Philipp Herrmann, der Spezialist fürs Federvieh

Er kennt sie alle: Philipp Herrmann ist Vogelstimmen-Experte. Im AZ-Interview spricht er über seine Liebe zum Hofgarten, die Isar und „Dirüttrütt rütt“.
Claudia Hagn |
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Mit Frühlingsblühern im Bistro 20zehn: „Vogelphilipp“ Herrmann mit AZ-Redakteurin Claudia Hagn.
Mit Frühlingsblühern im Bistro 20zehn: „Vogelphilipp“ Herrmann mit AZ-Redakteurin Claudia Hagn.

Landshut - Er trägt immer T-Shirts mit Federvieh drauf. Da gibt es bei Philipp Herrmann keine Ausnahme. Wer schließlich "Vogelphilipp" heißt, muss zu seiner Leidenschaft stehen. Herrmann ist Gebietsbetreuer, zuständig für den ehemaligen Standortübungsplatz samt Isarhangleiten, den Auwald, der Klötzlmühlbach und auch den Hofgarten. Was ihm besonders am Herzen liegt und wo Landshut noch naturschützerisches Potenzial liegt, hat er uns bei einer Orangensaftschorle - und ein paar Lachern - verraten.

AZ: Herr Herrmann, wenn Sie sich das schönste Plätzchen in Landshut aussuchen müssten - wo wäre das?
Philipp Herrmann: Das wäre eindeutig im Hofgarten.

Warum?
Weil es da wahnsinnig viele Vogelarten gibt, die im März und April anfangen, fast alle gleichzeitig zu singen. Meine erste Vogelführung im Jahr mache ich immer im Hofgarten - und es ist immer die schönste. Der Hofgarten liegt zwar mitten in der Stadt, ist aber trotzdem wie eine Wildnis.

Und wo haben sich all die Vögel im Hofgarten bis März so rumgetrieben? Im Dezember zum Beispiel?
Die waren schon noch da, aber singen nicht. Weil sie ihr Revier nicht abgrenzen und deswegen nicht singen müssen. Es singen ja die Männchen.

Wer sonst. . .
Es gibt tatsächlich bei Vögeln auch Arten, wo sich die Geschlechterrollen vertauschen. Beim Mornell-Regenpfeifer oder beim Odins-Hühnchen zum Beispiel.

Das klingt ja im wahrsten Sinne des Wortes vogelwild.
Ist es auch. Aber die beiden kommen nicht bei uns vor, sondern eher im Norden, in Norwegen oder Island zum Beispiel. Bei beiden sind die Weibchen schöner und bunter gefärbt.

Gibt's hier in Landshut irgendetwas vergleichbar Bezauberndes?
Im Hofgarten kann man einen Haufen Spechte beobachten. Buntspecht, Grünspecht, Schwarzspecht, Mittelspecht, Kleinspecht. Und den Grauspecht. Der Hofgarten hat einen recht natürlichen Baumbestand mit Buchen, Eichen, Eschen. Lauter Laubbaumarten, die normalerweise bei uns vorkommen würden.

Gibt's die sonst nicht mehr bei uns?
Naja, der Hofgarten wird ja nicht forstwirtschaftlich bewirtschaftet und genutzt. Außerdem soll er ja als Park erhalten bleiben. Deshalb ist die Baumzusammensetzung eine andere.

Wann sind Sie am liebsten im Hofgarten?
Morgens, so ab 7, 8 Uhr. Für Vogelzwitscherkonzerte ab März, April würde ich den Hofgarten frühmorgens wärmstens empfehlen. Ich würde das Angebot für alle im Hofgarten auch noch gern etwas ausbauen. Es gibt ja schon Vogelführungen, die Vogelstimmen-Hotline im Hofgarten - und ich würde gerne mit der Umweltstation noch mehr machen. Der Hofgarten hat zum Beispiel für Kinder zum Naturerleben wirklich noch viel mehr Potenzial. In welchen Städten hat man schon so etwas wie den Hofgarten? An ihn kommen nicht viele Parks ran.

Wenn Sie einen Wunsch für Landshut frei hätten, was wäre das so? Ich merke, Sie überlegen da länger.
Da wird's natürlich gern mal politisch in solchen Dingen.

Aber Sie streifen ja viel herum. Da muss es ja etwas geben.
Die Isar müsste man mehr erlebbar machen. Das wäre eine schöne Sache. Das würde ich mir wünschen. Andere Städte machen da einfach viel mehr. Was ich nicht ganz verstehe: Beim Röcklturm gibt es ein Geländer und weiter unten gibt es nur eine schräge Wiese. Da könnte man doch auch schön eine Treppe zur Isar runter machen - wie es in anderen Städten eben bereits geschieht. Das ist natürlich schwierig, weil es hier Kanalcharakter hat. Aber auf der Mühleninsel rund um die Fischtreppe, da wäre es schon gut. In der Stadt sollte man die Isar nutzen - wenn wir sie schon haben.

