzeit die Bobbahn, über die in den vergangenen dreieinhalb Jahren viel berichtet wurde seit dem verheerenden Juli-Unwetter von 2021.

53,5 Millionen Euro sind veranschlagt

"Wir gehen jetzt die Bahn nach oben und schauen uns alles an", ruft Florian Amort gegen den Lärm an. Der Projektleiter des Wiederaufbaus einer der bedeutendsten Sportstätten Deutschlands lotst die Gruppe über die Großbaustelle. An manchen Stellen klaffen Löcher im Boden neben der Strecke, Absperrband und Zäune zeigen auf, wo man sich bewegen darf. Schwere Maschinen rangieren im Minutentakt. Die traditionsreiche Bahn ist seit dem Unglück gesperrt und gleicht aktuell einer offenen Wunde – für Unbefugte besteht Betretungsverbot, sagt Amort.

Die Spuren der Katastrophe sind noch allgegenwärtig. Dort, wo etwa einst der Herrenstart war, steht nichts mehr. Durch zerklüftetes Gelände bahnt sich der Klingerbach vom Berg kommend seinen Weg ins Tal. Tatsächlich läuft seit Ende vergangenes Jahr der Wiederaufbau der darunter liegenden Bahn auf Hochtouren. 53,5 Millionen Euro sind dafür veranschlagt, eine gedeckelte Summe. Dafür soll der Eiskanal nicht nur repariert, sondern die gesamte Anlage sicherheitstechnisch aufgerüstet werden. Derzeit arbeiten rund zehn Firmen hier.

Das Eis braucht Kühlung

Florian Amort möchte ein bisschen mehr vom Eiskanal zeigen, jene Betonrinne, in der die Schlitten und Bobs mit teils 120 km/h talwärts schießen würden, wenn es Eis gäbe. Stattdessen erkennt man raue, graue Wände, an einigen Stellen armiert mit freiliegendem Stahl. "Wir haben die Innenfläche des Kanals abgestrahlt und den maroden Beton entfernt", erläutert der Projektleiter. "Teilweise war der Beton so beschädigt, dass die Stahlbewehrung komplett freigelegt wurde."

Mit Höchstdruck-Wasserstrahlen tragen Spezialisten den alten Beton ab. Frischer Beton soll die Rinne auskleiden, damit der Kanal wieder spiegelglatt gefrieren kann. Klar ist: Ohne intakten Eiskanal gibt es im Winter keinen Eissport.

Doch Eis braucht auch Kühlung. Entlang der Strecke fallen lange, geöffnete Gräben auf. Schwere Betonfundamente laufen parallel zur Bahn. Darauf soll die neue Kältemittelfernleitung verlegt werden, sagt Amort. Neue Leitungen für das Ammoniak – quasi das Adernsystem des Eiskanals – werden verlegt, nachdem die alten Leitungen schwer in Mitleidenschaft gezogen wurden. Die Fundamente werden zusammen mit L-förmigen Winkelstützen aus Beton mehr Sicherheit bieten als zuvor.

Die Wahrscheinlichkeit einer erneuten Beschädigung ist geringer

Die Wahrscheinlichkeit einer Unterspülung und erneuten Beschädigung? Deutlich geringer als früher, sagt Amort. Auf dem Fundament soll auch jene Unterbau-Stahlkonstruktion entstehen für eine neue und deutlich erweiterte Bahnüberdachung. "Wir ziehen die Überdachung auf einer Länge von rund 500 Metern neu auf", erläutert der Projektleiter.

Die Dachkonstruktion soll Stabilität und Schutz bieten. Das Dach hilft, Energie zu sparen, und verhindert zudem ein zu schnelles Schmelzen des Eises. Ganz oben an der Bahn plätschert der Klingerbach. Dieser war der Hauptübeltäter der Katastrophennacht. Damit sich dieses Szenario nicht wiederholen kann, laufen Schutzbau-Maßnahmen. Ein riesiges Bohrgerät verrichtet mit dumpfem Grollen sein Werk.

Jeder Bohrpfahl geht 15 Meter in die Tiefe

"Hier entsteht die Geschiebedosiersperre", erläutert der Projektleiter. Es ist ein großes Auffangbecken für Geröll und Schlamm – "mit kontrollierter Abflussfunktion". Die Dimensionen sind beeindruckend: Mehrere Tausend Kubikmeter Schutt soll die Anlage im Ernstfall zurückhalten können. Dazu bohrt die Maschine metertiefe Löcher in den Untergrund: "Jeder Bohrpfahl hat 90 Zentimeter Durchmesser und geht bis zu 15 Meter in die Tiefe", sagt Amort.

In jedes Loch kommt Beton – Pfahl für Pfahl entsteht so eine unterirdische Wand, die den Hang stützen wird. Am oberen Ende wird ein Sperrbauwerk quer zum Bach gebaut, das im Normalfall Wasser und kleinere Geschiebemengen dosiert durchlässt, bei Extremhochwasser aber große Felsbrocken und Baumstämme zurückhält. Kurz gesagt: Der Wildbach bekommt ein Ventil.

Für die Anwohner unterhalb bedeutet das: deutlich weniger Risiko. Das ist auch deshalb möglich, weil der Klingerbach verlegt wird. Der Bach wird tiefer gelegt. Das Wasser soll seine Energie besser im Bachbett verlieren und nicht mehr unkontrolliert ausbrechen können.

Im November soll das Training losgehen

Nicht nur vom Wasser drohte Gefahr, auch von oben, vom Fels. Amort deutet auf die steilen Waldhänge am Grünstein. Entlang der Bahntrasse sind hohe Gitterzäune auszumachen. Die Steinschlag-Schutzzäune werden erneuert und bis zu zwei Meter erhöht.

Regelmäßig sollen die Zäune kontrolliert und von Geröll befreit werden. So dürfte die Bahn künftig vor herabstürzenden Felsbrocken geschützt sein, sagen die Verantwortlichen.

Die Kunsteisbahn erwacht langsam zu neuem Leben. Im November soll der Trainingsbetrieb wieder aufgenommen werden. Das erste Weltcuprennen auf der modernisierten Bahn ist für Januar 2026 angesetzt.

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