Michael Buback zu RAF-Mord an seinem Vater: "Wer seine Strafe verbüßt hat, kann frei leben"

Sein Vater Siegfried Buback wurde von der RAF umgebracht: Michael Buback spricht im AZ-Interview über Terror-Prozesse, den Verfassungsschutz und 33 unaufgeklärte Morde.
Natalie Kettinger
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Michael Buback, Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback.
Michael Buback, Sohn des ermordeten Generalbundesanwalts Siegfried Buback. © Ole Spata/dpa

Sein Vater Siegfried Buback wurde von der RAF umgebracht. Mit der AZ spricht nun dessen Sohn Michael Buback über 33 unaufgeklärte Morde, Terror-Prozesse und den Verfassungsschutz.

AZ: Herr Buback, in Celle steht aktuell die frühere RAF-Terroristin Daniela Klette vor Gericht – unter anderem wegen 13 Raubüberfällen und versuchten Mordes. Erhoffen Sie sich auch neue Erkenntnisse zum Mord an Ihrem Vater?
MICHAEL BUBACK: Nein. Die Anklage der Staatsanwaltschaft Verden bezieht sich auf Geldbeschaffungskriminalität. Ginge es um terroristische Aktionen, wäre ja die Bundesanwaltschaft zuständig. Außerdem vermute ich, dass Frau Klette keine genaueren Kenntnisse zum Karlsruher Attentat hat.

Nach der Festnahme Klettes und zu Prozessbeginn fanden Solidaritätskundgebungen für sie statt. Haben Sie dafür Verständnis?
Hierfür habe ich wenig Verständnis, zumal die Solidarität wohl terroristischen Aktivitäten gilt, die in Celle nicht verhandelt werden.

"Wer seine Strafe verbüßt hat, kann frei leben"

Was macht es mit Ihnen, wenn Sie lesen oder hören, dass viele RAF-Terroristen in den vergangenen Jahrzehnten ein nahezu "normales Leben" geführt haben und heute im Rentenalter sind – was Ihrem Vater nicht vergönnt war?
Wer seine Strafe verbüßt hat oder begnadigt wurde, kann frei leben. Bedrückend ist jedoch, dass viele terroristische Verbrechen nicht aufgeklärt wurden. Wer weiß denn, dass von den 34 der RAF zugerechneten Morden nur der an Jürgen Ponto aufgeklärt ist?

"Das erklärt sich mir nur mit einer 'schützenden Hand'"

Ihr Vater, Generalbundesanwalt Siegfried Buback, sein Fahrer Wolfgang Göbel und der Justizhauptwachmeister Georg Wurster wurden am 7. April 1977 in Karlsruhe von einem RAF-Kommando erschossen. Die Terroristen Christian Klar, Knut Folkerts und Brigitte Mohnhaupt wurden als Täter verurteilt. In Ihren Büchern wird jedoch deutlich, dass Sie Verena Becker für die Todesschützin halten. Wie kommen Sie darauf?
Unsere Zweifel kamen auf, als der ehemalige Terrorist Peter Boock 2007 erklärte, die Karlsruher Attentäter seien nicht für dieses Verbrechen verurteilt worden. Wir erfuhren dann, dass Frau Mohnhaupt am Tattag in Amsterdam war, dass sich auch Folkerts nicht am Tatort befunden hat und dass Klar außerhalb von Karlsruhe im Fluchtauto auf die Attentäter wartete. Außerdem erklärten die Augenzeugen des Verbrechens, eine Frau habe geschossen, und Christian Klar teilte mehreren Personen mit, Verena Becker sei die Karlsruher Schützin gewesen, was sie sogar selbst einem Zeugen anvertraut haben soll.

Verena Becker 2011 im Verhandlungssaal der JVA Stuttgart-Stammheim.
Verena Becker 2011 im Verhandlungssaal der JVA Stuttgart-Stammheim. © dpa

Im Prozess gegen Becker, der im September 2010 begann, sagten mehrere Zeugen aus, dass auf dem Sozius des Tatmotorrads eine Frau gesessen und diese auch geschossen habe. Trotzdem wurde Frau Becker nur wegen Beihilfe verurteilt. Wie erklären Sie sich das?
Das kann ich mir angesichts der erdrückenden Hinweise auf Frau Beckers Mittäterschaft nur mit einer "schützenden Hand" für sie erklären. Auch wurde sie den Augenzeugen, die von einer Frau auf dem Tatmotorrad sprachen, nicht gegenübergestellt.

"Welche staatliche Stelle räumt gern ein, mit Terroristen kooperiert zu haben?"

Sie zielen darauf ab, Becker sei Informantin des Verfassungsschutzes gewesen. Welche Anhaltspunkte gibt es dafür?
Ein ehemaliger Verfassungsschützer teilte dem "Spiegel" mit, Verena Becker habe dem Verfassungsschutz ausgesagt. Dies ließ sich das Magazin 2007 von einem ehemaligen leitenden Verfassungsschützer bestätigen. Die Aussage wird durch Angaben hoher Verfassungsschutzbeamter, durch Dokumente, die während einer Hausdurchsuchung bei Frau Becker sichergestellt wurden, und durch ihre Beichte gegenüber einer mitinhaftierten Terroristin gestützt. Auch der Stuttgarter Senat stellte 2012 im Urteil fest, Verena Becker war Informantin des Verfassungsschutzes.

