Interview

Münchner Experte über Overtourism: "Zerstörung entgegenwirken"

Der Münchner Tourismus-Professor Markus Pillmayer warnt vor den Folgen des Overtourism und fordert ein Umdenken im Reiseverhalten. Beliebte Urlaubsziele stehen unter Druck, während asiatische Reisende den Massentourismus weiter anheizen.
Ralf Müller |
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Mallorca - das wohl beliebteste Reiseziel vieler Deutscher. Hier sonnen sich Urlauber an der Playa de Muro.
Mallorca - das wohl beliebteste Reiseziel vieler Deutscher. Hier sonnen sich Urlauber an der Playa de Muro. © Clara Margais/dpa
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Von Venedig über Mallorca bis hin zum Eibsee an der Zugspitze: An beliebten Urlaubszielen wird der Unmut über zu viele Touristen immer lauter. Die AZ hat mit Markus Pillmayer darüber gesprochen. Er ist seit 2019 Professor für Destinationsentwicklung und Destinationsmanagement an der Hochschule München.

AZ: Herr Pillmayer, der Tourist zerstört, was er sucht, indem er es findet, hat Enzensberger einmal formuliert. Sind wir jetzt so weit? Ist die Attraktivität von Zielen wie Mallorca, Rom, Barcelona, Venedig, Dubrovnik, Santorini, Südtirol und sogar der Mount Everest und viele andere mehr auf dem besten Weg, zerstört zu werden?
Markus Pillmayer: Soweit würde ich persönlich nicht gehen wollen. Die Beobachtungen in den genannten Orten zeigen jedoch, dass es dringend spezifischer Besuchermanagement-Maßnahmen als auch notwendiger Rahmenbedingungen bedarf, um genau dieser Zerstörung entgegenzuwirken.

Welche Rolle spielt die Jagd auf Fotos aus Internet-Hotspots? Ein vorübergehender Hype oder ein ernsthaftes Problem auf Dauer? Manche Hotspots sind schon gesperrt oder nur eingeschränkt zugänglich. Wird das so weiter gehen?
Der sogenannte Instagram-Tourismus hat sicherlich seinen Anteil daran – und wird auch bestehen bleiben. Sperrungen oder ein zeitlich beschränkter Zugang werden das nur bedingt lösen. Eher gezielte Lenkungsmaßnahmen zu ausgewiesenen Fotospots können helfen.

Overtourism in Venedig. Seit 2024 gilt in bestimmten Zeiträumen ein Eintritt.
Overtourism in Venedig. Seit 2024 gilt in bestimmten Zeiträumen ein Eintritt. © imago

"Dazu kommen saisonale Peaks und Reiserouten"

Welchen Anteil haben immer kaufkräftigere und reisefreudige Bevölkerungsschichten aus den bevölkerungsreichen asiatischen Ländern am "Overtourism"?
Die immer kaufkräftigeren und reisefreudigeren Bevölkerungsschichten aus asiatischen Ländern, insbesondere aus China und Indien, tragen in vielerlei Hinsicht zu diesem Phänomen bei. Gründe dafür finden sich beispielsweise in einem steigenden Reisevolumen. Asiens wachsende Mittelschicht verfügt über zunehmende finanzielle Mittel und ein steigendes Interesse an internationalen Reisen, was zu einem erheblichen Anstieg der Tourismuszahlen führt. Ein weiterer Grund findet sich in der Zielort-Beliebtheit. Viele Touristen aus asiatischen Ländern besuchen weltbekannte Sehenswürdigkeiten, was an diesen Orten zu einer starken Konzentration von Reisenden führen kann. Dazu kommen saisonale Peaks und Reiserouten. So neigen asiatische Touristen oft dazu, während bestimmter Peak-Zeiten zu reisen, beispielsweise während nationaler Feiertage und Schulferien, was die Belastung auf klassische Reiserouten verstärkt.

Der Tourismus-Experte Markus Pillmayer.
Der Tourismus-Experte Markus Pillmayer. © Julia Bergmeister

"Achtsam reisen" und "sanfter Tourismus" werden seit vielen Jahren propagiert, aber es scheint das Gegenteil stattzufinden. Ist da eine neue Rücksichtslosigkeit im Spiel?
Diese Angebote gibt es und werden auch angenommen – sie fristen jedoch eher ein Nischendasein. Die Rücksichtslosigkeit beobachten wir eher dort, wo Reisende konzentriert aufeinandertreffen und meinen, ihre individuellen Vorstellungen ausleben zu müssen.

"Die Maßnahmen adressieren zwar die Symptome, jedoch nicht die Ursachen"

Die Medien sind in diesem Jahr voll von Meldungen über Preisexplosionen, Eintrittsgebühren und allen möglichen Verboten in Urlaubsländern. Wird das so weitergehen? Sind das Anzeichen für einen Zusammenbruch des bisherigen Systems "Urlaub"?
Die Maßnahmen adressieren zwar die Symptome, jedoch nicht die Ursachen. Diese liegen in einem Tourismusmodell, das in der bestehenden Form kritisch auf den Prüfstand und gegebenenfalls überarbeitet werden muss.

Die berühmte Rialtobrücke in Venedig ist ein Touristenmagnet.
Die berühmte Rialtobrücke in Venedig ist ein Touristenmagnet. © imago

Haben Reisen ins Ausland inzwischen eher eine völkertrennende als eine -verbindende Wirkung? Man denke an die Anti-Touristen-Bewegung auf Mallorca.
Tourismus bringt die Menschen zusammen, sowohl Reisende als auch die lokale Bevölkerung. Mallorca ist ein Paradebeispiel dafür, wo es die touristischen Akteure versäumt haben, die Vorzeichen richtig zu deuten und entsprechend darauf zu reagieren.

Abstimmung: "Kreuzfahrtveranstalter haben die Verpflichtung"

Besonders in der Kritik sind Kreuzfahrten mit Riesenschiffen, von denen immer noch mehr gebaut werden. Ist das zukunftsträchtig?
Betrachtet man rein die Nachfrage, dann scheinbar ja. Das ist jedoch zu kurz gedacht. Zum einen stellt sich die Frage nach klimafreundlichen Antrieben. Zum anderen haben Kreuzfahrtveranstalter die Verpflichtung, mit den frequentierten Reisezielen abzustimmen, wie viele Schiffe in einem bestimmten Zeitraum anlegen und mit welcher Anzahl an Reisenden.

Der Eibsee an der Zugspitze ist beliebt bei Urlaubern.
Der Eibsee an der Zugspitze ist beliebt bei Urlaubern. © imago/imageBROKER/Martina Melzer

Können Sie feststellen, dass sich die Deutschen inzwischen mehr auf Nahziele beziehungsweise Urlaub im eigenen Land konzentrieren?
Die Auslandsreisen haben wieder stark zugenommen, auch wenn die meisten privaten Reisen laut Reiseanalyse nach wie vor innerhalb Deutschlands stattfinden.

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