Schöner Wohnen - hinter grauen Gefängnismauern

Ein neues Heim für Flüchtlinge hinter fünf Meter hohen Gefängnismauern: Moralisch verwerflich, alles im Rahmen oder purer Luxus? Die AZ hat sich umgesehen.
von  cm, bs
Eine der beiden Wohneinheiten. Der Eingang links zum alten JVA-Gebäude wird künftig versperrt sein. Der Hof soll noch aufgehübscht werden.
Eine der beiden Wohneinheiten. Der Eingang links zum alten JVA-Gebäude wird künftig versperrt sein. Der Hof soll noch aufgehübscht werden. © Harry Zdera

Landshut - Die Gefängnismauern und die alte Justizvollzugsanstalt, von denen das neue Übergangswohnheim (ÜWH) eingeschlossen ist, verbreiten graue Tristesse. Der Innenhof, der noch begrünt werden und mit einem Spielplatz für Kinder aufgehübscht werden soll, wirkt ohne Bewohner naturgemäß leer.

Zweckmäßig und zentrumsnah: So könnte man das neue ÜWH auf dem Gelände der alten Justizvollzugsanstalt (JVA) beschreiben. Dies ist gestern bei einer ersten Begehung deutlich geworden, die die ÖDP Stadträtinnen Elke März-Granda und Christine Ackermann initiiert hatten. In den nächsten Wochen werden schrittweise 75 Migranten vom ÜWH an der Niedermayerstraße in das Wohnheim auf dem alten JVA-Gelände einziehen. Ganz überwiegend Familien mit Kindern.

Alles da, was man zum Leben braucht, aber mehr auch nicht

Dabei handelt es sich um Kontingentflüchtlinge aus Afghanistan und Syrien. Hinzu kommen deutsche Spätaussiedler aus der Ukraine, Kasachstan, Russland und Aserbaidschan.

Die Zimmerausstattung ist neu, beschränkt sich aber pro Zimmer mit Spinden, kleinen Betten, einem Gemeinschaftstisch und einem Fernsehanschluss auf das Nötigste. Internet gibt es nicht. Es gibt Zweier- und Viererzimmer, aber auch Verbundzimmer mit Durchgang – für größere Familien. In beiden Häusern befindet sich im Erdgeschoss und im ersten Stock jeweils eine Gemeinschaftsküche und eine Waschküche. Das Bad und die Toiletten sind getrennt – auch für Männer und Frauen. Dass der Putzplan eingehalten wird, darum wird sich Heimleiter Bernhard Glade kümmern. Der Verein ZAK kündigte an, ein Betreuungsangebot für Kinder ermöglichen zu wollen. Auch eine Migrationsberatung vor Ort steht im Raum.

Den Familien, die dort künftig wohnen sollen, wird es also nicht an Ausstattung fehlen. Heimelig wird es aber auch nicht werden – muss es auch nicht: Das ÜWH ist vielmehr als Starthilfe zu sehen. Sämtliche Migranten, die dort einziehen werden, besitzen den gesicherten Aufenthalts-Status. "Den Familien steht es also frei, selbst auf dem Wohnungsmarkt aktiv zu werden", sagt Regierungssprecherin Katharina Kellnberger. Bei einer Familie habe das bereits geklappt.

Warum wird umgezogen: Die Regierung von Niederbayern kommt mit dem Neubau ihrem Auftrag nach, Flüchtlingsunterkünfte in Landshut zu schaffen. Da sie für die Verteilung der Flüchtlinge zuständig ist, hat der Umzug in die alte JVA den Vorteil, dass mit dem Umzug die bisherige Doppelstruktur aus ÜWH und Gemeinschaftsunterkunft an der Niedermayerstraße beendet werden kann. Das freigewordene ÜWH an der Niedermayerstraße 87 wird umgewidmet und Teil der dortigen Gemeinschaftsunterkunft für Asylbewerber.

