Landshut: Auf den Hund gekommen

Hundewelpen sind so in Zeiten von Homeoffice & Co. gefragt wie noch nie - doch die Entwicklung ist nicht unkritisch zu sehen.
Ingmar Schweder
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Die AZ trifft Züchter Dominik Stangl mit seiner Tochter Aaliyah und der treuen Schäferhündin Hedda (6) bei einem Spaziergang. "Hunde brauchen von ihrem Wesen und Charakter her unterschiedlich viel Auslastung", sagt der Züchter.
Die AZ trifft Züchter Dominik Stangl mit seiner Tochter Aaliyah und der treuen Schäferhündin Hedda (6) bei einem Spaziergang. "Hunde brauchen von ihrem Wesen und Charakter her unterschiedlich viel Auslastung", sagt der Züchter. © Christine Vinçon

Landshut - Da war das Schäferstündchen passiert: Kaum hatten die zwei Herrchen ihre Hunde im Garten für einen Augenblick aus den Augen verloren, war die Hundedame schon gedeckt. Ein Unfall, der eine Menge Interessenten auf den Plan rief. Seitdem, so berichtet die Hundebesitzerin der AZ, steht das Telefon nicht mehr still: Hundewelpen sind derzeit gefragt wie selten zuvor.

Im Coronajahr 2020 sind viele aus dem Büro ins Homeoffice gewechselt - und deshalb auf den Hund gekommen. So hat sich kürzlich bei einer AZ-Anfrage ergeben, dass sich in München die Zahl der Neuanmeldungen mit über 3.000 Hunden im Coronajahr 2020 verdreifacht hat. Laut Münchens Stadtkämmerei, die die Hundesteuer eintreibt, wurden 2020 exakt 3.100 Hunde neu gemeldet. In den Jahren zuvor waren es "nur" rund 1.000 jährlich. Und das liegt - da sind sich alle einig - an Corona.

60 statt zehn Anfragen kommen auf einen jungen Hund

In der Stadt Landshut wächst der Hundebestand bereits seit 2013 kontinuierlich, berichtet Günter Götz vom Amt für Finanzen der Stadt Landshut. Der Zuwachs an Vierbeinern wird in Landshut aber weniger dem Homeoffice als vielmehr steigenden Einwohnerzahlen zugerechnet - noch zumindest.

In Landshut gibt es über 2.500 Hunde

Aktuell sind laut Götz in Landshut 2.594 Hunde angemeldet (Stand 20. Januar). 2018 kamen 356 und im Jahr 2019 gleich 419 neue Vierbeiner dazu. Abzüglich der Abmeldungen stieg der Bestand damit zwischen 70 und 90 Hunden pro Jahr in Landshut an. Im Coronajahr 2020 konnte die Kämmerei hingegen "nur" 315 neue Hunde in Landshut begrüßen, musste aber auch nur 243 abmelden, auch für Günter Götz eine kleine Überraschung: "Nach der ersten Coronawelle, sprich dem Lockdown, haben wir das auch anders vermutet." Die beliebtesten Rassen in der Stadt Landshut bleiben wenig überraschend der Mischling (905), gefolgt vom Labrador (98) und dem Chihuahua (94).

 

Doch die Zeit von Corona und Homeoffice - Stichwort Homeoffice-Pflicht - , ist noch lange nicht vorbei. Rund 40 neue Hunde sind bereits im Januar 2021 in Landshut neu angemeldet worden. Wie der erfahrene Züchter Dominik Stangl (37), ehemaliger Vorstand des Landshuter Schäferhundevereins, berichtet, ist die Sehnsucht nach jungen Hunden so groß wie nie zuvor. Die Entwicklungen auf dem Markt für Hunde betrachtet er jedoch mit wachsender Sorge: Statt zehn melden sich mittlerweile 60 Interessenten bei ihm, um einen seiner Schäferhunde zu ergattern. Da ist auch für den Züchter Vorsicht geboten. Stangl: "Das A und O bei der Abgabe eines Hundes ist, dass der Hund seinem Wesen nach den richtigen Platz zum Leben bekommt, ausgelastet ist und nicht vernachlässigt wird."

Alex Ziegler, Leiterin des Tierheims Heinzelwinkl, mit Nico: "Es muss jedem klar sein, dass ein Hund auch viel Zeit in Anspruch nimmt."
Alex Ziegler, Leiterin des Tierheims Heinzelwinkl, mit Nico: "Es muss jedem klar sein, dass ein Hund auch viel Zeit in Anspruch nimmt." © Alex Ziegler

 

Ein Blick ins Internet bestätigt Stangls Vermutung: Viele Züchter und Hobbyzüchter, aber auch Kriminelle, machen sich die Nachfrage auf junge Hunde zunutze. Alex Ziegler (43), Leiterin des Tierheims Heinzelwinkl, spricht von einem Teufelskreis. Während die Nachfrage so groß ist, dass Züchtern ihre Hunde aus den Händen gerissen werden und der Preisanstieg den nicht nur von Tierschützern stark kritisierten Billighandel im Internet stärkt, bleiben in den lokalen Tierheim oft nur die "Problemfälle" übrig. Ziegler betreut mit ihrem Team derzeit 16 Hunde, die laut der Tierheimleiterin alle kleine "Macken" haben, sprich, in jungen Jahren nicht richtig sozialisiert wurden. "Da ist eine Vermittlung nicht einfach", sagt Ziegler.

Unterschiedliche Preise: Was kostet ein Hund?

