Medizin-Pfusch: Ärztin übersah Tumor
Im Zivilstreit wurde die Medizinerin zu 100.000 Euro Schmerzensgeld verurteilt. Jetzt muss sie sich wegen fahrlässiger Tötung in einem Strafprozess verantworten. Ihr drohen bis zu fünf Jahre Haft
NÜRNBERG Seine Ehefrau Anna* (57†) musste sterben, weil ihre Gynäkologin trotz regelmäßiger Vorsorgeuntersuchungen den Krebs im Unterleib nicht erkannt hatte. Am Krankenbett versprach der Gatte, dass er ihren Tod sühnen werde. Jetzt, fast zehn Jahre später, muss sich die Ärztin wegen fahrlässiger Tötung vor dem Nürnberger Amtsgericht verantworten. Ihr drohen bis zu fünf Jahre Haft!
Langwieriges Zivilverfahren
Vorausgegangen war ein langwieriges Zivilverfahren, in dem die bekannte Nürnberger Frauenärztin, deren Namen die AZ nicht mehr abdrucken darf, zu 100.000 Euro Schmerzensgeld an den Witwer verurteilt wurde. Alle bereits gehörten Gutachter und ein zusätzlicher Experte werden nun auch im Strafprozess auftreten.
„Und alle haben gesagt, dass der Tumor erkennbar gewesen wäre“, stellte Felix Müller, Anwalt des Witwers Hans B.* (77) fest. Der Autor von steuerrechtlichen Fachbüchern tritt als Nebenkläger auf. Er hatte die Ärztin angezeigt. Um anschaulich zu machen, was bei seiner Ehefrau übersehen worden war, hatte der Witwer im Zivilprozess einen Tischtennisball mitgebracht, der in etwa der Größe des übersehenen Krebsgeschwürs im Gebärmutterhals entsprach. Unfassbar: Der Tumor hatte vier Zentimeter Durchmesser!
Anderer Arzt sah den Tumor mit bloßem Auge
Wegen starker Blutungen hatte Anna B. dreimal hintereinander in kurzer Zeit die Ärztin aufgesucht. Doch sie fand nichts Besorgniserregendes. Als die ratlose Patientin einen anderen Gynäkologen aufsuchte, sah dieser den Krebs mit bloßem Auge.
„Ich habe keine Fehler gemacht“, beteuerte die verklagte Ärztin im Zivilverfahren, sprach von einem besonders aggressiven Tumor. Doch die Gutachter stellten fest: Ein Cervix-Karzinom braucht normalerweise zehn Jahre, um vier Zentimeter groß zu werden. Fazit: Es wächst langsam, hätte also entdeckt werden müssen. Wenn nicht, liege es an der mangelnden Sorgfalt bei den durchgeführten Untersuchungen.
Sieben Stunden dauerte die Operation. Chemo- und Strahlentherapie folgten. Doch es war zu spät: Der Krebs hatte bereits im Körper gestreut. Die Patientin verfiel, konnte bald nicht mehr schlucken und musste intravenös ernährt werden. Ihr Ehemann war stets an ihrer Seite.
An sechs Verhandlungstagen mit vier Gutachtern wird der tragische Fall ab dem 24. November vor Amtsrichter Volker Kanz wieder aufgerollt.
Gegen die Medizinerin ist ein zweites Strafverfahren anhängig
Doch gegen die Gynäkologin, die inzwischen ihre Praxis verkauft hat, ist noch ein zweites Strafverfahren wegen fahrlässiger Tötung anhängig. In diesem Fall verblutete eine vierfache Mutter (34†) beim Sterilisationseingriff. Der Witwer, ein Tankwart (41) erkämpfte sich erst kürzlich im Zivilprozess 150.000 Euro Schadensersatz für angefallende Kosten der Haushaltsführung. Hier wurde kein Urteil gesprochen – die Verklagte zahlte „aus humanitären Gründen“, nachdem ein Gutachter ihr ein grobe Verstöße nachgewiesen hatte.
cis (*Namen geändert)
- Themen: