Streit um Aufklärungsunterricht an Grundschulen

Der Sexualkundeunterricht an Grundschulen ist ein sensibles Thema. Für Schüler, Eltern und Lehrer zugleich. In den vergangenen zehn Jahren hat es sich eingebürgert, dass Buben und Mädchen aus Stadt und Landkreis an ihren Schulen auch von Experten wie der Caritas in das Thema rund um die Aufklärung eingeführt werden.
Weiterführende Schulen – also ab der fünften Klasse – können das Angebot auch weiterhin in Anspruch nehmen. Grundschulen hat das Kultusministerium dies nun untersagt. Dort wird Sexualkundeunterricht künftig wieder ausschließlich vom Klassenlehrer gehalten.
Eltern unzufrieden mit neuem Beschluss
Dem vorausgegangen ist eine Änderung der Richtlinien für die Familien- und Sexualerziehung in bayerischen Schulen – mit einer Bekanntmachung des Kultusministeriums vom 15. Dezember 2016. Die hat aber nicht jeden glücklich gemacht, vor allem Eltern nicht. Daraus hat sich quasi ein regelrechter "Sorgerechtsstreit" um die Blümchen- und Bienchenfrage entwickelt.
Auf der einen Seite stehen die Eltern: Argumente, die gegen die Anweisung des Kultusministeriums sprechen, gebe es genügend, sagen zum Beispiel die Elternbeiratsvorsitzenden Sandra Bezold (Gesamtelternbeirat und Grundschule Berg) und Beate Röhl (Grundschule Hohenthann). "Wir finden es wichtig, dass die Kinder im Sexualkundeunterricht ihre Fragen völlig frei und offen stellen können", sagt Bezold. Bei Klassenlehrern sei dies – wegen der Nähe zu den Schülern – in der noch jungen Lebensphase der Schüler nur bedingt möglich, und oftmals schwierig – ähnlich wie bei einer Eltern-Kind-Beziehung. Die Bindung zwischen Grundschülern und ihren Klassenlehrern sei eben sehr eng.
Bezold, selbst dreifache Mutter, sagt: "Es hat sich deshalb als praktikabel erwiesen, dass neutrale Ansprechpartner für die Kinder sehr gut geeignet sind. Eben Experten, die in dem Thema drin sind und Erfahrung haben." Ebenfalls sei es an vielen Grundschulen nur schwer möglich, den Sexualkundeunterricht für Buben und Mädchen getrennt abzuhalten. "An der Grundschule Berg haben wir beispielsweise nur einen männlichen Lehrer", bestätigt Bezold. In Hohenthann gebe es nur Lehrerinnen – und den Pfarrer. Röhl sagt: "Es kann grundsätzlich nicht sein, dass Sexualkundeunterricht, der im Lehrplan vorgesehen ist, wegen Lehrermangel in der Praxis nicht praktikabel umgesetzt werden kann." Denn: "In dem Alter will sich kein Kind mit solchen Themen vor anderen blamieren." Buben sollten deshalb die Möglichkeit haben, von Lehrern unterrichtet zu werden, Mädchen von Lehrerinnen. Beide Elternvertreter plädieren deshalb, externe Experten auch weiterhin an Grundschulen zuzulassen, die während der Kurse Buben und Mädchen trennen.
Aufklärungsstunde mit der Caritas?
Ein Anbieter, der sich in Landshut bewährt habe, sei die Caritas: Das Aufklärungs-Programm der Caritas ist von Brigitte Ganslmeier entwickelt worden, Leiterin der Schwangerenberatung. Ganslmeier hat 40 Jahre Berufserfahrung. Sie und ihr Team betreuten in den vergangenen Jahren 15 Grundschulen. Zudem sind sie an 35 weiterführenden Schulen aktiv. Der Aufklärungsunterricht an Grundschulen wurde ihr aber kürzlich vom Kultusministerium noch einmal explizit untersagt. Sogar Leistungsstreichungen wurden angedroht, würde Ganslmeier weiterhin mit ihrem Team an Grundschulen aktiv sein. "Wir stehen deshalb massiv unter Druck", sagt sie.
Die Caritas dürfe zwar Schulungen für Lehrer anbieten, die sich jetzt laut Ministerium für den Sexualkundeunterricht fortbilden lassen sollen, davon hält Ganslmeier aber wenig: "Wir sehen uns nicht als Referenten für Lehrer. Wir als Sozialpädagogen arbeiten direkt an der Basis – also mit den Kindern." Die Resonanz der Eltern, die von der Caritas bei Elternabenden das Aufklärungs-Konzept vorgestellt bekommen, sei bisher immer positiv gewesen. Das staatliche Schulamt glaubt dagegen, dass das die Grundschullehrer künftig auch ohne die Hilfe von Partnern leisten können.
"Klassenlehrer sind einfach viel näher dran an ihren Schüler"
Michael Kugler vom Schulamt lobt zwar ausdrücklich die Arbeit externer Anbieter: Er sagt aber auch, das Schulamt müsse sich nun mal den gesetzlichen Vorgaben beugen. "Da gibt es keinen Spielraum", sagt Kugler. Warum sich das Kultusministerium entschieden hat, die Grundschulen herauszunehmen, erklärt er so: Der Sexualkundeunterricht sei ein sehr feinfühliges Thema. In den Klassen gebe es viele Kinder unterschiedlicher Herkunft, Tradition und Erziehung. Bei der Entscheidung gehe um den Schutz der Schüler – und um ein bereits existierendes Vertrauensverhältnis: "Die Klassenlehrer kennen ihre Schüler ganz genau und können auf ihre Bedürfnisse im Speziellen eingehen", sagt Kugler. Die Caritas hingegen wäre weiterhin bereit, den Sexualkundeunterricht auch an Grundschulen zu begleiten – wenn sie denn dürfte. "Das müssen jetzt aber die Schulen mit dem Ministerium klären", sagt Ganslmeier. Zumindest der Landshuter und Hohenthanner Elternbeirat wünscht es sich. Bezold und Röhl stellen deshalb die nicht ganz unberechtigte Frage: "Mit Blick auf den Lehrermangel und den Fortbildungen, fragen wir uns: Warum zerstört man ein bereits funktionierendes System?"