Mordvorwurf gegen Mutter vom Tisch
Überraschung im Prozess um das getötete Baby von Saal: Staatsanwaltschaft und Verteidigung plädierten beide für eine mehrjährige Haftstrafe wegen Totschlags.
Regensburg - Die Anklage wegen Mordes eine junge Mutter, die ihr neugeborenes Baby getötet und zwei Monate später am Donau-Ufer nahe Kelheim abgelegt hat ist vom Tisch. Nadine K. hat gestanden. Bisher lautete die Anklage auf Mord aus niederen Beweggründen. Vor dem Landgericht Regensburg plädierten Staatsanwaltschaft und Verteidigung am Dienstag auf eine Strafe wegen Totschlags.
Die Verteidigung beantragte fünf Jahre Haft nach Jugendstrafrecht, Oberstaatsanwältin Ulrike Klein sechs Jahre und neun Monate Haft. Die zum Tatzeitpunkt 18-Jährige soll ihr Kind umgebracht haben, um ihren weitreichenden sozialen und sexuellen Kontakten ungestört nachgehen zu können, so die Staatsanwaltschaft zu Beginn des Prozesses. Nach der Schilderung der Familienverhältnisse und der emotionalen Lage der Angeklagten sah Klein nun aber vom Mordvorwurf ab.
Die Angeklagte sei in einem Umfeld emotionaler Kälte aufgewachsen, Probleme seien in ihrer Familie immer tot geschwiegen worden, so die Oberstaatsanwältin. Es sei wahrscheinlich, dass ihre Eltern und ihr Bruder die Schwangerschaft bemerkt hätten – die zierliche junge Frau habe 13 Kilogramm zugenommen. Keiner bot ihr aber Hilfe und Unterstützung an. Das soziale Umfeld sei deshalb mitverantwortlich, sagte Klein. Die Angeklagte habe nie gelernt, Lösungen für Probleme zu finden. Trotzdem hätte sie Alternativen ins Auge fassen müssen, zum Beispiel eine Babyklappe oder die Freigabe des Kindes zur Adoption.
Erstickt, Kehle durchgeschnitten und versteckt Vereinigungsgespräche In dem Prozess vor der Jugendkammer des Landgerichts Regensburg hatte es Anfang Mai Vereinigungsgespräche gegeben. Die Staatsanwältin stellte dabei eine Jugendstrafe von bis zu neuneinhalb Jahren in Aussicht - bei einem Geständnis einen Straf-"Rabatt" von zwei bis zweieinhalb Jahren.
Rechtsanwalt Haizmann kündigte damals an, dass sich seine Mandantin wohl zu den Vorwürfen äußern werde. Beim Prozessauftakt am 30. April hatte die Angeklagte geschwiegen. Nadine K. soll ihren Sohn am 7. Februar heimlich in ihrem Zimmer im Haus ihrer Eltern in Saal an der Donau (Landkreis Kelheim) zur Welt gebracht haben. Eine halbe Stunde später habe sie ihn durch einen tiefen Halsschnitt getötet. Danach habe sie die Babyleiche in eine Decke eingewickelt, in einen Einkaufskorb gelegt und diesen hinter einem Reifenstapel in der Garage abgestellt. Zwei Monate später habe sie den Korb nahe des späteren Fundortes in die Donau gestellt.
Verteidiger Haizmann sagte, seine Mandantin habe zwar die Tötung gestanden, "aber nicht im Sinne des Mordvorwurfes". Über das Motiv wurde bislang nichts bekannt. Die Staatsanwaltschaft ging zunächst von Mord aus niederen Beweggründen und einem egoistischen Tatmotiv aus.
Die Angeklagte war wenige Tage nach dem Fund des toten Babys festgenommen worden. Spaziergänger findet totes Kind In diesem Korb lag das tote Kind Ein 50-Jähriger hatte die Babyleiche bei einem Spaziergang mit seinem Hund entdeckt. Sie lag in einem Einkaufskorb. Anfang Mai hatte der Spaziergänger vor Gericht den Fund des toten Kindes geschildert. Die 20-jährige Angeklagte hielt dabei den Blick fast die ganze Zeit gesenkt und presste ihre Lippen aufeinander. In dem Korb hatten Beamte unter anderem zwei Feuerzeuge und ein Messer gefunden. So schilderten es die Polizisten vor dem Landgericht Regensburg, die mit dem Fall betraut waren.
Die Untersuchungen der Spurensicherung ergaben aber weder Fingerabdrücke noch DNA-Spuren an den Gegenständen. Auch die Suche mit einem Spürhund am Donau-Ufer und die Untersuchung des Elternhauses der Angeklagten blieben erfolglos. Die Mutter der Angeklagten wurde wenige Tage nach dem Fund der Babyleiche von einem Zug überrollt. "Das Motiv für den Suizid der Mutter kennen wir nicht", sagte Oberstaatsanwalt Meindl.
Nadine K. hörte den Plädoyers von der Anklagebank aus wortlos zu. Am Ende des Verhandlungstages sagte sie: „Ich möchte mich einfach nur entschuldigen. Und sagen, dass es mir unglaublich leid tut.“ Das Urteil wird an diesem Mittwoch erwartet.
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