Lügen, bis sich der Balkan biegt – in Bild und Ton

In der ausverkauften Desirena begann das 22. SommerNacht- FilmFestival mit „Balkan Traffic“ und The Great Bertholinis.
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Unter der Leinwand wird gesungen und geblasen: The Great Bertholinis beim Start des Film-Festivals in der Nürnberger Desi.
J. Meyer Unter der Leinwand wird gesungen und geblasen: The Great Bertholinis beim Start des Film-Festivals in der Nürnberger Desi.

NÜRNBERG - In der ausverkauften Desirena begann das 22. SommerNacht- FilmFestival mit „Balkan Traffic“ und The Great Bertholinis.

Die Gaunerkomödie „Balkan Traffic“ auf der improvisierten Kino-Leinwand nahm gerade eine neue Slapstick-Serpentine ins Schwarzhumorige, als der Vollmond über der ausverkauften Desirena aufging und die Sommernacht vollends mit dem Filmfestival verschmolz. Da fügt sich eins zum anderen. In Zeiten der verpixelten Digital-Technik ist das SommerNachtFilmFestival, das vom Nürnberger Stadtteilzentrum Desi aus vor 22 Jahren seinen bundesweit einmaligen Siegeszug im vermeintlichen Ferienloch ansetzte, eine Art Pfadfinderlager für Erlebnisromantiker: Flimmer-Kintopp unterm Augusthimmel. Der liebenswert anachronistische Spulenwechsel beim 35-mm-Projektor im aufgebockten Vorführhäuschen samt Getränke-Zwangspause gehört dazu genauso wie das Live-Vorspiel zum Start.

The Great Bertholinis wiesen den Weg ins verbindende abendfüllende Schwindelgefühl in Ton und Bild: Lügen bis sich der Balkan biegt. Hat sich ja die Nürnberger Musik-Export-Hoffnung, die mit aktuellen Festival-Erfahrungen zwischen Rudolstadt, Holland und Salzburg anreiste (Bilanzkommentar: „die Festspiele – naja“), die balkaneske Flunker-Biographie einer ungarischen Zirkusfamilie zugelegt. Eine Popolski-Comedy-Show liefert das sattelfeste Septett um Sänger Steffen Zimmermann jedoch nicht. Es fällt auf der Bühne aus der Rolle und dem Rahmen. Fordert heraus durch eine vertraut abenteuerliche Kreuzung aus schäumendem Brit-Pop und trunkenem Balkan-Brass. Scharfe Schwenks zwischen Seifenblasmaschine, Regenbogen-Ritten und dynamischer Tom-Waits-Torkelei inklusive.

Die angeheiterte Stimmung setzte sich passgenau bei der Sargdeckel-Groteske „Balkan Traffic – Übermorgen Nirgendwo“ fort. Das Debüt von Markus Stein und Milan Puzic steuert als Roadmovie auf der Route Berlin-Bosnien – begleitet von Shantels Bucovina-Sound – durch alle verfügbaren Schlaglöcher und Klischees von Geschäftemacherei mit kriminellem Überlebensantrieb. Erzählt wird die Geschichte von zwei Pseudo-Bestattern, die als schwerst Betrunkene getarnte Leichen kostengünstig überführen in die alte Heimat. Pech, dass den beiden eine Adrenalin-gepushte Fahnderin in den Sarg springt und danach als umgeschminkte Braut das Geschäft versaut. Der Plan „bisschen vögeln, später verkaufen“ schlägt ebenso fehl wie die Warnung „Misch dich raus!“

Einen Nürnberger Kino-Start hat die Komödie, die durchaus Skurril-Witz entwickelt, bislang nicht geschafft. Auch deshalb taucht er im Programm des SommerNachtFilmFestivals auf. Mit 90 Filmen in vier Wochen ist das Angebot des Mobilen Kinos das deutschlandweit größte dieser Art. 20000 Besucher erwartet man sich zwischen Marienberg und Anwanden. Bei entsprechenden Sommernächten. Wenn nicht so viele kommen, ist es erstmals nicht so schlimm. Ein neuer Handy-Sponsor zahlt Schlechtwettergeld. Andreas Radlmaier

Infos unter: www.sommernachtfilmfestival.de

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