Kirchenaustritte in Landshut: Glaube auf dem Prüfstand

2020 sind in Landshut weniger Menschen aus der Kirche ausgetreten. Ausbremsen konnte die Pandemie den Mitgliederschwund jedoch nicht.
von  Ingmar Schweder
Im Coronajahr 2020 sind wieder 576 Landshuter aus der Kirche ausgetreten.
Im Coronajahr 2020 sind wieder 576 Landshuter aus der Kirche ausgetreten. © Ingo Wagner/dpa

Landshut - Ablehnende Haltung gegenüber gleichgeschlechtlicher Liebe und Ehe, die späte oder mangelhafte Aufarbeitung von Missbrauchsfällen, der fehlende Glaube oder einfach die gesparte Kirchensteuer: Gründe für einen Kirchenaustritt können vielfältig sein.

Wegen Pandemie weniger Landshuter aus Kirche ausgetreten

Auch im Coronajahr 2020 sind wieder 576 Landshuter aus der Kirche ausgetreten, darunter 68 Prozent römisch-katholischer und 32 Prozent evangelischer Glaubensrichtung. Laut des Statistischen Jahresberichts 2019 lebten zuletzt in der Stadt Landshut 36.790 Katholiken und 7.456 Menschen evangelischen Glaubens. Trotz oder gerade wegen der Pandemie sind die Austrittszahlen im Vergleich zum Vorjahr in Landshut jedoch etwas gesunken.

Ausbremsen konnte die Pandemie den Mitgliederschwund der Kirchen jedoch nicht, auch wenn das Standesamt der Stadt Landshut auf Anfrage mitteilt, dass im Jahr 2019 noch 637 Landshuter der Kirche den Rücken gekehrt haben. Das Jahr 2019 ging bundesweit als Rekordjahr in Sachen Kirchenaustritte ein. Allein aus dem Vergleich zu Großstädten wie München oder Augsburg lässt sich für die Landshuter in stürmischen Coronazeiten noch eine gewisse Festigkeit im Glauben erkennen.

Im Gegensatz zu München noch Termine beim Standesamt frei

Müssen beispielsweise Münchner aktuell auf einen Termin beim Standesamt für ihren Kirchenaustritt über drei Monate warten, da dort alle Termine restlos vergeben sind, würde man in Landshut innerhalb einer Woche einen Austrittstermin bekommen. Dass die Standesämter in Zeiten der Pandemie insgesamt weniger oder kürzer geöffnet hatten als sonst, spricht also eher für die Landshuter. Dagegen spricht aber, dass dieses Jahr (bis Stand 20. April) bereits 206 weitere Katholiken und Menschen evangelischen Glaubens ihren Kirchenaustritt amtlich gemacht haben.

Die genauen Gründe für den Kirchenaustritt werden in der Regel jedoch nicht genannt, berichtet Rupert Stopfer vom Landshuter Standesamt. Mit demselben Problem wird auch Stiftspropst Monsignore Franz Joseph Baur regelmäßig konfrontiert. Steht ein Austritt eines katholischen Kirchenmitglieds an, versendet Baur zeitnah den offiziellen Austrittsbrief, dessen verbindliche Zeilen auf einer Bischofskonferenz vor ein paar Jahren festgelegt wurden - in leicht abgewandelter Form.

Finanzielle Lage meist kein gewichtiger Punkt für Kirchenaustritt

Baur: "Ich erkundige mich in ehrlicher Weise nach den Gründen und bedanke mich für das bisher Geleistete. Auf das Schreiben bekomme ich aber sehr selten eine Antwort, meist nur von Menschen, denen wirklich etwas daran liegt. Das ist für uns dann sehr hilfreich." Ein Austrittsgrund, den Baur nie zu hören bekommt, liegt in der finanziellen Lage der Menschen. "Obwohl ich mir vorstellen kann, dass das bei vielen einen gewichtigen Grund darstellt."

Neben dem monetären Aspekt sieht Baur als zweiten und dritten großen Faktor mangelnden Glauben an das Credo der Kirche und Reizthemen. "Wenn jemand zu mir kommt und sagt, die Kirche hat keine Bedeutung oder Relevanz für mich, ich identifiziere mich damit nicht, dann sind das ehrliche und befreiende Gespräche", sagt Baur, der für diese Haltung Verständnis zeigt. "Es überrascht mich zumindest nicht. Es ist der Trend seit der Säkularisierung der Kirche. Da ist die Richtung irgendwie klar."

Austrittszahlen nehmen zu: Imageproblem der Kirche

Dass die Kirche auch mit massiven Imageproblemen zu kämpfen hat, bestreitet Baur nicht. "Wer würde heute öffentlich noch sagen, das Priesterzölibat ist die Kraftquelle und das Rückgrat der katholischen Kirche, mit der sie sich über die Jahrhunderte wacker gehalten hat? Damit lässt sich kein Blumentopf mehr gewinnen." Zudem - und das sei ebenfalls ein Trend - seien die Menschen heutzutage sehr schnell dabei, schlecht über die Kirche zu reden. "Vieles stimmt. Aber unabhängig davon, ob etwas stimmt oder nicht, sind Menschen schnell bereit, Schlechtes zu glauben. Das wiegt dann auch schwerer, als etwas Positives, Erfüllendes und Sinnvolles in der Kirche zu erkennen."

Die evangelische Dekanin Nina Lubomierski sagt, dass die Austritte ein herber Verlust für die Kirche seien - für ihre Mitarbeitenden und alle, die sich in der Kirche engagieren und selbst Kraft und Stärkung aus dem christlichen Glauben ziehen. "Die evangelisch-lutherische Kirche wurde meines Erachtens in der Pandemie als stärkende und verlässliche Institution wahrgenommen." Man habe versucht, auch in der Pandemie so nah wie möglich bei den Menschen zu bleiben. Für die Kirche in Landshut sei das Jahr 2020 die größte Herausforderung gewesen, die seelsorgliche Begleitung der Kranken, Alten und Sterbenden zu gewährleisten.

Neu geschaffene Online-Gottesdienste erreichen viele Menschen

Lubomierski: "Kontaktverbote und -beschränkungen, die der Eindämmung der Pandemie dienten, beeinträchtigten in den Alten- und Pflegeheimen die Zusprache für Trost- und Hilfesuchende. Unsere Pfarrer in der Krankenhausseelsorge waren besonders gefordert, diejenigen Kranken, die unter den Besuchsverboten für Angehörige, Einsamkeit und Ängsten litten, seelsorglich aufzufangen."Trotz der Anstrengungen habe sich in der Pandemie vieles zum Positiven entwickelt.

Durch strenge Hygienemaßnahmen konnten zwar nur pandemiegerechte Gottesdienste gefeiert werden. "Andererseits erreichen wir mit den zahlreichen neu geschaffenen Online-Gottesdiensten und Kirchenmusikangeboten viele, auch der Kirche fernstehende, Menschen. Auch neue Formate, wie der ökumenische Gottesdienst im Prantlgarten an Heiligabend, sind entstanden und erfreuten sich großen Zuspruchs."

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