Mutig: Nürnberger Polizist als Ausbilder in Afghanistan
Stefan Thiele (41) wird die nächsten 12 Monate in Masar-e Scharif verbringen, um dort eine Polizeieinheit aufzubauen. Der Einsatz ist enorm gefährlich – aber ebenso wichtig, sagt der Beamte
NÜRNBERG Masar-e Scharif ist die Stadt, in der vor 19 Jahren Morsal Obeidi geboren wurde, das afghanischstämmige Mädchen aus Hamburg, das im Alter von 16 Jahren vom eigenen Bruder erstochen wurde: Ehrenmord! Der Nürnberger Stefan Thiele wird die nächsten 12 Monate in Masar-e Scharif verbringen. Dort, im staubigen Norden Afghanistan, ist „alles anders“ als in Europa, sagt Thiele, nicht nur die Stellung der Frau.
Stefan Thiele wird helfen, eine Polizei-Einheit aufzubauen. Der Polizeioberrat (41) aus Nürnberg ist Teil des deutsch-afghanischen GPPT-Programms. Das „German Police Project Team“ hat die Aufgabe, im Norden des Landes, wo auch knapp 4500 deutsche Soldaten stationiert sind, dem Polizeiapparat rechtsstaatliche Grundsätze und Professionalität nahe zu bringen. Keine leichte Aufgabe in einem Gebiet, das bekannt ist für ethnische Spannungen, Terroranschläge, Drogenanbau, Korruption, archaische Traditionen und eine orthodoxe Auslegung des Islam, die Steinigungen und Auspeitschen im Rechtssystem verankert hat.
„Die Scharia hat großen Einfluss“
„Es ist ein Irrglaube zu meinen, wir könnten hier eine pluralistische Gesellschaft nach europäischem Vorbild aufbauen“, räumt Thiele ein. Letztendlich könne man die afghanischen Kollegen nur in Gesprächen dazu bringen, die eigenen Vorstellungen zu überdenken. Und klar: Ein von den Deutschen ausgebildeter Polizist könnte auch jemanden verhaften, der dann – gesetzeskonform – ausgepeitscht oder getötet wird: „Die Scharia hat großen Einfluss“, weiß Thiele, der 2009 bereits ein halbes Jahr in der Hauptstadt Kabul verbracht hat.
Dennoch sei der Einsatz in Zentralasien enorm wichtig für Deutschland und den Westen: den Menschen vor Ort klarmachen, dass ihnen Terrornester und Fanatismus, Drogen-Anbau und anarchische Verhältnisse selber schaden. Motto: lokal handeln, global denken.
Thieles mutiger Einsatz – mit gerade mal 100 Euro pro Tag sonderhonoriert – ist extrem gefährlich. Im vergangenen Jahr wurden zwei spanische Kollegen von eigenen Auszubildenden – islamistischen „Innentätern“ – ermordet. Thiele und Kollegen sind daher rund um die Uhr im eigenen Lager, haben kaum Kontakte nach draußen. „Hier lernt man, die innere Sicherheit in Europa zu schätzen“, sagt er Vielleicht gelingt es ihm, ein Stück davon auch in Afghanistan zu schaffen.
Steffen Windschall
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