"Liebe Vollidioten und Asoziale"

Darf ein Bürgermeister solche Worte öffentlich von sich geben? In der Stadt Gersthofen wird das gerade heftig diskutiert
Ralf Müller |
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Diese zwei alten Damen gehören zu der Ausstellung „Alltagsmenschen“. Unbekannte haben einige Figuren zerstört. Seinem Ärger macht Bürgermeister Markus Wörle auf Facebook Luft.
Ralf Müller Diese zwei alten Damen gehören zu der Ausstellung „Alltagsmenschen“. Unbekannte haben einige Figuren zerstört. Seinem Ärger macht Bürgermeister Markus Wörle auf Facebook Luft.

Gersthofen - Die CSU erklärt sich gerne zum Mitglied im „Verein für deutliche Aussprache“, hat aber kein Monopol darauf. Michael Wörle, parteiloser Bürgermeister der Stadt Gersthofen bei Augsburg, hat auf Facebook seinem Ärger über unbekannte Vandalen in seiner Stadt Luft gemacht – und dafür ebenfalls sehr klare Worte verwendet. Das sorgt jetzt für Diskussionsstoff.

Was ist der Hintergrund der Geschichte? Noch zu D-Mark-Zeiten machte die Stadt Gersthofen als die Speckgürtelkommune vor den Toren Augsburgs Schlagzeilen, als deren damaliger CSU-Bürgermeister jedem Gemeindebürger 100 Mark aus dem Stadtsäckel auszahlen ließ. Da wundert es nicht, dass auch ein paar Euro für öffentliche Kunst übrig sind.

Vandalen zerstören drei Figuren einer Ausstellung

So zieren 22 Alltagsmenschen der Künstlerin Christel Lechner seit Kurzem das Zentrum der 22 000-Einwohner-Gemeinde. Die bunt angemalten Betonfiguren gehören keineswegs zur Gattung „provokative Kunst“, sondern sind sympathische Motive. In den vergangenen Wochen zerstörten immer wieder unbekannte Vandalen Figuren dieser Ausstellung. Drei sind mittlerweile schon kaputt.

Die Bürger in Gersthofen sind empört. Bürgermeister Michael Wörle macht sich deshalb via Facebook zum Sprachrohr dieses Unmuts und postet folgenden Eintrag auf seiner Facebook-Seite: „Liebe Vollidioten und Asoziale! Wenn ihr glaubt, dass die erneute Zerstörung einer unserer Figuren der ‚Alltagsmenschen‘ cool sei, muss ich euch enttäuschen. Diese Aktionen sind sinnlos, niveaulos und einfach nur primitiv.  Zumal könnt ihr euch der Tat nicht brüsten, denn bei einer Belohnung von 1000 Euro könnt ihr es nicht mal den Kumpels erzählen, ihr Vollpfosten.“

Der Bürgermeister würde seinen Eintrag wieder so formulieren

Nicht alle klatschen zu diesen deftigen Worten Beifall. „Der Ton macht die Musik“, kritisierte eine Mutter, die darauf hinwies, dass sie auch ihren Kindern gegenüber ein Vorbild sein müsse. Eine andere Nutzerin kommentiert den Beitrag mit den Worten: „So eine Wortwahl von einem Bürgermeister?“ In der Mehrzahl bekommt Wörle jedoch Zuspruch von seinen Bürgern. So schreibt ein Nutzer: „Auch einem Bürgermeister platzt mal der Kragen. Wieso soll man sich zurückhalten und nette Worte verfassen?“ Ein anderer kommentiert: „Das ist die einzige Wortwahl, die solche Menschen verstehen. Und warum darf Herr Wörle nicht auch seinem Ärger mit diesen Zeilen Luft machen?

Und was sagt der Bürgermeister dazu? Der würde seinen Eintrag jederzeit wieder so formulieren. Mehr noch: „Ich würde vielleicht das ‚liebe‘ weglassen“, so das Stadtoberhaupt auf Anfrage. „Was ist falsch, wenn ein Politiker ausspricht, was die Bevölkerung denkt? Warum soll man die Dinge nicht beim Namen nennen dürfen?“ Die Aufregung um seine Wortwahl zeige: „Klartext wird von den Bürgern viel häufiger gewünscht, ja erwartet“, sagt der Bürgermeister und hofft, dass seine Aktion zur Dingfestmachung des oder der Täter führt.

Falls ihn die überführten Vandalen wegen Beleidigung anzeigen sollten, werde er die Strafe gerne zahlen, so das Stadtoberhaupt. Materiell erleidet die Stadt durch die nächtlichen Zerstörungsorgien keinen Schaden. Eine Figur konnte wieder zusammengesetzt werden. Um die Kunstwerke rund um die Uhr bewachen zu lassen, fehlt allerdings selbst dem reichen Gersthofen das Geld.

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