Missbrauch in Brasilien - "Nicht als Kind gesehen"

Ein Mädchen in Brasilien soll von dem deutschen Partner seiner Tante über Jahre sexuell missbraucht worden sein. Nun steht der Mann in München vor Gericht - und präsentiert seine ganz eigene Sicht.
von  Britta Schultejans, dpa
Die Staatsanwaltschaft spricht von jahrelangem Missbrauch - der Angeklagte von "Beziehung".
Die Staatsanwaltschaft spricht von jahrelangem Missbrauch - der Angeklagte von "Beziehung". © Leonie Asendorpf/dpa

Die Staatsanwaltschaft spricht von Missbrauch und Vergewaltigung - der Angeklagte von "intimer Beziehung" zu einem Kind. Vor dem Landgericht München I hat der Prozess um jahrelangen Missbrauch eines zu Beginn der Taten erst sechs Jahre alten Mädchens in Brasilien begonnen. "Ich hab sie einfach nicht als Kind gesehen", sagt der 77 Jahre alte Angeklagte. 

Er habe einen "Hang zu jüngeren Frauen" und er wolle die "Sache nicht verharmlosen", sagt er. Aber: "Die ganze Kultur dort ist anders, auch mit Bezug auf das Alter der Mädchen." Kindesmissbrauch sei in Brasilien an der Tagesordnung. In seinem Fall werde es nur "aufgebauscht", weil er Deutscher sei. 

Medien sehen ihn als "Kopf einer Kinderhändlerbande"

In Brasilien lief seinen Angaben zufolge ein Verfahren gegen ihn, weil ihm vorgeworfen wird, der "Kopf einer Kinderhändlerbande" zu sein, der seine Arbeit als Reiseveranstalter genutzt haben soll, um seinen Kunden bei Schiffstouren auf dem Amazonas und durch den Dschungel den Missbrauch von Minderjährigen zu ermöglichen. Der Fall schlug hohe Wellen in den brasilianischen Medien. 

In dem Münchner Prozess geht es nur um ein mutmaßliches Opfer: Bei dem Kind, dessen jahrelangen Missbrauch der 77-Jährige grundsätzlich einräumt, handelt es sich um die Nichte seiner damaligen Lebensgefährtin. Das Mädchen ist heute 17 Jahre alt. 

Die kaum zu beschreibenden Taten sind gut dokumentiert, weil der frühere Dokumentarfilmer viele von ihnen im Video festhielt - "weil ich die Nase voll hatte von den Pornos im Internet, weil da nichts dabei war, was mich angesprochen hat". 

Als die Mutter des Mädchens - die zeitweise im Gefängnis saß und sich darum nicht um ihre Tochter kümmern konnte - davon erfuhr, soll sie dem Kind nicht geholfen, sondern Geld für den Missbrauch verlangt haben.

Das Mädchen soll bedroht und geschlagen worden sein. Einmal soll der Angeklagte ihr laut Staatsanwalt ein Messer in den Finger gerammt haben, weil sie seinen Forderungen nicht nachkommen wollte. Auch von ihrem Bruder soll sie geschlagen worden sei, wenn sie sich nicht missbrauchen lassen wollte. Einmal soll er ihr die Nase gebrochen haben. Er soll sie zu zahlreichen Piercings und Tattoos gezwungen haben - auch damit es ihr später schwerfällt, einen Job zu finden. 

"Ich hab keinen Hang zur Gewalt und ich hab auch nie geschlagen", sagt der Angeklagte. "Ich hab keine Gewaltfantasien." Auch "vaginalen Geschlechtsverkehr" mit der Nichte seiner Partnerin streitet er ab. Laut Anklage wurde das Mädchen allerdings zweimal von ihm schwanger. 

Angeklagter spricht von mysteriösen Machenschaften

Die Erklärung des Angeklagten enthält darüber hinaus nur schwer nachvollziehbare Angaben über das mutmaßliche Opfer. Das Mädchen habe mit acht Jahren "eine Beziehung zu einem Mann" gehabt und sei mit zehn Jahren ausgerissen, gab der Angeklagte an. Und ein anderer Mann, der ebenfalls eine Beziehung zu dem Kind gehabt habe, habe fliehen müssen. 

Darüber hinaus macht er Andeutungen über mysteriöse Machenschaften der Familie seiner damaligen Partnerin. Das sei "eine richtige Gangster-Familie". Er spricht auch von "Erpressungen". 

Das Gericht hat acht Verhandlungstage angesetzt, das Urteil könnte demnach am 7. August fallen.

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