Meisterschüler von Nürnberg
NÜRNBERG - Baumumarmer und Panzerballett: 25 Jungtalente zeigen freche Kunst in einer ehemaligen AEG-Halle.
Man hätte dieses Projekt auch stolzgeschwellt „Die Meisterschüler von Nürnberg“ nennen können, aber „oil on canvas“ hat ja auch was opernhaft Entrücktes. Und führt in diesem Fall bewusst ins Leere: 23 „geschätzte Kollegen“, Meisterschüler der Kunstakademie auf dem Karrieresprung, haben Sebastian Hein und Ladislav Zajac, die Initiatoren, zu einem Generationenmodell vereint, das sich strikt und radikal den allseits gehypten Schinken in Öl und anderen „Chiffren für etablierte Kunst“ verweigert. Anti-Malerei als „Spannungsfeld zwischen Designtem und Trashigem“, das sich auf 3500 Quadratmetern in der AEG-Halle gegen drohende Leere stemmt. Willkommene Zwischennutzung als Entwicklungshilfe und „Hinweis auf mögliche Qualität der Szene“.
Als intellektuelle Achternbahnfahrt hat ein Künstlerkollege die ausgebreiteten Arbeiten zwischen Installation, Skulptur, Video und Forschungsgebiet bezeichnet. Das Schleudertrauma in den Gehirnwindungen gehört da einfach dazu, wo braune Pappkartons zum schlichten Konzept hochgestapelt werden, das Phänomen von Kunstfelsen weiter gedacht wird zu Rückenwirbeln und das Duo Bieder-Punk Relikte des Zusammenwohnens zum schrundigen Rooming-In dekoriert.
Aber es steckt auch viel Leben in der „laborartigen Baustelle“ mit Baumumarmern (als Überbleibsel der Naturschützerträume) und Panzerballett (als Fragezeichen-Video von Patrick Ruckdeschel). Sebastian Stumpf klettert auf seinem an die Hallenwand geworfenen Video über den absurd angebrachten AEG-Heizkörper aus dem realen Raum, Jens Velling-Schürmann hat den ehemaligen Raucherraum nachmodelliert und gleich im Original die Flugkurve einer Stubenfliege nachgezeichnet. Witzig die Überfluss-Erfindungen des Matthias Böhler: Marshmellow-Pentagon und der höchste Wolkenkratzer der Welt – aus menschlichen Exkrementen gebaut, daher im ewigen Eis.
Bildhauer Sebastian Kuhn baut sein verspielt-zertrümmerndes Licht- und Schattenspiel rund ums absurde Sockel-Symbol auf, Florian Tuercke rückte gleich mit seinem Lieferwagen fürs Messen der urbanen Geräuschkulisse an, Philipp Orschler und Ladislav Zajac streuen riesige Rohdiamanten (so eine Art Dämmmaterial-Origami) auf spiegelndes Parkett, Tatsushi Kawanabe verbindet Räucherstäbchen und Laserstrahl zum vergänglichen Kreuz. Und auch Papierkünstler Jörg Obergfell ist da: Mit Assoziationen zu King Kong und anderen Großstadt-Monstern. Eine Goya-Graphik animierte ihn zu einer einfallsreichen Skulptur: Auf montiertem Ast wachsen und hängen Papier-Hochhäuser wie merkwürdige Vögel.
Wie die Hälfte der Meisterschüler, die in Berlin, Norwegen, Wien und Dresden arbeiten, ist auch Obergfell samt Überlebenskampf umgesiedelt. In einem sind sich alle, Hiergebliebene und Flüchtlinge, einig: „Kunst kann man in Nürnberg hervorragend produzieren.“ Fürs Präsentieren kommt „oil on canvas“ wie gerufen. Andreas Radlmaier
Auf AEG (Halle 15, Muggenhofer Str. 132): Eröffnung 30. Oktober, 19 Uhr, bis 28. November, Mi/Do 17-21 Uhr, Fr-So 15-19 Uhr
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