Mit Bierfässern fing alles an: Schreinermeister Schickedanz

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Johann Nikolaus, der Großvater des Quelle-Gründers Gustav, besaß schon seine eigene Firma. Um 1840 zieht er aus Hessen nach Nürnberg und heiratet die Tochter eines Poststallmeisters.
NÜRNBERG/FÜRTH Vom Bauernbub zum Power-Mann, vom bettelarmen Vorstadtkind zum Multimilliardär – die Schablone des immer wieder gern genommenen Karriere-Märchens lässt sich an einen der bislang wichtigsten europäischen Unternehmer schwer bis überhaupt nicht anlegen. Sicher haben Großeltern und Eltern des Gustav Schickedanz nicht im Geld gebadet. Doch zur Unterschicht in den alles anderen als rosigen Zeiten des 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts haben die Schickedanz auch nicht gehört.
Der Enkel, der Sohn, der einmal Weltwirtschaftsgeschichte schreiben wird, stammt aus gut bürgerlichen Verhältnissen – und hat seine Wurzeln in Hessen. Aus dem hessischen Dietzenbach zieht Schickedanz-Großvater Nikolaus in der Zeit um 1840 nach Nürnberg. Er lässt sich als Schreinermeister nieder, heiratet seine Babette Amm, die Tochter des Poststallmeisters von Gostenhof.
Was der Enkel von seinem Großvater Johann Nikolaus Schickedanz geerbt hatte: den Drang zur Selbstständigkeit. Was er ganz offenkundig nicht geerbt hatte, war die Unfähigkeit des Opas, über Schicksalsschläge hinwegzukommen.
Unbekannte Täter steckten die Fabrik in Brand
Mit beträchtlichen Ersparnissen hatte sich Johann Nikolaus Schickedanz erst in eine Nürnberger Holzverarbeitungsfabrik eingekauft – sie hieß dann 1867 „Beringer & Schickedanz“ – und gründete in den späten 1870er-Jahren in Furth im Wald sein eigenes Unternehmen. Johann Nikolaus Schickedanz produzierte Bierfässer. Das Geschäft florierte, die Bierbrauer rissen sich förmlich um die Qualitätsfässer des Nürnberger Schreinermeisters aus dem Bayerischen Wald. Da traf es den Erfolg gewöhnten Unternehmer buchstäblich in seinen Grundfesten: Nie ermittelte Täter steckten die Fabrik in Brand. Die Flammen vernichteten das Lebenswerk des Johann Nikolaus Schickedanz bis auf die Grundmauern.
„Von dieser Katastrophe“, so berichtet Schickedanz-Biograph Theo Reubel-Ciani, „scheint sich Nikolaus Schickedanz nie mehr erholt zu haben. Er starb, noch nicht einmal 56 Jahre alt, am 25. Juli 1883 in Furth im Wald.“
Zwölf Jahre später kommt in Fürth, in der Dachgeschosswohnung des Hauses in der Theresienstraße 23, Gustav Schickedanz auf die Welt, am Neujahrstag des Jahres 1895. Sein Vater Leonhard Schickedanz, Sohn des an der Zerstörung seiner Fabrik zerbrochenen Unternehmers, war Werkmeister in einer Fürther Möbelschreinerei.
Im Oktober 1892 hatte er Eva Elisabeth Kolb geheiratet. Die Mutter von Gustav Schickedanz stammt – als einzige der großen Familie – aus wirklich ärmlichen Verhältnissen.Sie kommt aus einem Steigerwalddorf, das damals gegen Ende des 19. Jahrhunderts kaum einer kennt – und das inzwischen Weltruf genießt: aus Vestenbergsgreuth, dem Firmensitz des heute größten Teefabrikanten der Welt.
Hans Wedel, Senior-Chef und Gründer des Imperiums, und sein Neffe Helmut Hack, im Management des Tee-Multis „Martin Bauer“ und Präsident bei der SpVgg Greuther Fürth, sind mit der Schickedanz-Mutter Eva Kolb verwandt.
„Der Gustav“, erinnert sich Hans Wedel, „hat damals in den fünfziger Jahren den Bau unserer Kirche in Vestenbergsgreuth gezahlt. Und die Grete war regelmäßig bei uns.“
Gustavs Vater macht Karriere in einer Möbelfabrik
Eva Kolbs Eltern hatten einen kleinen Bauernhof in Vestenbergsgreuth. Der Vater verdiente sich als so genannter Dorfbader – also als Friseur, Hilfszahnarzt und Heilkundiger für kleinere Gebrechen – zu seinem kargen Einkommen noch ein bisschen Geld dazu. Tochter Eva ging als Hausgehilfin nach Fürth – und lernte in der Nürnberger Nachbarstadt ihr Glück kennen.
Ihr Mann Leonhard Schickedanz ist inzwischen zum Einkäufer in der Möbelfabrik avanciert. Sein Einkommen ist zwar nicht üppig, aber es reicht für die vierköpfige Familie, für die Eltern und ihre zwei kleinen Kinder Liesl und Gustav. Der jüngste Schickedanz heißt eigentlich Abraham Gustav. So will es die bibeltreue, streng protestantische Familien-Tradition, so will es auch sein Taufpate Onkel Abraham Gustav Schickedanz, ein nobler Herr und weltgewandter Manager.
Der Onkel arbeitet als Handels-Agent im kaiserlich-königlichen Budapest, vertritt deutsche und österreichische Großfirmen und besitzt in der ungarischen Donau-Metropole ein florierendes Kaufhaus. Ein Pate verpflichtet: Die Ähnlichkeiten zwischen dem Abraham Gustav Schickedanz, Handelsherr in Budapest, und Gustav Schickedanz, Handelsherr in Fürth, sind ganz sicher nicht rein zufällig...
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