"Moralisch höchst verwerflich": Mieses Spiel mit Reinigungskräften im Bayerischen Landtag

Eine Gewerkschaft erhebt heftige Vorwürfe: Langgediente Reinigungskräfte sollen in  schlechtere Arbeitsbedingungen gedrängt worden sein.
Ralf Müller, Ralf Müller |
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Hier muss auch mal sauber gemacht werden – doch darum gibt es jetzt Streit.
Hier muss auch mal sauber gemacht werden – doch darum gibt es jetzt Streit. © IMAGO/Ardan FUESSMANN

Wollmäuse oder Kaffeeflecken im Hohen Haus? Undenkbar. Damit es im Bayerischen Landtag von der Abstellkammer bis zum Plenarsaal sauber ist, sind in den Gängen, Toiletten und Sitzungssälen ständig 20 Damen und Herren aktiv.

 

Sie sind nicht beim Landtag angestellt, sondern bei der Wackler Service Group, einem von fünf Tochterunternehmen der Münchner Wackler-Gruppe. Deren Vertrag mit dem Landtag läuft aber Ende November aus und das ist für die Landtags-Reiniger ein Problem.

Behalten, aber nicht weiterbeschäftigen

„Neue Besen kehren gut, aber die alte Bürste kennt die Ecken“, hatte Friedrich Merz bei der Wahl zum CDU-Parteivorsitzenden für sich geworben. Das weiß man sowohl bei der Wackler Group wie auch bei Dr. Hoffmann Facility Services, welche ab 1. Dezember für die Reinlichkeit des Landesparlaments verantwortlich zeichnet. Deshalb möchte man die parlamentserfahrenen Reinigungskräfte auch gerne behalten, aber nicht einfach weiterbeschäftigen.

Die Reinigungskräfte hätten auf die Sicherheit eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses verzichten sollen, so schildert es die Gewerkschaft IG Bau.
Die Reinigungskräfte hätten auf die Sicherheit eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses verzichten sollen, so schildert es die Gewerkschaft IG Bau. © IMAGO/Kzenon

Die beteiligten Reinigungsunternehmen stellen sich den Übergang der Landtags-Mannschaft so vor, dass sie ihr bisheriges unbefristetes Arbeitsverhältnis kündigen und vom neuen Dienstleister wieder eingestellt werden.

Doch damit beginnt rechtlich ein ganz neues Beschäftigungsverhältnis mit der Folge einer sechsmonatigen Probezeit und einer zweijährigen Phase, in der das Beschäftigungsverhältnis bis zu drei Mal verlängert werden kann. Auf die Sicherheit eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses, so schildert es die Gewerkschaft IG Bau, müssten die Arbeitnehmer also freiwillig verzichten – es sei denn, sie verlassen ihren bisherigen prominenten Wirkungsort. Und das wollen sie nicht.

"Moralisch höchst verwerflich"

„Arbeitsrechtlich mag das alles zulässig sein. Moralisch und politisch ist dieses Vorgehen jedoch höchst verwerflich“, kritisiert Jemin Asllani, Fachgruppenvorsitzender der Gebäudereiniger der IG Bau München.
Skandalös finden die Gewerkschafter die Art und Weise, mit der die Landtags-Reiniger über den Tisch gezogen werden sollen. Auf einer Betriebsversammlung habe sich herausgestellt, dass die teilweise mit mangelnden Sprachkenntnissen ausgestatteten Beschäftigten zur Kündigung ihrer Arbeitsverträge „gedrängt“ worden seien. Bis jetzt sei ihnen noch nicht einmal ein neuer Vertrag gezeigt worden, kritisiert die Regionalleiterin der IG Bau Bayern, Heike Stoffels.

Die Abklärung des Sachverhalts „dauert an“

„Und das alles geschieht unter den Augen der bayerischen Politik“, so Stoffels. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) betone immer wieder, dass Bayern fast überall die Nummer eins sei. „Da stellt sich die Frage, wie es sein kann, dass Unternehmen beauftragt werden, die den eigenen Arbeitern unseriöse Verträge vorlegen möchten“, so die Gewerkschafterin.

Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, im Bayerischen Landtag.
Markus Söder (CSU), Ministerpräsident von Bayern, im Bayerischen Landtag. © Malin Wunderlich/dpa

Aber der Landtag ist souverän und kein Teil der Regierung, sodass Söder für vom Parlament abgeschlossene Verträge nicht in Mithaftung genommen werden kann. Dem Landtag waren die Klagen des Personals bei der Beauftragung eines neuen Dienstleisters bekannt, bestätigte eine Parlamentssprecherin. Deshalb habe man nachgefragt, zu welchen Konditionen die Beschäftigten beim neuen Vertragspartner eingestellt werden.
Dr. Hoffmann Facility Services habe versichert, dass „alle Arbeitsverträge vollständig den tariflichen Bestimmungen entsprächen und die Verträge gerade fertiggestellt würden“.

Bewertung "dauert an"

Die Abklärung des Sachverhalts und die rechtliche Bewertung „dauern an“, so die Sprecherin: „Bei einer Verletzung der tariflichen Bestimmungen hätte der Landtag ein außerordentliches Kündigungsrecht.“

Der Vertrag über die Reinigungsdienstleistungen im Landtag wird alle vier Jahre neu ausgeschrieben. Die Ausschreibung war laut Parlamentsverwaltung so konzipiert, dass das wirtschaftlichste Angebot den Zuschlag erhält, wobei Leistung zu 60 und der Preis zu 40 Prozent bewertet wurden.

Jeder Bieter müsse eine Eigenerklärung abgeben, dass er unter anderem die tarifrechtlichen Bestimmungen einhalte. Diese bereits in den Bewerbungsbedingungen enthaltene Verpflichtung werde mit einigen zusätzlichen Vertragspflichten ergänzt.

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