Laras Kunstherz

Seit zwei Jahren lebt das Mädchen (5) mit der Maschine – so lange, wie noch kein anderes Kind zuvor. Ein Grund dafür ist auch das deutsche Gesetz zur Organspende.
Antonia Lange |
X
Sie haben den Artikel der Merkliste hinzugefügt.
zur Merkliste
Merken
0  Kommentare
lädt ... nicht eingeloggt
Teilen  AZ bei Google News
Die kleine Lara sitzt mit ihrer Mutter im Krankenzimmer des Klinikums Erlangen. Auf ihrem Schoß: die Schläuche, die ihre Brust mit dem Kunstherz verbinden.
dpa Die kleine Lara sitzt mit ihrer Mutter im Krankenzimmer des Klinikums Erlangen. Auf ihrem Schoß: die Schläuche, die ihre Brust mit dem Kunstherz verbinden.

Seit zwei Jahren lebt das fünfjährige Mädchen aus Erlangen mit der Maschine – so lange, wie noch kein anderes Kind zuvor. Ein Grund dafür ist auch das deutsche Gesetz zur Organspende.

Erlangen Laras Herz ist viereckig und so groß wie ein kleiner Kühlschrank. Wenn sie besonders ausgelassen spielt, ist es zwei Meter von ihr entfernt. Lara hat ein Kunstherz. Seit zwei Jahren. Nach Angaben der Uniklinik Erlangen hat weltweit noch nie zuvor ein kleines Kind so lange mit der Maschine überlebt, nie so lange auf eine Transplantation gewartet.

„Das ist wirklich ungewöhnlich lange“, sagt der Kinderherzchirurg Robert Cesnjevar. „Ich bin von höchstens einem Jahr Wartezeit ausgegangen.“ Er hat die Fünfjährige vor zwei Jahren an das Kunstherz angeschlossen und betreut sie nun in der Universitätsklinik in Erlangen. Lara wohnt hier.

„Sie weiß gar nicht mehr, wie ihr Kinderzimmer zu Hause aussieht“, erzählt ihre Mutter. Die Klinik durfte das Mädchen seit der Herz-Operation nicht mehr verlassen. Zu groß ist ihr Kunstherz, das eigentlich gar kein Herz ist, sondern eine Maschine auf Rädern außerhalb ihres Körpers. Zu hoch ist das Risiko, dass etwas passiert.

„Was bauen, was bauen!“, ruft Lara. Ungeduldig läuft sie von rechts nach links. Die Schläuche, die ihre Brust mit der Maschine verbinden, werden immer straffer. „Stop“, ertönt es da. Ihre Mutter. Die 43-Jährige schaut ein wenig verlegen. „Ich bin übervorsichtig“, sagt sie. „Ich hab halt Angst.“

Als Lara am Herzen operiert wurde, war das Mädchen drei Jahre alt. Chronische Herzmuskelschwäche. Seitdem wohnt ihre Mutter mit ihr in der Klinik, der Vater kommt am Wochenende dazu. Privatsphäre gibt es nicht. Und ein neues Herz kommt einfach nicht. Immer noch nicht.

"Ich denke, dass eine Gesetzesänderung helfen könnte"

„Wenn es spät abends an der Tür klopft, denken wir oft: Jetzt haben sie das Herz“, erzählt Laras Mutter. Manchmal sei sie schon wütend wegen der ganzen Situation. Aber vor allem sei sie traurig.

In Deutschland muss man in eine Organspende derzeit aktiv einwilligen, im Gegensatz zu anderen Ländern wie zum Beispiel Österreich. Gerade Eltern, deren Kind gerade gestorben sei, falle das aber schwer, erzählt Professor Cesnjevar. Daher auch die lange Wartezeit. „Ich denke, dass eine Gesetzesänderung Kindern wie Lara wirklich helfen könnte.“ Derzeit wird in Deutschland ein neues Gesetz vorbereitet. Demnach sollen künftig alle Bürger befragt werden, ob sie im Fall eines Hirntods einer Organspende zustimmen.

Der Fall der Fünfjährigen sei außergewöhnlich, erklärt der Mediziner. Seit 1999 hätten 13 Kinder in Europa länger als ein Jahr auf ein Spenderherz gewartet. Länger als zwei Jahre, das gebe es in keiner Statistik. „Lara ist jenseits jeder Warteliste. Sie hat die höchste Dringlichkeitsstufe.“

Den Geburtstag daheim feiern? "Ich denke, das schaffen wir nicht"

Lara sitzt in einem Meer aus Kissen und spielt Bootfahren. Lange dunkelblonde Haare, Pferdeschwanz. Auf den ersten Blick sieht sie aus wie eine normale Fünfjährige. Als sie aufsteht, zieht die Mutter ihr den Pullover über die Schläuche, in denen das Blut zirkuliert. So als wolle sie die Realität einen Moment lang ausblenden.

Die Maschine, die Laras krankes Herz schlagen lässt, lässt sich nicht ausblenden. 100 Kilogramm wiegt der sperrige Kasten, der aussieht wie ein kleiner Kühlschrank. Ob dieser Klotz sie sehr störe? „Nee“, sagt Lara und schüttelt den Kopf. Ob das stimmt, weiß nur sie selbst.

„Es ist halt ihr Leben“, erklärt die Mutter. Ob ihre Tochter sich noch an die Zeit ohne die Maschine erinnert, weiß sie nicht. „Das fragen wir sie nie.“ Zwei Jahre Krankenhaus. Das sind zwei Geburtstage und zweimal Weihnachten zwischen Spritzen und Desinfektionsmitteln. Im April wird Lara sechs Jahre alt. Dass sie diesen Geburtstag zu Hause feiern kann, glaubt ihr Vater langsam nicht mehr. „Ich denke, das schaffen wir nicht.“

Selbstgemalte Bilder, Fotos, Plüschtiere und eine Barbie. Laras Krankenhauszimmer sieht aus wie das einer ganz normalen Fünfjährigen. Ihre Freundin Lilly hat ihr einen Brief geschrieben, der jetzt über dem Bett hängt. „Liebe Lara, ich würde dir gern ein Geschenk geben. Was wünschst du dir?“ Eine Antwort hat Lara nicht darunter geschrieben. Was ihr Vater sich für sie wünscht, fasst er in ein einziges Wort: „Normalität.“

 


 

 

  • Themen:
Lädt
Anmelden oder registrieren

Zum Login
Zu meinen Themen hinzufügen

Hinzufügen
Sie haben bereits von 15 Themen gewählt

Bearbeiten
Sie verfolgen dieses Thema bereits

Entfernen
Um "Meine AZ" nutzen zu können, müssen Sie der Datenspeicherung zustimmen.

Zustimmen
 
0 Kommentare
Bitte beachten Sie, dass die Kommentarfunktion unserer Artikel nur 72 Stunden nach Veröffentlichung zur Verfügung steht.
Noch keine Kommentare vorhanden.
merken
Nicht mehr merken
X

Sie haben den Inhalt der Merkliste hinzugefügt.