Mutter setzt Neugeborenes aus: Mehr als sechs Jahre Haft

Dass der kleine Bub seinen Überlebenskampf gewann, ist fast unglaublich. Eineinhalb Tage lag er gleich nach der Geburt einsam auf einer Wiese. Seine Mutter hatte ihn ausgesetzt. Dafür bekam sie nun die Strafe.
dpa |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Eine Figur der Justitia. Foto: picture alliance/dpa/Symbolbild
dpa Eine Figur der Justitia. Foto: picture alliance/dpa/Symbolbild

Augsburg (dpa/lby) - Als die Ärzte dem nackt in einer Wiese gefundenen Neugeborenen die Temperatur messen wollten, zeigte das Fieberthermometer gar nichts an. Die Körpertemperatur des Säuglings war auf 27 Grad oder noch weniger gefallen, jedenfalls außerhalb des Messbereichs. Mit dieser Geschichte machte die Vorsitzende Richterin des Landgerichts Augsburg, Susanne Riedel-Mitterwieser, am Dienstag klar, welches Grauen der ausgesetzte Bub im Juli 2019 in den 34 Stunden nach seiner Geburt erleben musste. Fast eineinhalb Tage lag das Baby völlig ungeschützt und unversorgt nachts in bitterer Kälte und tags in sengender Sonne.

Das Gericht verurteilte die Mutter, die ihr Kind in Blindheim (Landkreis Dillingen) zum Sterben auf einer Wiese allein und völlig nackt zurückgelassen hatte, zu einer Gefängnisstrafe von sechs Jahren und drei Monaten wegen versuchten Totschlags und gefährlicher Körperverletzung. Da die Frau geistig zurückgeblieben ist, bekam sie keine höhere Strafe.

Die Richterin betonte, dass der kleine Junge fast unendliches Glück habe, dass er überhaupt noch lebe. Nach 34 Stunden fand ein Anwohner das wimmernde Kind zufällig in dem hohen Gras - in lebensbedrohlichem Zustand. Ameisen hatten den Kleinen bereits angefressen, die Sonne hatte seine Haut versengt.

Das Baby wurde ins Uniklinikum nach Augsburg geflogen, wo die Ärzte drei Wochen lang intensivmedizinisch um das Leben des Buben kämpften. Letztlich mit Erfolg, auch wenn sie drei abgestorbene Zehen amputieren mussten. Heute gehe es dem bei einer Pflegefamilie lebenden Kind zwar gut, die Spätfolgen seien aber noch nicht absehbar, sagte Riedel-Mitterwieser.

Die Richterin hatte keine Zweifel, dass die 32 Jahre alte Angeklagte ihren Sohn auf alle Fälle habe umbringen wollen. Vor dem Aussetzen habe sie noch mit einer Schere auf den Kopf des Neugeborenen eingestochen. Vor Gericht habe die Mutter nur das zugegeben, was man ihr habe nachweisen können. "Man musste ihr alles aus der Nase ziehen", sagte die Kammervorsitzende.

Hintergrund der Tat ist, dass die Frau bereits zwei kleine Kinder hat, um die sich die Eltern der 32-Jährigen kümmern. Die Eltern hatten aber klargemacht, dass sie kein drittes Kind ihrer Tochter großziehen würden. "Ihr war klar, dass es erheblich Ärger geben würde", sagte die Richterin. Deswegen habe die Frau ihre Schwangerschaft geheim gehalten und das Kind in einer Nacht allein im Badezimmer ihres Elternhauses zur Welt gebracht.

Anschließend setzte sie das Baby auf der nahen Wiese aus und beseitigte die Spuren der Geburt. Am nächsten Vormittag schaute die Mutter noch einmal nach ihrem Sohn und unternahm nichts, um dem verlassenen Säugling zu helfen.

Die Strafkammer folgte mit dem Urteil dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Der psychiatrische Gutachter hatte der Frau aufgrund ihrer geistigen Entwicklung eine eingeschränkte Schuldfähigkeit bescheinigt. Die Verteidigerin hatte eine höchstens dreijährige Haftstrafe verlangt und will nun mit der 32-Jährigen besprechen, ob diese das Urteil annimmt.

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.