Mit Mathe-Tipps: "Sinnfluencer" aus Bayern erreicht 900.000 Follower

Regensburg - Mathe-Unterricht – puh. Die Erinnerungen sind durchwachsen, um es höflich auszudrücken. Viele wollen den Formel-Frust wohl einfach für immer abhaken.
Ausgerechnet mit Zahlen, Brüchen und Prozenten im schnelllebigen Social-Media-Kosmos punkten? Nick Klupak (38) aus Regensburg schafft genau das. Hunderttausende folgen dem "Sinnfluencer" – eine Wortschöpfung aus Sinn und Influencer – und schauen seine Clips auf Tiktok, Instagram und Co. Darin erklärt er das Fach kurzweilig und verständlich.
Nun bringt er ein Buch speziell für Erwachsene heraus, das bei alltäglichen Fragen ansetzt, wie: Was bedeutet Lichtschutzfaktor 30? Lohnt es sich, die übernächste Tankstelle anzufahren, um zwei Cent pro Liter zu sparen? Oder: Wie entwickelt sich das eigene Kapital bei einer Festgeldanlage? Der Titel des Buches lautet: "Was kostet es, ein Handy aufzuladen?"
Mathe-Influencer Nick Klupak aus Bayern zeigt, was das Handyladen kostet
Als Beispiel soll an dieser Stelle diese namensgebende Frage geklärt werden: Ausgangssituation für die Rechnung war Ärger mit einem Vorgesetzten, wie viel es kostet, wenn man sein Handy in der Arbeit auflädt. Das erklärt ein Auszug aus dem Buch:
"Mein Handy verbraucht etwa 0,015 kWh Strom pro Ladevorgang, also einmal komplett laden. Es hängt natürlich etwas vom jeweiligen Smartphone ab, aber für die allermeisten Modelle sind 0,015 kWh ein guter Näherungswert. Außerdem fand ich heraus, dass man mit etwa 40 Cent pro Kilowattstunde kalkulieren kann. Es scheint aber wohl auch spezielle Verträge für Betriebe zu geben, die günstigere Preise haben. Jetzt musste ich nur noch die Anzahl der Arbeitstage herausfinden. Das Jahr hat in einem Nicht-Schaltjahr 365 Tage. Ich blätterte in meinem Knechtvertrag und las, dass mir jährlich immerhin sechs Wochen Urlaub zustehen, also 30 Urlaubstage. Auch wenn mir gerade eher nach einem zwölfmonatigen Sabbatical war. Je nach Bundesland gibt es etwa zehn bis elf Feiertage, die aber auch mal auf ein Wochenende fallen können. Also nahm ich lieber acht Feiertage an, an denen ich nicht die quietschgelben neuen Büromöbel ertragen musste. Zum Glück hat das Jahr auch noch 52 Wochenenden und damit 104 freie Tage.
Bei insgesamt 30 + 8 + 104 = 142 freien Tagen bleiben immerhin noch 223 Arbeitstage: 365 - 142 = 223
Zurück zur eigentlichen Rechnung: Wenn man jeden Tag sein Smartphone in der Arbeit voll auflädt, ergeben sich bei 223 Arbeitstagen und 40 Cent pro Kilowattstunde (= 0,40 €/kWh) folgende Kosten:
0,015 kWh x 223 x 0,40 €/kWh = 1,34 €
Ich war geradezu schockiert, als ich die Zahl schwarz auf weiß vor mir sah. Nur 1,34 Euro im Jahr!"
Die AZ hat mit Nick Klupak gesprochen – über schlechte Mathe-Erfahrungen, Tipps für den Alltag und ob selbst Sinnfluencer mal einen Shitstorm bekommen:
"Jeder kann sein Potenzial ausschöpfen"
AZ: Herr Klupak, ich gebe es gleich zu Beginn zu: Ich bin ein Mathe-Muffel. Wie überzeugen Sie Menschen wie mich, dass das Fach doch Spaß machen kann?
NICK KLUPAK: Ich war auch nicht immer gut in Mathe, deswegen kann ich mich in jemanden hineinversetzen, der mit der Mathematik auf Kriegsfuß steht. Ich stand nach dem Wechsel auf die Realschule in der 9. Klasse auf der Note 5! Am Ende der 10. Klasse hatte ich mich auf eine 2 verbessert. Danach bin ich auf die FOS gegangen und habe später sogar Mathe studiert. Meistens liegt es an negativen Erfahrungen und fehlenden Erfolgserlebnissen, wenn man Mathe nicht leiden kann. Mit positiven Mathe-Erlebnissen setze ich schon bei Social Media an und nun auch mit meinem Buch. Man lernt Mathematik damit ganz beiläufig und fühlt sich gleichzeitig unterhalten. Ich denke, so holt man Menschen ab, die Mathematik schon abgehakt hatten.
