Murnau: Braune Werbung im Stadtplan

Auf einem neuen kostenlosen Stadtplan von Murnau prangt die große Anzeige eines Neonazi-Ladens. Die Gemeinde ist entsetzt.
von  Thomas Gautier
Die Anzeige des „Nationalen Textil- & Medienvertriebs“.
Die Anzeige des „Nationalen Textil- & Medienvertriebs“. © privat

Auf einem neuen kostenlosen Stadtplan von Murnau prangt die große Anzeige eines Neonazi-Ladens. Die Gemeinde ist entsetzt.

MURNAU - Guntram Gattner würde nie Werbung für Neonazis machen. Der 52-Jährige ist ÖDP-Mitglied, Dritter Bürgermeister des Marktes Murnau und Buchhändler. Rechte kommen nie in seinen Laden. Doch jetzt hat Gattner ein Geschäft, das Neonazi-Artikel vertreibt, beworben – ohne es zu wissen. „Das ist Mist”, sagt Gattner. Und ärgert sich. Er konnte es ja nicht ahnen.

Grund für die unfreiwillige Schützenhilfe ist der neue Murnau-Stadtplan des baden-württembergischen „Städte-Verlags”. Der ist kostenlos und finanziert sich allein durch Werbung. Vor eineinhalb Wochen kam die aktuelle, 13., Ausgabe mit 4000 Exemplaren auf den Markt. Alle Murnauer Geschäfte, die eine Anzeige geschaltet haben, bekamen ein bestimmtes Kontingent vom Verlag, um die Faltpläne zu verschenken. Buchhändler Gattner hat auch eine Anzeige geschaltet – sie liegt rechts neben der dreispaltigen Werbung des „Nationalen Textil- & Medienvertriebs” aus Murnau.

Der vertreibt Dinge wie Badehandtücher in Schwarz-Weiß-Rot, NPD-Info-Material, Feuerzeuge mit Aufschriften wie „Rauschet ihr Eichen” oder Poloshirts mit Sprüchen wie: „Braune haben bessere Laune”. Am 9. Juli laden die Besitzer zu einem Sonderverkauf im Geschäft am Burggraben ein. Ehrengast: Holger Apfel, Chef der Sachsen-NPD.

Gattner ärgert sich seit Jahren über diese „Metastase” in seinem Ort. Was ihn noch mehr wurmt: Er hat, wie viele Murnauer Händler auch, 20 Faltpläne an Kunden verschenkt – „ich bin erst gar nicht auf die Idee gekommen, auf den Plan zu schauen”, sagt Gattner.

In der Gemeinde sind alle entsetzt. Das Blaue Land, auf einmal braun? „Das ist ganz und gar nicht gut für unser Image. Gerade bei Touristen”, sagt Gattner. Er ärgert sich über den Städte-Verlag: „Spätestens dort hätte man die Anzeige doch merken müssen!” Am vergangenen Mittwoch bekam auch die Gemeinde Wind von der Neonazi-Anzeige in ihrem Stadtplan. „Für uns ist das äußerst unerfreulich”, sagt Geschäftsleiter Josef Neuner der AZ. Die Gemeinde Murnau liefere dem Verlag die Karte, mit der Werbung habe man aber nichts zu tun. Die Akquise sei vom Städte-Verlag „eigenverantwortlich” erfolgt.

Dort bedauert man die Aufregung – sieht sich aber aus der Verantwortung: „Wir wussten nicht, was für ein Geschäft sich hinter der Anzeige verbirgt”, sagt die zuständige Ressortleiterin Susanne Sträter. „Auch die Staatsanwaltschaft hielt die Anzeige für rechtlich unbedenklich.” Trotzdem habe man sofort reagiert: „Wir haben neue Pläne gedruckt”, sagt Sträter. „Sie werden am Montag ausgeliefert.” Ein Exemplar geht vor der Verteilung zum Bürgermeister – nur zur Vorsicht.

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