Nach Ärzte-Pfusch: 1,9 Millionen Euro für Frau im Koma
NÜRNBERG - Die Mutter von vier Kindern ist seit sechs Jahren ein 24-Stunden-Pflegefall, weil sie bei einem Sterilisations-Eingriff im Laufer Krankenhaus beinahe verblutete.
Was ist eine Mutter wert? Seit 2003 liegt Monika M. (38) im Wachkoma, weil ein Frauenarzt bei der Sterilisation pfuschte. Jetzt, nach einem beinahe endlos langen Prozess im Nürnberger Justizpalast, erstritt ihr Ehemann für sie 1,9 Millionen Euro Schmerzensgeld und Schadensersatz – eine Sensationssumme! „Es ist sicher einer der höchsten Beträge, die jemals in einem Arzthaftungsfall bezahlt wurden“, ist sich Konrad Wilfurth, der Anwalt der Familie, sicher. Doch das Geld ist dringend nötig – zur Zahlung der enormen Betreuungs- und Behandlungskosten von über 6000 Euro im Monat. Denn Monika M. muss im Pflegeheim 24 Stunden am Tag versorgt werden. Von der Pflegeversicherung gibt es gerade mal 1470 Euro. Den Rest muss der Ehemann aufbringen.
Ihr Mann Ewald M. verkaufte bereits Äcker und Vieh
Ewald M. verkaufte bereits Äcker und Vieh, gab die Landwirtschaft auf und nahm einen zusätzlichen Job an. Knapp 400.000 Euro habe die Versicherung des verklagten Arztes bereits bezahlt, so der Anwalt. Jetzt erklärte sie sich nach langem Ringen bereit, noch einmal 1,5 Millionen Euro draufzulegen. Die Vorgeschichte: Vier Kinder sind genug, dachte sich Monika M., damals 32, im Jahr 2003, als ihre jüngste Tochter 18 Monate alt war. Im Krankenhaus von Lauf an der Pegnitz ließ sie sich von einem Belegarzt operieren. Doch der Eingriff ging schief.
„Meine Frau war sich nicht bewusst, welches Risiko sie eingeht“
Dabei schien er so harmlos: „Sie brauchen keine Angst zu haben, es ist ein Routine-Eingriff“, habe der Gynäkologe gesagt. „Meine Frau war sich nicht bewusst, welches Risiko sie eingeht“, sagte Ewald M. im ersten Prozess am Nürnberger Landgericht. Doch der verklagte Arzt bestritt, dass er Monika M. nicht richtig aufgeklärt habe. Seltsam trotzdem: Im Aufklärungsbogen hatte er nachweislich nachträglich ihre Unterschrift gefälscht. Das Unheil nahm seinen Lauf: Am 19. Februar 2003 nahm der Belegarzt den Eingriff am Laufer Krankenhaus vor. Im Normalfall werden dabei die Eileiter durchtrennt. Dabei werden mit einem kleinen Schnitt am Nabel das Instrument sowie eine kleine Kamera mit Lichtquelle in den mit Luft aufgepumpten Bauch eingeführt. Über einen Bildschirm kann der Operateur den Vorgang in der Bauchhöhle betrachten.
Der Frauenarzt durchtrennte eine große Ader
Doch der Frauenarzt durchtrennte versehentlich bei der Patientin eine große Ader. Er schaffte es nicht, die Blutung zu stoppen. Zwei Chirurgen der Klinik kamen noch zu Hilfe. Dass er sie zu spät rief, wie behauptet, war ihm nicht nachzuweisen. Doch die Patientin fiel ins Koma. Ihr Gehirn wurde durch den Blutverlust irreparabel geschädigt. „Es liegt kein Ärztepfusch vor“, stellte ein Gutachter fest. Denn bei dieser Standardmethode könne diese sehr seltene Komplikation schon mal passieren. „Ein Gynäkologe muss nicht wissen, wie man große Blutgefäße im Bauchraum verschließt“, hieß es.
In erster Instanz wurde die Klage abgewiesen
Die Folge: Die Klage wurde in erster Instanz abgewiesen. In der Berufung am Oberlandesgericht riet der Vorsitzende Richter Gerd Braun zu einem Vergleich. Die Versicherung des Arztes war nur unter einer Bedingung bereit: Dass die Zahlung von 1,5 Millionen Euro als „freiwillige Leistung aus humanitären Gründen“ deklariert wurde. Der verklagte Arzt war mit drei Millionen Euro versichert. Mit dem Restbetrag werden unter anderem die Forderungen der Krankenkasse beglichen. cis
- Themen: