Prozess: Die Internetmasche der Loverboys

Er hat zwei Frauen um 140.000 Euro erleichtert, mit ein und derselben Masche. Doch der mutmaßliche Herzensbrecher aus dem Internet bestreitet die Taten zu Prozessbeginn.
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Zu vertrauensvolle Frauen auf der Suche nach der großen Liebe im Internet sind das Beuteschema der Nigeria Connection, der auch der Angeklagte angehören soll.
Zu vertrauensvolle Frauen auf der Suche nach der großen Liebe im Internet sind das Beuteschema der Nigeria Connection, der auch der Angeklagte angehören soll. © Felix Kästle/dpa

Landshut - Elf verschiedene Personalien listet die Anklageschrift für Muyiwa F. auf. Dabei befinden sich die Namen Dariel Alfred und Bill Turner noch nicht einmal darunter. Unter diesen Namen soll der 24-jährige Nigerianer auf Friendscout 24, einer Singlebörse im Internet, zwei Frauen große Gefühle vorgetäuscht und sie um insgesamt 140 000 Euro erleichtert haben.

Muyiwa F. bestreitet die Vorwürfe der Staatsanwaltschaft zu Prozessbeginn und erhält Schützenhilfe von seiner Mutter, die gestern vor der sechsten Strafkammer des Landgerichts lebhaft kundtat, für die Unschuld ihres Sohnes ihr Leben zu geben.

Die Lage des 24-Jährigen ist denkbar schlecht: Handyauswertungen und Kontobewegungen sprechen gegen ihn. Und ein weiterer mutmaßlicher Internet-Herzensbrecher hat bereits ein umfassendes Geständnis abgelegt.

Die Betrugsmasche nennt sich Romance Scamming. Männer treten mit falschen Profilen in Singlebörsen auf und spielen Frauen, die auf der Suche nach der wahren Liebe sind, Verliebtheit vor.

Laut Anklage schließt sich Muyiwa F. vor dem Juni 2016 einer international agierenden Bande an. Im Auftrag der sogenannten Nigeria-Connection nimmt F. Kontakt zu Frauen auf und macht sie sich emotional gefügig. Mit vorgetäuschten Notsituationen will er an ihr Geld - und bekommt es.

Den Ermittlungen zufolge gingen bei dem angeklagten Sachverhalt allerdings nur zehn Prozent der ergaunerten 140 000 Euro an Muyiwa F. Den dicken Reibach machten die Hintermänner.

Die Anklage legt dem 24-Jährigen versuchten banden- und gewerbsmäßigen Betrug in drei tatmehrheitlichen Fällen in Tatmehrheit mit banden- und gewerbsmäßigen Betrug in 15 tatmehrheitlichen Fällen zur Last.

Eine Frau aus Wadgassen lernte den Angeklagten am 20. Juni 2017 im Internet als Dariel Alfred kennen. Ein Foto zeigt diesen Dariel Alfred braun gebrannt, mit blendend weißen Zähnen, einer Golfmütze auf dem Kopf und einem Chihuahua im Arm: "Fescher Mann, fescher Hund", so der Kommentar des Vorsitzenden Richters Ralph Reiter, als er den Ausdruck vorzeigte. Fortan führten der Traummann und die Wadgassnerin einen regen Austausch per Whatsapp. Drei Wochen später teilte Dariel Alfred der Frau mit, dass sein Bankkonto gehackt worden sei und er momentan keinen Zugriff auf dieses habe.

Als Bauingenieur müsse er beruflich aber dringend in die Türkei. Als Nachweis, dass er Geld habe, schickte er der Frau die Zugangsdaten zu seinem Konto. Die Geschädigte kam so auf eine Internetseite, auf der ein Kontostand von 1,7 Millionen Australische Dollar zu sehen war.

Am 24. Juli bat Alfred die Frau telefonisch um Geld, da er sich nichts mehr zu Essen kaufen könne. Ende August war dann der Baukran kaputt und musste dringend repariert werden. Die Frau überwies insgesamt 10 700 Euro auf Konten in der Türkei. Zu einer Rückzahlung kam es nicht.



Noch schlimmer traf es eine Frau aus Freising, bei der Muyiwa F. laut Anklage die gleiche Masche angewandt hatte. Die Freisingerin hatte den Angeklagten unter dem Namen Bill Turner ebenfalls in einer Singlebörse kennengelernt und diesem Bill schließlich im Juni 2017 insgesamt 129 500 Euro überwiesen. Auch hier kam es zu keiner Rückzahlung.

Muyiwa F. streitet die ihm zur Last gelegten Taten ab. "Das stimmt alles nicht." Größere Einzahlungen auf seinem Konto erklärt er mit Wettgewinnen.

Muyiwa F. hatte bei seiner Mutter und seinem Stiefvater in München gelebt. Nach seiner Festnahme stellte die Polizei dort zahlreiche Handys sicher; mit der SIM-Karte eines dieser Handys wurde den Ermittlungen zufolge mit den beiden geschädigten Frauen geschrieben. Eine Befragung von Mutter und Stiefvater wegen der Besitzverhältnisse der Handys und des Internetverhaltens des Angeklagten brachte die Kammer indes nicht weiter. Beide beteuerten, sie würden ihr Leben für die Unschuld Muyiwa Fs geben. Sie wisse über ihren Sohn Bescheid; der habe zwei Frauen und drei Kinder und brauche da kein Internet. "Ich bin der Chef von meinem Sohn", sagte die 49-Jährige aufgebracht. Nie habe dieser mit Frauen im Internet gechattet.

Auf den Einwand der beisitzenden Richterin, ob sie denn Tag und Nacht neben ihrem Sohn gesessen sei, ging die Altenpflegerin nicht ein. Auch der 33-jährige Stiefvater gab an, F. "niemals auf solchen Seiten" gesehen zu haben. Die Staatsanwältin äußerste nach der Einvernahme des 33-Jährigen den Verdacht, dass auch dieser der Nigeria-Connection angehört. Der Prozess wird am 27. Juli fortgesetzt.

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