Vor zwei Jahren haben Sie ein Projekt ins Leben gerufen habe, das manche kaum glauben konnten. Die Vogelstimmen-Hotline per WhatsApp, wo Sie jeder per Sprachnachricht nach Vogelstimmen fragen kann. Wie kam's dazu eigentlich?
Meine Frau fing plötzlich an, mit ihrer Familie Sprachnachrichten auszutauschen. Da dachte ich mir: Das probiere ich mal mit Vogelstimmen aus. Als dann meine Tante irgendwann frühmorgens eine halbe Stunde ihr Handy aus dem Fenster gehalten und mir ein Rotkehlchen aufgenommen hat, wusste ich: Das kann jeder. Seitdem läuft das ziemlich gut. Ich kriege ständig Anfragen.

Mit Frühlingsblühern im Bistro 20zehn: „Vogelphilipp“ Herrmann mit AZ-Redakteurin Claudia Hagn.
Mit Frühlingsblühern im Bistro 20zehn: „Vogelphilipp“ Herrmann mit AZ-Redakteurin Claudia Hagn.
Mit Frühlingsblühern im Bistro 20zehn: „Vogelphilipp“ Herrmann mit AZ-Redakteurin Claudia Hagn. Foto: AZ

Sagen eigentlich manchmal Menschen zu Ihnen, Sie hätten einen Vogel?
Die können sich nicht vorstellen, dass ich das mache - und denken, es sei ein Computer am anderen Ende. Die checken das nicht ganz, dass da wirklich ein Mensch an einem Handy sitzt und das persönlich beantwortet. Aber sonst hat mir noch keiner einen Vogel bescheinigt - die meisten sind eher interessiert, manchmal sind ein paar fragwürdige Blicke dabei.

Wenn wir nach Landshut mal zurückkommen: Welche Vögel gibt's denn in Landshut, die anderswo nicht so häufig anzutreffen sind?
Da gibt's den Gartenrotschwanz. Der sitzt hier gern mal rum. Warum, ist ungeklärt. Es hat mich sehr erstaunt, dass er an vielen Ecken in Landshut singt, obwohl er in Bayern nicht sehr häufig ist.

Welches Geräusch macht der?
"Dirüttrütt rütt". Dann lässt er eine Pause und dann kommt "did did". Besonders häufig trifft man ihn an der Isar beim Eisstadion in den Schrebergärten. Ziemlich am Wegesrand hängt immer eine Piratenflagge. Und auf der sitzt er immer drauf, jedes Jahr bei der Vogelstimmenwanderung. Diesen Garten mag er irgendwie besonders gern. Es gefällt ihm in parkähnlicher Landschaft.

Und um wen machen Sie sich vogeltechnisch Sorgen in Landshut?
Spatzen. Und alle anderen Gebäudebrüter generell. Da gibt es ein größeres Projekt des Landesbundes für Vogelschutz für alle, die unter dem Dach brüten. Es gibt eben ein Problem bei Gebäudesanierungen, dass alle Dächer verschlossen werden, alle Nischen mit Gittern abgedichtet. Da kommt dann kein Vogel mehr rein und findet nirgendwo mehr Platz für sein Nest. Es gibt Bilder von Schrägdächern, wo unten drunter zehn bis 15 Nester sind. Das sieht man normalerweise einfach nicht, wo die sich aufhalten. Erst bei der Sanierung des Hauses wurde es erkennbar.

Wenn ich jetzt mein Haus saniere oder gleich neu baue - was würde mir der Vogelphilipp da raten?
Es gibt mittlerweile tatsächlich bereits Ziegel, wo Vogelnischen im Stein drin sind. Bei der Sanierung sollte man einfach draußen einen Kasten dranhängen. Für Mauersegler und Konsorten. Bei der Sanierung kostet das nicht viel - und für die Vögel ist es eine immense Hilfe.

Wenn wir mal den Landshuter als Naturschützer betrachten - wie macht er sich?
Sagen wir mal so: Es fängt einfach beim Verständnis an bei den Leuten, in den Köpfen. Ich sehe immer generell ein Unverhältnis, wenn zum Beispiel draußen in der Normallandschaft wahnsinnig viel passiert. Es werden Wiesen betoniert, abgebrochen; da geht einfach ein sehr großer Lebensraum für einen Haufen Tiere und Pflanzen verloren. Da interessiert das kaum jemand. Aber wenn in Naturschutzgebieten etwas passiert, man als Naturschutzmaßnahme Fichten oder ausländische Gehölze rausschlägt, weil die hier vom Standort nicht hergehören - dann ist der Aufschrei groß. Da dient es ja der Lebensraumverbesserung. Und draußen, wo Quadratmeter negativ verändert werden, setzen sich wenige ein. Deswegen denke ich, die Akzeptanz fängt einfach im Kopf an, und ich möchte mit meinen Projekten Leute erreichen, die mit Naturschutz wenig am Hut haben. Viele Leute haben zum Beispiel durch die Vogelstimmen-Hotline die Amsel kennengelernt.

Aber Amseln sollte man doch eigentlich kennen?
Habe ich mir auch gedacht. Aber den Gesang der Amsel kannten wenige. Die Vogel-Hotline ist jetzt angekommen, wo ich sie haben wollte: bei den Leuten. Die Freude sich, was im Garten los ist, oder da, wo sie spazieren gehen.

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