„Meine schwerste Entscheidung“
Jochen Drees, 38-jähriger Allgemeinmediziner und Schiedsrichter der Platsch-Partie Nürnberg-Wolfsburg im AZ-Interview. „Die Feuerwerkskörper von Frankfurt waren kein Kriterium“.
AZ: Herr Drees, eine Stunde haben Sie abgewartet und dann doch auf Abbruch entschieden. Warum?
JOCHEN DREES: Ich habe mir schon in der ersten Halbzeit schwer getan, die Körperkontakte richtig zu bewerten, ob es nun ein Foul oder ein konformer Einsatz war. Bei dem 1:0 durch den Nürnberger Saenko unterstelle ich, dass der Wolfsburger Torwart den Ball bei regulären Bedingungen hält. Genauso hätte Angelos Charisteas bei seinem Solo ein Tor erzielen können. Der Abbruch war die schwerste Entscheidung meiner Karriere.
Warum haben Sie sich nicht schon im Verlauf der ersten Halbzeit dafür entschieden?
Ich wollte abwarten, wie die Maßnahmen der Platzwarte greifen. Zweimal war ich während der Unterbrechung auf dem Rasen, habe Reservisten beider Teams ein paar Pässe spielen lassen. Zudem habe ich zweimal mit dem Nürnberger Wetteramt telefoniert, das keine Entwarnung geben konnte.
Auf dem Platz war auch Ober-Schiri Manfred Amerell, der deutlich mehr als Sie gesprochen hat. Wurden Sie von ihm beeinflusst?
Überhaupt nicht. Dass Herr Amerell am meisten geredet hat, war auch gut so. Ich konnte dadurch alle Eindrücke sammeln. Ich habe mir wirklich alle Punkte zu Herzen genommen, wie wir diese Situation im Interesse aller handhaben können.
Die durchgefrorenen Club-Fans waren stocksauer, „Fußball-Mafia DFB“ hallte es durchs Stadion. Können Sie den Ärger nachvollziehen?
Selbstverständlich. Aber was wäre passiert, wenn ich hätte weiterspielen lassen, und Wolfsburg dreht das Spiel unter irregulären Bedingungen? Dann hätten sich die Nürnberger Anhänger mit Sicherheit auch aufgeregt.
Haben auch die Vorfälle vor neun Tagen in Frankfurt, als im FCN-Block Feuerwerkskörper gezündet worden waren, eine Rolle bei Ihrer Entscheidung gespielt?
Das war kein Kriterium. Aber natürlich hatte ich das im Hinterkopf. Allerdings nur aus dem Grund, dass es beim Verlassen des Stadions auch ruhig bleibt. Deshalb hatte ich auch Kontakt zur Polizei.
Bekommen Sie nach dem Abbruch jetzt eigentlich die volle Gage von 3600 Euro?
Das weiß ich nicht. Aber zumindest eine Schlechtwetterprämie wäre eigentlich gerechtfertigt.
Interview: Markus Löser