Mitarbeiter müssen ihr Gehalt zurückzahlen
NÜRNBERG 32 Jahre rackerte sich Marlies Schmöger (52) für ihre Firma ab. Am Ende für nichts und wieder nichts...
2007 gingen Aurnhammer+Benedict, die in Weißenburg und Fürth Geschenkbänder und Dekomaterial herstellten, pleite. Verkäuferin Marlies Schmöger und rund 45 Kollegen standen plötzlich auf der Straße. Monatelang hatten sie sogar umsonst gearbeitet, um das sinkende Schiff noch zu retten. Gedankt wurde es ihnen nicht. Im Gegenteil: Jetzt, vier Jahre später, sollen 22 von ihnen auch noch ihre Löhne zurückzahlen: Gehälter bis zu 10.000 Euro – plus Zinsen! So entschied gestern das Arbeitsgericht Nürnberg. Rein rechtlich ein einwandfreies Urteil, für die Angestellten ein Schlag ins Gesicht... „Einige von uns waren wie ich schon Jahrzehnte bei der Firma“, so Betriebsratsvorsitzende Marlies Schmöger zur AZ.
Als die Geschäfte 2006/2007 schlecht liefen, steckte die Belegschaft freiwillig zurück. Monatelang arbeiteten die Leute tapfer weiter, obwohl sie keine Gehälter mehr bekamen. „Wir wollten unsere Jobs erhalten,“ erklärt die 52-Jährige. Einfach hinschmeißen kam nicht in Frage. Auf dem Arbeitsmarkt sah es nicht rosig aus, auch wollte man die liebgewonnenen Kollegen nicht im Stich lassen.
Selbst der Richter hatte Magengrummeln
Der Einsatz lohnte sich nicht: 2007 meldete Aurnhammer+Benedict Insolvenz an. Die zugesagten Löhne blieben aus. 22 Mitarbeiter wollten sich das nicht gefallen lassen. Sie erstritten sich ihr Geld vor Gericht. Das Thema schien vom Tisch – bis zum Mittwoch. Jetzt sollen sie diese Löhne auf einmal wieder zurückzahlen. Der Insolvenzverwalter hatte geklagt und gewonnen. Das Geld soll zurück in die Konkursmasse. „Die Mitarbeiter sind empört und entsetzt über das Urteil“, berichtet Rechtsanwalt Harald Schwarz, der einen von ihnen vertritt.
„Einige fürchten sogar um ihre Existenz“, so Marlies Schmöger, „nicht jeder fand wieder einen Job, das Geld wurde in die Rente gesteckt oder bereits ausgegeben.“ Die Situation ist bitter. Der Rechtsstreit geht vermutlich weiter. Die Gesetzeslage allerdings gibt wenig Hoffnung auf Erfolg. Anwalt Schwarz: „Das Insolvenzrecht wurde vor einigen Jahren geändert“ – zu Ungunsten der Angestellten, die bis dahin bevorzugt aus der Konkursmasse bedient worden waren. Jetzt aber muss das Geld unter allen Gläubigern aufgeteilt werden. Der Gesetzgeber habe damit eine „moralische Schieflage“ geschaffen, sagt Schwarz. Selbst der Richter hatte Magengrummeln mit seinem Urteil, bestätigt Klaus Peter Nöth, Sprecher des Nürnberger Arbeitsgerichts.
Marlies S. zieht ihr eigenes Fazit aus dem Streit: „Bleibt das Geld aus, sollte man als Arbeitnehmer sofort gehen und sich nicht auf Versprechen von oben verlassen. Wir taten’s nicht, das brach uns letztlich das Genick.“
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