Sie würden also tatsächlich sagen: Mathe macht Spaß.
Ja! Da reicht ein Wort (lacht).
Wie haben Sie denn den Wandel von der 5 zur 2 geschafft?
Ich denke, Mathe liegt mir schon ein bisschen. Das hilft aber in der 9. Klasse nicht, wenn man stinkfaul ist. Da bin ich ehrlich, das war ich damals. Dadurch bin ich bei den Noten abgerutscht. Genau in dem Jahr, als ich auf die FOS wechseln wollte, wurde plötzlich ein Numerus clausus eingeführt. Ich war von diesen Noten Lichtjahre entfernt - da wurde mir klar: Du bist gerade drauf und dran, dir deine Zukunft zu verbauen. Ich habe mich dann in der 10. Klasse in die erste Reihe statt in die letzte gesetzt. Und ich hatte mit mir selbst eine Challenge vereinbart: Pro Unterricht meldest du dich zweimal mit einem sinnvollen Beitrag. Das hat mir schnell geholfen, wieder reinzukommen.
Man redet sich gerne drauf raus, dass man nicht der Mathe-Typ sei – gilt das oder sagen Sie: Das kann jeder lernen.
Nicht jeder kann am Ende wohl die Note 1 oder 15 Punkte im Abi haben. Aber jeder kann sein Potenzial ausschöpfen.
Wie viele Follower lernen mit Ihnen Mathe auf Social Media – oder zählen Sie diese nicht ständig nach?
Ständig nicht, aber ab und zu. Auf allen Plattformen hinweg sind es aktuell rund 900.000. Wenn man bedenkt, dass ich dort Mathe mache, ist das ganz ansehnlich (lacht). Pro Woche versuche ich, im Schnitt fünf Videos hochzuladen. Schlechtester Tag dafür ist übrigens freitags, da mögen sich die Leute nicht mit Mathe beschäftigen.
Bei Shitstorms: "Tief durchatmen und nicht reagieren"
Bekommt man auch als Sinnfluencer mal einen Shitstorm wie klassische Influencer auch?
Ständig! Erst heute habe ich wieder einen negativ behafteten Kommentar gelesen, bei dem ich schon fast antworten wollte. Aber es ist meiner Erfahrung nach besser, tief durchzuatmen und nicht zu reagieren. Manchmal fällt mir das leichter, manchmal schwerer. Mit Hate muss man umgehen können, wenn man Social Media macht. Es gibt einfach Leute, die Spaß daran haben, negativ zu sein. Das Schlimmste, was man tun kann, ist, sich das zu Herzen zu nehmen.
Welche Mathematik-Kenntnisse sollte man im Alltag drauf haben?Ganz wichtig ist Prozent-Rechnen. Simples Beispiel, wofür man das brauchen kann: Es gibt 30 Prozent Rabatt auf etwas. Ebenso bei Darlehensverträgen oder Kapitalanlagen - letztendlich geht es dabei immer um Zinsrechnung und das ist wiederum Prozent-Rechnung. Wenn ich keine Ahnung davon habe, komme ich zwar auch durchs Leben, aber es ist schon schwerer.
Was noch?
Ein solides finanzmathematisches Wissen schadet nicht. Dass ich mir auch mal ausrechnen kann: Wie viel ist mein Geld nach einem Jahr wert, wenn ich vier Prozent Zinsen bekomme.
Jedes Handy hat heutzutage einen Rechner integriert. Rostet damit das Kopfrechnen ein, wenn man es nie macht?
Ja, das spüre ich am eigenen Leib auch.
Also sollte man im Alltag öfter mal ohne Hilfe rechnen üben?
Es schadet sicher nicht, wenn man im Supermarkt drei Sachen kauft und als Challenge die Preise im Kopf vorab zusammenrechnet. Es gibt viele weitere Alltagsbeispiele, bei denen man das Rechnen üben kann.
Mathehilfe für den Mädelsabend
Welche zum Beispiel?
Erst letztens hat mir eine Followerin geschrieben, dass sie sich jedes Mal beim Mädelsabend den Kopf zerbrechen, wie man ausrechnet, wie viel jede bezahlen muss - die eine hat im Vorfeld etwa 27 Euro vorgestreckt, die nächste 19 Euro und die andere 23,50 Euro. Am Ende soll aber jede das Gleiche zahlen. Die Frage also: Wer muss wem wie viel Geld geben?