Was für verrückte Dinge auf dem Markt für Hunde passieren, kann Hundetrainerin Monika Westermaier-Weiß (34) berichten. "Ich weiß von einem Mischlingswelpen, der nicht einmal aus einer renommierten Zucht kommt, für den 2.800 Euro auf den Tisch gelegt wurden. Auch für Labradore werden mittlerweile Preise zwischen 1.500 bis 2.000 Euro aufgerufen", sagt sie. Zum Vergleich: Bei Züchter Dominik Stangl, der den Preiswahnsinn aus genannten Gründen nicht mitmacht, kostet ein Schäferhundjunges marktgerechte 1.200 Euro.

Züchter Stangl hat bereits eine Großzucht für Hunde in Serbien besichtigt. Erfreuliches gibt es nicht zu berichten. "Die Zucht ist nur auf den Gewinn ausgelegt. Auf die Gesundheit der Tiere wird nicht geachtet." Dass illegal eingeführte Tiere oft gesundheitliche Probleme haben, kann Ziegler vom Tierheim bestätigen. "Die Letzten, die bei uns abgegeben wurden, sind krank gewesen und uns in den Händen weggestorben. Es war furchtbar mit anzuschauen."

Dass sich nach Corona und Homeoffice die Tierheime vermehrt wieder füllen, wenn Halter feststellen, dass sie doch keine Zeit haben, wird in Heinzelwinkl befürchtet. Ziegler: "Man darf nicht unterschätzen, wie viel Zeit man in einen Hund investieren muss."

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Das Leben mit einem Vierbeiner bietet zwar viele Vorteile, die Entscheidung für einen Hund sollte jedoch sehr gut und nie spontan getroffen werden, sagen deshalb auch Züchter Stangl und Hundetrainerin Monika Westermaier-Weiß.

Beide raten vor allem neuen und unerfahrenen Hundehaltern, den Zeit- und Kostenaufwand, der auf sie zukommt, nicht zu unterschätzen und sich vor der Anschaffung gut zu informieren. Stangl: "Es gibt gute Hundeschulen, aber auch Vereine sind in der Hundeausbildung führend und hervorragende Ansprechpartner."

Vor allem mit jungen Hunden sei es ratsam, eine Hundeschule zu besuchen, um die Vierbeiner zu sozialisieren und präventiv auf Verhaltensauffälligkeiten einwirken zu können. Das Problem: Hundeschulen haben derzeit in Bayern coronabedingt geschlossen, eine Betreuung vor Ort - auch im Einzelunterricht - ist nicht erlaubt. Stattdessen bieten Hundeschulen Onlinekurse und Telefonberatungen an.

Zwar ersetzten die Angebote nicht den direkten Kontakt und den Austausch mit anderen Hundehaltern in der Gruppe: "Dennoch sind Hundebesitzer nicht ganz auf sich alleingestellt", sagt Westermaier-Weiß.

"Das Wichtigste bei der Auswahl sind Charakter und Gesundheit"

Wer sich also einen jungen Hund anschafft, sollte viel Zeit einplanen. Mit dreimal täglich Gassigehen ist es nämlich nicht getan. Kurse in einer Hundeschule, sofern wieder verfügbar, finden in der Regel einmal die Woche statt. Westermaier-Weiß: "Danach geht es für Hundebesitzer darum, das Erlernte im Alltag umzusetzen. Das ist ganz entscheidend."

Bis ein Hund erwachsen ist, dauert es in der Regel zwei bis drei Jahre. Hunde brauchen jedoch auch im Erwachsenenalter rund zwei Stunden aktive Beschäftigung und Ansprache täglich. Westermaier-Weiß: "Hunde möchten ein Mitglied der Familie sein und involviert werden - und nicht aufs Abstellgleis geraten."

Hundetrainerin Monika Westermaier-Weiß: "Die Sozialisierung eines Hundes bereits im Welpenalter ist enorm wichtig."
Hundetrainerin Monika Westermaier-Weiß: "Die Sozialisierung eines Hundes bereits im Welpenalter ist enorm wichtig." © Monika Westermaier-Weiß

Die Kosten, die man bei einem Besuch in der Hundeschule einplanen muss, sind unterschiedlich und liegen bei rund 180 Euro für einen Gruppenkurs. Einzelunterricht ist teurer: Eine Stunde mit einem Hundetrainer kann zwischen 60 und 100 Euro kosten.

Weitere Kosten, die eingeplant werden sollten, fallen für Hundesteuer, Versicherung, Futter, Ausstattung, Wurmkur, Impfungen und den Tierarzt an. Stangl: "Mit einem Budget von 200 Euro muss man rechnen." Vor allem im Krankheitsfall könnten schnell hohe OP-Kosten entstehen.

Entscheidet man sich doch für einen Hund, sei das Wichtigste bei der Auswahl der Charakter und die Gesundheit des Tiers. "Hund und Halter müssen zu einander passen. Der Hund muss bei seinem Besitzer seiner Rasse entsprechend ausgelastet sein, dann entwickelt er ein ausgeglichenes Wesen. Man darf nie vergessen: Mein Hund ist mein bester Freund - und dem soll es immer gut gehen." Dann steht auch dem Hundeglück nichts mehr im Wege.

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2 Kommentare
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  • MadridistaMUC am 30.01.2021 10:50 Uhr / Bewertung:

    In München fällt es extrem auf. An der Isar habe ich noch nie so viele Hunde gesehen wie seit einem Jahr. Die Leute werden sich aber noch gewaltig umsehen, wenn der Hund mal ins Flegelalter kommt und man plötzlich Kurzarbeit und Home Office vorbei sind. Leidtragende sind die Hunde.
    Die Hundesteuer sollte sofort auf 200 Euro erhöht werden. Mit Pflicht zum Hundeführerschein.

  • SL am 01.02.2021 19:49 Uhr / Bewertung:
    Antwort auf Kommentar von MadridistaMUC

    Ich befürchte vor allem, dass Hunde ausgesetzt werden, wenn die Leute wieder in Urlaub fahren.

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