Nachbarschafts-Zoff in der Altstadt

Lässt die Stadt die Bauaufsicht schleifen? Das ist die Frage bei einem bizarren Streit um einen Sichtschutz.
von  Uli Karg
Stein des Anstoßes: Direkt an der Hofmauer des Hauses Steckengasse 207 hat der damalige Nachbar vor vier Jahren einen Sichtschutz aus Metall angebracht. Sichtschutz gegen Sichtschutzwand: ein Rollo.
Stein des Anstoßes: Direkt an der Hofmauer des Hauses Steckengasse 207 hat der damalige Nachbar vor vier Jahren einen Sichtschutz aus Metall angebracht. Sichtschutz gegen Sichtschutzwand: ein Rollo. © privat

Das Haus Steckengasse 307 zählt zu den prominentesten Neubauten in der Innenstadt. Entstanden in den Jahren 2012 bis 2015, hat das puristische Gebäude mit der Betonfassade eine Baulücke neben dem Salzstadel geschlossen, die dort 20 Jahre lang klaffte. Von Architekten wird das Haus als Muster zeitgenössischen Bauens in der Stadt gelobt. Für Bauherr Franz Schachtner ist es hingegen ein Musterbeispiel dafür, wie die Stadt mit Konflikten umgeht. Auslöser des Streits: eine Sichtschutzwand aus Metall im Hinterhof.

"Wir haben bei diesem Gebäude intensiv mit der Unteren Denkmalschutzbehörde und mit dem Gestaltungsbeirat zusammengearbeitet, die speziell an dieser Stelle den Innenhof und die Belichtung sehr ernst genommen haben", sagt Schachtner. "Und dann das." Am Vormittag des 20. Januars 2014 habe er festgestellt, dass sein Nachbar einen Sichtschutz aus Metall angebracht hat. Er steht seitdem auf einem Hinterhofdach des Nachbarn, das direkt an Schachtners 3,40 Meter hohe Innenhofmauer grenzt.

Die Metallplatten des Sichtschutzes wurden an die Rückfassade des Salzstadels, hinter dem sich das Nachbargrundstück befindet, geschraubt. Die Stadt wertete den Vorgang umgehend als "unzulässig" und sah "rechtswidriges Handeln". Vier Jahre später steht der Sichtschutz immer noch.

Streitpunkt ist die Innenhofmauer 

Streitpunkt der Angelegenheit war die Höhe von Schachtners Innenhofmauer. "Die Stadt hatte bei dieser Mauer einen Fehler in der Tektur – da war eine rote Linie drin, die eine Erhöhung der Mauer gerechtfertigt hätte", sagt Schachtner, der daraufhin vor dem Verwaltungsgericht Regensburg klagte. "Es gab eine Vermessung durch das Vermessungsamt und Beweissicherungen aus dem Jahr 2011 – vor diesem Hintergrund war die Tektur nicht zu halten." Als die Stadt die rote Linie zurückgenommen hatte, stellte auch das Verwaltungsgericht im Dezember 2014 das Verfahren ein. Im Jahr darauf wechselte das Nachbargrundstück den Besitzer, Schachtner hoffte auf eine Einigung mit dem neuen Eigentümer Hans Schorsch. "Wir haben immer wieder versucht, einen Kompromiss zu finden", sagt Schachtner. Die Architekten des Steckengassen-Hauses, Michael Deppisch aus Freising und Manuel Schachtner, der Sohn des Bauherrn, entwickelten diverse Sichtschutz-Alternativen.

"Das waren Varianten, die qualitätvoll gestaltet sind, und sowohl dem Sichtschutz als auch der Beleuchtung des aktuell dunklen Innenhofs Rechnung tragen." Eine Einigung sei mit diesen Varianten nicht erzielt worden. Stattdessen habe ihn, so Franz Schachtner, eine Mitteilung von Schorsch erreicht, "die dem Fass den Boden ausschlägt": Die Blechwand könne durch eine zwölf Zentimeter niedrigere Wand mit Holzlamellen ausgetauscht werden, Schachtner solle die Hälfte der Kosten übernehmen. "Völlig sinnlos. Da hätte ich ja wieder kein Licht im Hof."

Schachtners Nachbar Hans Schorsch, der seine Immobilie gerade sanieren lässt, hat den Vorschlag für einen alternativen Sichtschutz von seiner Architektin ausarbeiten lassen. Sein Eindruck: "Unsere Lösungen waren Herrn Schachtner nicht gut genug." Da er von Schachtner nichts mehr gehört habe, so Schorsch, sei die Sache für ihn vorerst erledigt. "Wir bedauern es sehr, da reingezogen worden zu sein. Das ist eine sehr undankbare Geschichte." Den Nachbarschaftsstreit habe schließlich nicht nur er, sondern auch Schachtner geerbt.

Die jetzige Blechwand ist der Höhepunkt der Auseinandersetzung

Schachtners Vorbesitzer habe Teile der Hofmauer, die ursprünglich viel höher gewesen sei abgerissen. Sein Vorbesitzer, so Schorsch, habe sich deshalb wiederum lange mit der Stadt auseinandergesetzt. Die jetzige Blechwand sei dann der Höhepunkt dieser Auseinandersetzungen gewesen. Beseitigen, sagt Schorsch, will er sie nicht: "Dieser Sichtschutz muss bleiben, weil man vom Objekt Steckengasse sämtliche Einblicke in unseren Bereich hat, was nicht angenehm ist. Ich fühle mich da beobachtet."

Franz Schachtner hat seinerseits bereits im Juli 2015 beim Verwaltungsgericht abermals Klage gegen die Stadt eingereicht. "Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten" lautet die Verfahrensbegründung.

Für Baureferent Johannes Doll liegt der Konflikt darin begründet, dass sich die beiden Parteien "nicht über eine Ausformulierung des Sichtschutzes einigen konnten". Was die Verschraubung des Blechs mit dem städtischen Salzstadel betreffe, sei es Sache der Stadt, ob man dies toleriere oder nicht."Im Sinne eines gutnachbarschaftlichen Verhältnisses werden wir uns da aber nicht aufregen."Obwohl der Sichtschutz, das räumt Doll ein, "rein formal" genehmigungspflichtig sei.

"Das Gericht hat sich große Mühe gegeben, zu schlichten"

Auf eine Einigung unter den Nachbarn hofft Rechtsreferent Harald Hohn: "Wir hatten vor etwa einem Jahr einen Ortstermin mit dem Gericht. Das Gericht hat sich damals große Mühe gegeben, dass sich beide auf dem Verhandlungsweg einigen. Bislang ist es dazu aber nicht gekommen."

Der Ball, so Hohn, liege nach wie vor bei den Nachbarn: "Einen Kompromiss werden wir bis zur Schmerzgrenze mittragen. Wenn hingegen ein Urteil kommt, werden wir das tun, was das Verwaltungsgericht entscheidet." Trotz ihrer einstigen Einordnung des Falls als "unzulässig", will die Stadt also eine endgültige Entscheidung dem Gericht überlassen.

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