Und?
Die Antwort darauf ist, was jeder mal in der Schule gelernt hat: der mathematische Durchschnitt. Die drei Preise werden addiert für die Gesamtkosten, dann wird durch drei geteilt, damit man weiß, was jeder zahlen muss. Hat jemand etwa fünf Euro zu wenig gezahlt, legt dieser die fehlenden fünf Euro in die Mitte. Diejenigen, die zu viel gezahlt haben, teilen sich das Geld in der Mitte auf, bis jeder gleich viel bezahlt hat.
Ihr Buch heißt "Was kostet es, ein Handy aufzuladen?". Wie lautet die Antwort?
Das ist ein Kapitel aus dem Buch. Man würde vermuten: 50 oder 60 Euro pro Jahr. Aber es ist sehr viel weniger! Je nachdem, ob man es daheim oder in der Arbeit auflädt, variieren die Tage, die man berechnen muss. Im Buch berechne ich den Wert für die Arbeit. Für daheim kommt man bei täglichem Laden auf 2,20 Euro. Pro Jahr!
Wie lange es dauert, ein Zahlenschloss zu knacken
Wie haben Sie die Beispiele im Buch ausgewählt?
Das Allermeiste ist mir oder Freunden tatsächlich passiert. Zum Beispiel das Zahlenschloss - wie lange dauert es, ein solches zu knacken? Ich hatte mir ein neues mit vier Rädchen gekauft. Weil ich ja ein "Zahlen-Mensch" bin, habe ich mir die Kombination nicht aufgeschrieben, ich wollte sie mir merken. Das hat nicht geklappt (lacht). Nach zwei Wochen hatte ich sie einfach vergessen. Ich wusste nur noch die erste Zahl. Was mache ich also? Kaufe ich mir einen Bolzenschneider oder rechne ich erst einmal aus, wie viele Kombinationen es überhaupt gibt? Die erste Ziffer wusste ich, drei Rädchen mit jeweils zehn Ziffern machen zehn mal zehn mal zehn gleich 1000 Möglichkeiten. Pro Möglichkeit habe ich eineinhalb Sekunden gebraucht. Also würde es 25 Minuten dauern, vorausgesetzt die richtige Kombination wäre wirklich die allerletzte, die ich ausprobiere.
Wie lange haben Sie schlussendlich gebraucht?
Zwölf Minuten.
Hatten Sie schon mal ein mathematisches Problem, das Sie nicht lösen konnten?
Hunderte! (lacht). Das ist das Schöne an der Mathematik: Sie weist jedem seine Grenzen auf. Ich gebe dann nicht auf, aber ich bin ehrlich: Ich würde mir nicht zutrauen, in Mathematik zu promovieren. Aber letztlich macht mir an Mathe auch nicht die Forschung am meisten Spaß, sondern andere dafür zu begeistern. Das ist, was mich antreibt.
Was Sinnfluencer MathemitNick vom heutigen Unterricht hält
An bayerischen Schulen soll es bald mehr Deutsch- und Mathe-Stunden geben – nach dem neuerlichen "Pisa-Schock". Wie finden Sie das?
Das sind aus meiner Sicht zwei Kerndisziplinen. Mathe ist mehr als reiner Unterricht, sondern fördert logisches Denken und analytische Fähigkeiten. Menschen, die gut in Mathe sind, treffen oft rationalere Entscheidungen, was ich persönlich sehr schätze. Daher finde ich das erstmal nicht schlecht, wenn man sich mehr den Kernkompetenzen widmen will.
Oft hört man auch: Was man früher in der Schule gelernt hat, brauche man im wahren Leben nie mehr. Reicht also mehr Unterricht oder muss möglicherweise auch der Inhalt angepasst werden?
Die Wahrheit liegt irgendwo in der Mitte. Schule hat auch die Aufgabe, das wissenschaftliche Lernen zu fördern. Gleichzeitig habe ich kein Problem damit, wenn sich mehr praktische Themen einschleichen. Denn ich denke, es fördert die Motivation für Schüler, wenn sie spüren: Das kann man brauchen.
Zum Buch: Nick Klupak: "Was kostet es, ein Handy aufzuladen? Und andere nützliche Mathe-Fragen. Praktisches Mathe-Wissen für den Alltag, das du so in der Schule nicht gelernt hast": mvg; 17 Euro.
Mehr zu Nick Klupak alias @mathemitnick finden Sie etwa hier auf Instagram und TikTok.