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Könnte das auch der Grund dafür sein, dass jahrzehntelang nicht publik geworden ist, dass Verena Becker 1977 auch Franz-Josef Strauß ausspioniert hat?
Das könnte so sein. Welche staatliche Stelle räumt gern ein, mit Terroristen kooperiert zu haben? Bitter ist natürlich, dass durch Verheimlichen dieser Ausspähung die später im Jahr 2007 ermordeten Personen und die für deren Schutz Verantwortlichen nicht auf eine erhebliche Gefahr hingewiesen wurden.

"Marianne Strauß hatte Verena Becker erkannt"

Was ist damals in München genau geschehen?
Die Antwort ist schwierig, da es im bayerischen Innenministerium und in der CSU keinen Aktenrückhalt zu der Ausspähung gibt, die nach Auskunft von Verena Beckers Notizbuch früh im Jahr 1977 stattgefunden haben müsste. Erst Jahrzehnte später wurde durch einen LKA-Beamten bekannt, dass sich Marianne Strauß, die Verena Becker erkannt hatte, in Begleitung ihres Sohns Max damals sorgenvoll an das bayerische Landeskriminalamt gewandt hat.

Becker wurde lediglich wegen Beihilfe verurteilt und 2014 auf Bewährung entlassen. Sehen Sie Ihre These darin bestätigt?
Die Einschätzung, wonach Verena Becker nur Gehilfin war, teile ich nicht.

Karlsruhe, 7. April 1977: Generalbundesanwalt Siegfried Buback und zwei Begleiter werden auf dem Weg zum Bundesgerichtshof von einem RAF-Kommando ermordet. Das Bild zeigt den Dienstwagen, mit dem sie unterwegs waren, Polizisten und Schaulustige am Tatort.
Karlsruhe, 7. April 1977: Generalbundesanwalt Siegfried Buback und zwei Begleiter werden auf dem Weg zum Bundesgerichtshof von einem RAF-Kommando ermordet. Das Bild zeigt den Dienstwagen, mit dem sie unterwegs waren, Polizisten und Schaulustige am Tatort. © imago

Haben Sie später versucht, Kontakt zu ihr aufzunehmen?
Nein. Ich hatte Frau Becker vor Prozessbeginn geschrieben, nachdem ich in den Akten ihren an mich gerichteten, aber nicht abgeschickten Brief gelesen habe. Während des Prozesses traf ich sie einmal ohne die Eskorte ihrer beiden Rechtsanwälte am Stuttgarter Bahnhof und sagte ihr, ich sei jederzeit zu einem Gespräch bereit. Dieses Angebot hat sie nicht angenommen.

Als 2011 der NSU aufflog, wurden im Bundesamt für Verfassungsschutz eiligst Akten geschreddert. Der Attentäter vom Breitscheidplatz soll ebenfalls Kontakt zum Geheimdienst gehabt haben. Liegt hier etwas Grundsätzliches im Argen?
Die Kooperationen von Terroristen mit Geheimdienststellen sind für beide Seiten belastend. Geheimdienste unterliegen zudem keinem Strafverfolgungszwang. Aufgrund der 1973 verabschiedeten Zusammenarbeitsrichtlinien können sie in Staatsschutz-Angelegenheiten sogar die Staatsanwaltschaft und damit auch die Polizei zum Innehalten bei Ermittlungen bewegen, wenn Beschuldigte geheime Mitarbeiter dieser Dienste sind oder waren. Bei Frau Becker steht fest, dass sie geheime Informantin des Verfassungsschutzes war.

"Ich glaube an unseren Rechtsstaat"

Was sagen Sie Menschen, die Ihnen vorwerfen, Sie hätten sich verrannt?
Ich bin ein eher nüchterner Naturwissenschaftler, der nach der Wahrheit sucht. In meinem Plädoyer habe ich die erdrückenden Hinweise auf Verena Beckers Mittäterschaft in Karlsruhe vorgetragen. Es war nicht einmal nötig, dass ein ehemaliger Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz meiner Frau und mir, aber nicht nur uns, Jahre später mitteilte, er wisse, dass Verena Becker in Karlsruhe geschossen habe.

Glauben Sie noch an den Rechtsstaat, Herr Buback?
Ja, ich glaube an unseren Rechtsstaat. Allerdings muss man in den sehr wenigen Fällen, bei denen der Staat unmittelbar involviert ist, kritisch sein.

"Auch in Zukunft wird es keine Aufklärung geben"

Und daran, dass der Mord an Ihrem Vater jemals wirklich aufgeklärt wird?
Das Stuttgarter Urteil von 2012 besagt, für den Senat stehen die Beteiligten auf dem Motorrad beziehungsweise der im Fluchtwagen auf das Eintreffen der beiden Motorradfahrer wartende Beteiligte nicht fest. Auch in Zukunft wird es keine Aufklärung des Karlsruher Attentats durch ein deutsches Gericht geben. Die als Attentäter in Betracht kommenden Personen wurden entweder nur milde verurteilt oder Ermittlungen gegen sie wurden rechtskräftig eingestellt. Auf der anderen Seite haben meine Frau und ich aber eine widerspruchsfreie Klärung der Täterschaft erreicht, die unseren und den Ansprüchen vieler anderer genügt.


Diesen Donnerstag erzählt Michael Buback im Barbastelle im Bergson Kunstkraftwerk in Aubing vom Tag des RAF-Attentats auf seinen Vater Siegfried und von den Jahren danach. Beginn ist um 19 Uhr (Einlass 18.30 Uhr). Die Tickets kosten 12 bzw. 19 Euro.
Das Sachbuch "Der General muss weg! Siegfried Buback, die RAF und der Staat", in dem sich Michael und Elisabeth Buback mit dem Prozess gegen Verena Becker auseinandersetzen, ist im Osburg-Verlag erschienen und kostet 26 Euro.

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