Der Bau hinter Gefängnismauern stand bisher unter keinem guten Stern: Es gab denkmalschutzrechtliche Bedenken, Zeitverzögerungen, auch der Vorwurf von der Verschwendung von Steuergeldern und des Schwarzbaus standen im Raum. Mit dem Neubau ist das Areal für zehn Jahre belegt – er gilt als möglicher Theaterstandort. Kürzlich wandten sich einige, die dort bald einziehen werden, mit einem offenen Brief an die Regierung: Rund 25 Flüchtlinge baten, in ihrer bisherigen Unterkunft bleiben zu dürfen. Umgezogen wird trotzdem, trotz mancher moralischer Bedenken. März-Granda: "Wichtig ist doch, dass es die Menschen warm haben und ein Dach über dem Kopf. Eine zentrale Unterkunft erleichtert die Integration."

Zimmer, Küche, Sanitäranlagen – Zahlen zum neuen Wohnheim

Die Kapazität des Übergangswohnheims liegt bei 140 Plätzen. Insgesamt gibt es 43 Bewohnerzimmer: Die Zweibettzimmer sind 14, die Dreibettzimmer sind 21,3 und die Vierbettzimmer 28 Quadratmeter groß. Jedes Zimmer ist mit einem Kühlschrank ausgestattet und hat einen Spind pro Person.

In beiden Häusern gibt es sieben Sanitäranlagen und eine Sanitäranlage für Menschen mit Behinderungen. Insgesamt stehen zwölf Waschmaschinen und zwölf Trockner zu Verfügung. Die drei Gemeinschaftsküchen sind mit jeweils acht Herden ausgestattet.

Neben drei Aufenthaltsräumen für die Bewohner ist geplant, ein Zimmer als Büro für einen Ansprechpartner der Migrationsberatung und ein weiteres als Ort für die Kinderbetreuung zu verwenden.

"Kleinere Lösungen"

Thomas Keyßner, 2. Bürgermeister: "Fakt ist, wir hatten damals eine Notsituation. Als Stadt sagten wir dem Freistaat, er solle Unterkünfte schaffen. Wir meinten, wenn die JVA der Standort sein soll, werden wir auch kein Haar in der Suppe suchen.

Allerdings war das mehr vor dem Hintergrund: Da entsteht eine Modulbauweise, die nicht unbedingt festgemauert zehn Jahre stehen bleiben muss, sondern im Bedarfsfall vorher schon wieder abgebaut werden kann. Wenn man das Gelände als Theaterstandort sieht, dann tut es schon weh, dass solche Perspektiven bis 2028 verbaut sind. Wir wünschen uns dezentrale Flüchtlingsunterbringungen. Also mehr kleine, flexible Lösungen für 20 bis 30 Personen."

"Wohnraum schaffen"

Siegfried Stelzner, Dekan: "Ich kann es verstehen, dass ein Umzug in eine neue Umgebung eine Verunsicherung für Asylbewerber darstellt. Auch das Wohnen – bildlich gesprochen – hinter Gefängnismauern kann belasten. Zudem wäre es besser, wenn anerkannte Flüchtlinge in einer Wohnanlage mit einheimischen Bürgern als Nachbarn unterkommen könnten, um die Integration zu fördern. So sehe ich das Wohnen auf dem Gelände der alten JVA allenfalls als eine Übergangslösung an.

Es muss dringend neuer bezahlbarer Wohnraum in Landshut geschaffen werden, damit auch diesen Menschen eine angemessene Wohnsituation zur Verfügung gestellt werden kann."

"Vorteile nutzen"

Thomas Link, Amt für Migration und Integration: "Glücklich bin ich mit der Situation an sich nicht. Persönlich hätte ich es anders gelöst. Man muss jetzt versuchen, die Vorteile darin zu sehen. Zum Beispiel die Unterbringung in Stadtnähe. Außerdem ist es hilfreich, dass die Kinder in ihren bestehenden Klassenverbänden bleiben können. Zwar schwebt die Symbolik des ehemaligen Gefängnisses über der Situation, aber so weit mir zugetragen wurde, fühlt sich der Großteil der angehenden Bewohner davon nicht gestört. Es ist nur schlimm, dass es aufgrund des Wohnungsmarktes in Landshut die Auszugsberechtigten sicher sehr schwer haben werden, eine eigene Bleibe zu finden."

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