Mein Sommer: Date mit dem Wind
Schön ist er nicht, mein Sommer-Lieblingsplatz am Ammersee. Die lärmende Staatsstraße 2067 ist nur zirka 40 Meter entfernt. Hier gibt es nichts: keinen Kiosk, keinen Biergarten, kein Wohnhaus. Den nicht besonders breiten Kies-Grasstrand erreicht man durch ein Waldstück. Der Weg ins Wasser ist steinig und nicht ganz schmerzfrei. Egal. Dafür ist dieser Platz bei West-Südwest-Wind einer der geilsten Spots für bayerische Windsurfer. Durch seine Lage hat es hier immer ein bis zwei Windstärken mehr als an anderen Stellen. Heute bin ich etwas ruhiger geworden.
Aber früher! Kaum hing ein Blatt in München im Wind, saß ich schon in meinem alten Kombi. Segel und Brett lagen das ganze Jahr griffbereit im Kofferraum. Vor langer Zeit, eines Februars, wäre ich beinahe Fischfutter geworden. Ein Föhnsturm mit 20 Grad rauschte über Oberbayern. Beim Einstieg in den Anzug platzte die Naht an der Wade. Vernünftige Menschen hätten alles wieder einpackt. Ein Surfer eben nicht. Und auf dem Wasser, gerade mal vier Grad, wurden aus sechs bis sieben Beaufort plötzlich zwei bis drei. Das Mini-Brett versank im See. Das Ufer war unerreichbar. Das rechte Bein wurde immer steifer. Ich spürte es kaum noch. Nach ein paar Minuten kam die Rettung. Der Wind frischte wieder auf.
So einen Unsinn mache ich heute nicht mehr. Deshalb liegen Brett und Segel erst ab Mai im Wagen. Die 30 Autominuten kommen einem vor wie eine Ewigkeit, wenn man schnell aufs Wasser will. Rollt man aus Lochschwab die Straße entlang, sieht man schon viele Surfer, die ihr Material in Richtung See wuchten. Man ist klar im Vorteil, wenn man nicht der Erste auf dem Wasser ist: Die Wahl der Segelgröße entscheidet über Frust oder Lust. Den Surfern, die richtig abgehen, schreit man vom Ufer aus zu: „Welche Größe?“ Meist weiß jemand, der gerade wassert, was der vorher aufgeriggt hat. Da betrachtet man noch den Fahrer. Sitzt die Neo-Pelle am Bauch schön flach, ist alles klar. Bei Schwimmringträgern müssen ein bis eineinhalb Quadratmeter mehr drauf. Und schon geht’s los.
Es gibt drei Sorten von Fahrern: Die Styler fahren keine zehn Meter geradeaus, ohne irgendwelche Gimmicks mit Segel und Brett zu veranstalten. Die Racer düsen und drehen erst, wenn das Ufer plötzlich im Weg ist. Mit denen sollte man sich gut stellen. Sie haben immer alles fürs Feintuning dabei. Fehlt eine Schraube, hat der Racer sicher eine Lösung im Kofferraum. Die Free-Rider probieren von jedem etwas. Mal ein kleiner Sprung, dann kurz mal ein Match mit dem Racer, der schon mal blöd schaut, wenn der Wind genau richtig ist für das Freeride-Material.
Nach zwei, drei Stunden ist der Zauber meist vorbei. Die Kräfte in Armen und Beinen lassen nach. Oder der Wind ist nicht mehr erste Sahne. Man sitzt am Kiesstrand mit Blick nach Utting oder Dießen. Manchmal schaut auch Ex-Profi-Fahrer Björn Schrader vorbei. Der ist hier schon mit Robby Naish und Co. rumgedüst. Ein Fun-Faktor ist auch, wenn die selbst ernannten Surflehrer der Dame ihrer Wahl aufs Brett helfen wollen. Da weiß man gleich, welches Paar länger zusammen oder frisch verliebt ist. Statt eines Bussis wird es in der Langzeitbeziehung mal laut: „Stell Dich nicht so dämlich an!“
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