Michael: Ein Streich im Suff zerstörte sein junges Leben
Ein Betrunkener hielt ihm eine Gaspistole an den Kopf und drückte ab - Gehörschaden, Angstzustände, Depressionen.
NÜRNBERG Der schwachsinnige Streich eines betrunkenen Jugendlichen hat das Leben von Michael P. (25) zerstört. Seit fünf Jahren geht der junge Mann durch die Hölle. Aufrecht gehalten wird er nur durch die bedingungslose Zuneigung seiner Familie.
Mit einem Anruf fing alles an. „Komm doch auf einen Sprung vorbei“, meldeten sich zwei Kumpels, die gerade einen flüchtigen Bekannten besuchten. Als Michael auf der Suff-Party auftauchte, lief die Stereoanlage, alkoholische Getränke standen auf dem Tisch, die Jugendlichen flachsten herum. Die ausgelassene Stimmung schlug um, als der Gastgeber mit einem Gasrevolver wild herumfuchtelte und die Waffe trotz wiederholter Aufforderung nicht auf die Seite legen wollte.
Michael erinnert sich nur mit Schrecken an die folgenden Szenen: „Er nahm mich in den Schwitzkasten, drückte mir den Revolver an die Schläfe und klopfte dumme Sprüche. Sein Gesichtsausdruck und seine Stimme verrieten, dass es kein Spaß war.“
Michael wehrte sich nicht, um den wild gewordenen Pistolero nicht noch mehr zu reizen. Es half nichts. Michael hörte den explosionsartigen Knall direkt neben seinem Ohr, einen stechenden Schmerz, ein unheimliches Dröhnen. Als er sich an den Kopf griff, war seine Hand blutverschmiert. Der Schuss aus nächster Nähe hatte sein Ohr zerfetzt, das Trommelfell platzen lassen. Er kam mit dem Notarzt ins Krankenhaus.
Hartz IV gestrichen: Jetzt müssen ihn seine Eltern unterstützen
Vom Jugendgericht wurde der Schütze später wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt. Er erhielt nur eine geringe Strafe (gemeinnützige Arbeit), weil er aussagte, dass er davon ausging, dass die Waffe nicht geladen war.
Für Michael begann der Leidensweg. Der Schuss hat einen irreparablen Gehörschaden hinterlassen. Er hört ständig lautes Pfeifen, hat Schlafstörungen und Albträume, ist oft schweißgebadet, von innerer Unruhe und Konzentrationsstörungen befallen. Lange Zeit hat sich Michael völlig von seiner Familie und seinen Freunden abgekapselt. Das ist erst in letzter Zeit besser geworden. Das Schlimmste jedoch sind seine Depressionen. Er muss ständig Medikamente nehmen und war schon mehrfach stationär in psychiatrischen Kliniken. Wegen der massiven Beeinträchtigung seines Zustandes musste er auch seinen gut bezahlten Job als Werkzeugmacher (Formenbau) aufgeben. Zu allem Überfluss wurde ihm auch noch Hartz IV gestrichen, weil seine Eltern knapp über der festgelegten Einkommensgrenze liegen und jetzt für ihn aufkommen müssen.
Rechtsanwalt Reinhard Wilhelm hat die Gerichte angerufen, um für seinen Mandanten Schmerzensgeld und Entschädigung zu bekommen. Doch der seit mehr als vier Jahre dauernde Kampf vor Gericht ist noch längst nicht abgeschlossen. „Abspeisen lassen“, so Wilhelm, „wollen wir uns nicht.“
Helmut Reister