Mit Cash aus dem Keller

Gunter Gabriel, oft totgesagter Country-Barde, meldet sich mit einer Autobiographie und einem neuen Album zurück — und kommt im Mai nach Franken.
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Mit Coverversionen aus der Krise: Gunter Gabriel sieht sich als „Sohn aus dem Volk“ — und glaubt sein Tief überwunden.
Warner Bros. Mit Coverversionen aus der Krise: Gunter Gabriel sieht sich als „Sohn aus dem Volk“ — und glaubt sein Tief überwunden.

NÜRNBERG - Gunter Gabriel, oft totgesagter Country-Barde, meldet sich mit einer Autobiographie und einem neuen Album zurück — und kommt im Mai nach Franken.

Seinen Sarg hat er sich im letzten Jahr gekauft, nach einem Herzinfarkt. Nicht für den Abgang, sondern „um mir selber in den Arsch zu treten“, wie es Gunter Gabriel ausdrückt. Der Sänger und Komponist ist ein Stehaufmännchen, ein Kämpfer und ein Optimist. Auch, weil in seinem Leben schon fast alles schief gelaufen ist. Nun läutet der 67-Jährige die Spätphase seiner Karriere ein – mit seiner Biografie und einem erstaunlichen neuen Album.

„Wer einmal tief im Keller saß“ nennt Gabriel die in Zusammenarbeit mit dem Hamburger Journalisten Oliver Flesch entstandene Aufarbeitung seiner prallen Lebensgeschichte. Das musste sein, so Gabriel, weil viel zu viele falsche Geschichten über ihn im Umlauf seien. Die angemessen schnoddrig verfasste Autobiografie hat ergreifende Momente. Im Alter von vier Jahren verliert Gabriel seine 21-jährige Mutter , die an den Folgen einer Abtreibung stirbt. Doch das erfährt er erst sechs Jahrzehnte später.

Die Beziehung zum Vater ist gekennzeichnet durch viel Gewalt. Und als der Teenie Gunter erlebt, wie sein Vater vor anderen Menschen lachend aus dem Tagebuch des Sohnes vorträgt, schlägt er zu. Das blutige Ende einer Vater-Sohn-Beziehung. Sämtliche Versöhnungsangebote schlägt der Vater aus, die Platten schickt er später ungeöffnet zurück. Dabei will Gunter Gabriel ihm nur beweisen, dass er es geschafft hatte. Damals, 1973, die goldenen „Hitparade“-Zeiten, die erste LP: „Gesucht“. In kurzer Zeit legt Gabriel als Sänger („Hey Boss“, „Mit dem Hammer in der Hand“) und als Texter („Ein Sonntag im Bett, „Wenn du denkst, du denkst...“) den Grundstein für seine Popularität und seine noch heute sprudelnden Gema-Einnahmen. Nur das Leben bekommt er nicht so richtig in den Griff.

Abgestürzt? Nein, das will er so nicht mehr sagen. „Ich bin wie ’ne Intercity-Lok vom Gleis geraten, aber ich bin nie vom Bahndamm gekippt.“ Zwischenzeitlich aber ist der Vater von vier Kindern (von vier Frauen) ein wenig zur Karikatur des singenden Malochers geworden und konnte häufig in der Zeitung seine Ausfälle nachlesen, falls er sie über Nacht vergessen hatte. Auch die Millionen waren schnell rausgehauen oder falsch angelegt, Schulden begleiten Gabriel durchs ganze Leben. Er machte das Beste draus, rief vor fünf Jahren zur „Wohnzimmertour“ auf und ließ sich für 1000 Euro pro Gig privat buchen. Hunderte von Fans besuchte er auf diese Art, „es war immer ein riesen Happening“, sagt er.

Die größten Wochen seines Lebens aber schlugen 2003, als er kurz vor Johnny Cashs Tod in dessen Studio ein Album mit den Songs seines Idols aufnahm. Cashs geniale Spätphase wurde durch Produzent Rick Rubin eingeläutet. Und genau an dessen minimalistischer Klang- und Album-Konzeption der „American Recordings“ orientiert sich auch Gabriels Werk „Sohn aus dem Volk“: Stimme nach vorne und überraschende Coverversionen einstreuen. Bei Gabriel sind dies u. a. „Blaue Augen“ (Ideal), „Haus am See“ (Peter Fox) und – weniger gelungen – David Bowies „Heroes“. Das „German Recordings“ untertitelte Album nennt Gabriel nicht ohne Grund eine Wiederbelebung. BAP-Produzent Wolfgang Stach hat einen melancholischen Sound geschaffen, der die Country-Balladen ausgezeichnet ummantelt.

Jetzt will Gabriel wieder auf Tournee, in die Hallen, nicht in die Wohnzimmer. Jeden morgen joggt er von seinem Hausboot im Hamburger Hafen auf ein 14-stöckiges Fabrikgebäude, Alkohol und Zigaretten gibt es allenfalls noch in den Liedern. „Das Leben mag nicht immer gnädig sein“, sagt Gabriel. „Aber ich hänge an meinem.“ Volker Isfort

Gunter Gabriel: „Wer einmal tief im Keller saß“ (Edel, 250 Seiten, 19.90 Euro – auch als Hörbuch), „Sohn aus dem Volk“ (Edel/Warner). Am 23. Mai singt Gabriel beim Countryfestival Autohof Strohofer im unterfränkischen Geiselwind.

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