Mit Axt und Brandbomben: So stürmte Georg R. die Schule

Amoklauf in Ansbach: Der Abiturient ging bei seiner Wahnsinns-Tat planmäßig vor. Nach außen hin war er unauffällig. Aber er befand sich in einer Psycho-Therapie.
von  Abendzeitung

Amoklauf in Ansbach: Der Abiturient ging bei seiner Wahnsinns-Tat planmäßig vor. Nach außen hin war er unauffällig. Aber er befand sich in einer Psycho-Therapie.

ANSBACH Am Dienstag, als der Unterricht wieder begann, haben die Schüler des Gymnasium Carolinum die Unbeschwertheit der Sommerferien mit in die Klassenzimmer gebracht. Seit gestern morgen ist die Fröhlichkeit dem blanken Entsetzen gewichen. Georg R. (18), der stille Abiturient, wurde zum irren Amokläufer!

Franz Stark, der Direktor der Schule, hat den Kopf tief in die Schultern gesteckt. Was soll er den Reportern, die Ansbach erstürmen, schon sagen? Nicht mal die Polizei, die das Gelände um die Schule mit rot-weißen Plastikbändern und abweisenden Beamten in eine Festung verwandelt hat, kann die Frage beantworten, die jeder stellt: Welches Motiv hatte der junge Mann für diese Wahnsinns-Tat?

Wie ein Ninja-Kämpfer schlich sich Georg R. kurz nach acht Uhr in das Gebäude. Drei Molotow-Cocktails hat er dabei, zwei Messer – und eine Axt. Zwei Treppen geht er hoch, dann steht er vor dem Klassenzimmer der 10b. Ein Schüler sagt hinterher: „Wir haben zuerst gedacht, das war ein Scherz. Doch dann hat alles gebrannt.“

Ärzte kämpfen um das Leben von zwei Mädchen

Planmäßig ist Georg R. den Aussagen von Augenzeugen zufolge vorgegangen. „Er hat die Türe geöffnet, einen Molotow-Cocktail ins Klassenzimmer geworfen – und dann mit der Axt in der Hand auf die panikartig flüchtenden Schüler gewartet“, erzählt ein geschocktes Mädchen.

Mareike (15) ist wie die anderen aus dem Klassenzimmer gerannt. Das Mädchen mit den langen, dunklen Haaren liegt jetzt in der Intensivstation des Nürnberger Klinikums. Die Ärzte kämpfen um ihr Leben. Ein Hieb mit der Axt hat ihr den Schädel zertrümmert. Ihre Überlebenschancen sind nach ersten Hinweisen aus dem Klinikum eher gering. Ihrer gleichaltrigen Freundin Annika geht es nicht besser. Das brennende Benzin hatte sie erfasst, ein Stich mit dem Messer fast umgebracht.

Siegfried (17, Name geändert) ist Schüler des Carolinum und Mitglied der Freiwilligen Feuerwehr. Einen der zwei gezündeten Molotow-Cocktails befördert er mit einem Fußtritt ins Treppenhaus. Er nimmt die schreienden Mitschüler wahr, den Lehrer, der mit der blutenden Mareike in den Armen nach unten rennt. Sein Löschversuch im rauchgeschwängerten Klassenzimmer ist nicht mehr nötig. Die Flammen sind bereits erstickt.

In wirren Briefen schrieb er von einer bevorstehenden Apokalypse

Um Georg R., der auf dem Flur des dritten Stockwerks zum nächsten Klassenzimmer rennt, kümmert sich bereits die Polizei. Zwei Beamte hasten nur wenige Minuten nach Beginn des Amoklaufs zum Ort des blutigen Geschehens. Sie haben ihre Maschinenpistolen gezückt, stehen dem Täter direkt gegenüber. Der ist nicht zu bremsen. „Er ging sofort mit der Axt auf die Beamten los“, schildert ein am Einsatz beteiligter Polizist die bedrohliche Situation. Zeit zum Nachdenken, für Deeskalations-Strategien gibt es nicht. Georg R. wird von fünf Kugeln getroffen, sackt zu Boden. Blutend wird er zum Streifenwagen geschleppt. Bereits am Nachmittag ergeht gegen ihn Haftbefehl wegen mehrfach versuchten Mordes.

Georg R. ist schwer verletzt, muss ins Krankenhaus. Polizeipräsident Gerhard Hauptmannl sagt später auf einer Pressekonferenz: „Sein Zustand ist kritisch.“ Der Polizeichef meint damit dessen körperliches Befinden. Georg R. befand sich in psychiatrischer Behandlung. In seinem Zimmer wurden Briefe gefunden, in denen er von einer bevorstehenden Apokalypse schrieb.

Helmut Reister

Mehr Details zum Amoklauf von Ansbach finden Sie in der Print-Ausgabe Ihrer AZ am Freitag, 19. September

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