Leiche im Küchenschrank – Ex-Freund vor Gericht
Die Tat schockierte nicht nur die Menschen in der Umgebung. Zehn Monate bleibt eine Leiche im Küchenschrank unentdeckt, bis der Hauseigentümer sie findet. Die Staatsanwaltschaft glaubt an ein Verbrechen und hat den Freund der Frau wegen Totschlages angeklagt.
Traunstein – Zehn Monate lang liegt die Leiche unentdeckt im Küchenschrank. Als sie – weitgehend verwest – entdeckt wird, ist zumindest für die Kripo rasch klar: Die junge Frau wurde umgebracht. Der Verdacht fällt schnell auf den Freund der 28-Jährigen. Vom nächsten Dienstag (24. April) an muss sich der mutmaßliche Täter in einem reinen Indizienprozess vor dem Traunsteiner Landgericht verantworten.
Doch es scheint keineswegs sicher, dass dem 29-Jährigen ein Totschlag nachgewiesen werden kann, wofür ihn die Staatsanwaltschaft angeklagt hat. Zu unklar sind die Umstände: Es gibt keine Tatzeugen. Und ein Fingerabdruck des Mannes am Tatort muss nicht heißen, dass der Beschuldigte seine Freundin tatsächlich umbrachte. Zudem war die Leiche so stark verwest, dass nicht einmal eine Spezialuntersuchung des Kehlkopfes ein eindeutiges Ergebnis brachte. Auch ein genaues Datum für das vermutete Verbrechen ist nicht bekannt – Mitte Oktober 2010 heißt es nur. Und der Angeklagte schweigt zu den Vorwürfen.
Nur so viel ist bekannt: Die Leiche der drogenabhängigen Frau wird am 6. August 2011 in ihrer Wohnung in der Traunsteiner Innenstadt vom Hausbesitzer entdeckt. Die Tote kauert in einem am Boden stehenden verschlossenen zweitürigen Küchenschrank. Der zum Sarg gewordene Behälter ist mit Folie umwickelt und zusätzlich mit einer Decke umhüllt. Nachbarn hatten sich über bestialischen Gestank aus der verwahrlosten Wohnung beschwert. Die Leiche wird deshalb so spät entdeckt, weil das Opfer jeden Kontakt zur Außenwelt abgebrochen hatte. Niemand vermisste die Frau. Die Ermittlungen der Kripo führen auf die Spur des ebenfalls rauschgiftsüchtigen 29-Jährigen. Er hatte das Opfer 2009 an seiner Arbeitsstelle kennengelernt und war bald darauf mit der Frau zusammengezogen. Bei seiner Festnahme lebte er schon wieder im thüringischen Eisenberg, wo auch seine Mutter wohnt.
Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft befindet sich auf einem Stück Klebeband, mit dem die Folie um den Küchenschrank zusammengehalten war, eine DNA-Spur des Mannes. Sie beweist allenfalls, dass der 29-Jährige die Leiche seiner Freundin versteckte, nicht aber, dass er die Frau auch umbrachte.
Die Anklagebehörde geht dennoch davon aus, dass der Mann die 28-Jährige im Streit erwürgte und die Leiche im Küchenschrank versteckte, um das Verbrechen zu vertuschen. Bei der Obduktion der Leiche wurden Spuren von Gewalteinwirkung am Kehlkopf festgestellt. Handgreiflichkeiten hatte es jedoch in der Beziehung schon zuvor gegeben. Wegen der dünnen Beweislage wurde der 29-Jährige nicht wegen Mordes angeklagt, sondern wegen Totschlages.
Doch selbst dies dürfte dem als introvertiert beschriebenen jungen Mann nicht leicht nachzuweisen sein. „Der Nachweis eines aktiven Tuns ist aus unserer Sicht bisher nicht erbracht“, sagt Verteidiger Harald Baumgärtl. „Ich rechne daher nicht mit einer Verurteilung wegen Totschlages.“ Der Anwalt hält für möglich, dass die Frau bei einem Gerangel mit ihrem Freund stürzte und sich die tödlichen Verletzungen dabei zuzog. Gut möglich daher, dass sein Mandant mit einer Verurteilung wegen Körperverletzung mit Todesfolge davonkommt.
Die Anklagebehörde beharrt jedoch auf Totschlag – vorerst. Sie vertraut dabei auf Expertenwissen. „Dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen wird in diesem Prozess eine ganz entscheidende Bedeutung zukommen“, sagt Staatsanwalt Andreas Miller. Für den Prozess vor dem Traunsteiner Schwurgericht sind vier Verhandlungstage vorgesehen. Das Urteil soll spätestens am 10. Mai fallen. Zuvor werden mehrere Zeugen und zwei Sachverständige gehört. Vom Angeklagten ist indessen kein Beitrag zur Aufklärung des Falles zu erwarten: Der Mann hat angekündigt, auch im Prozess zu schweigen.
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