Haarschnitte für Obdachlose: Der Verein Berberhilfe hilft in Landshut

Landshut - Franz* lehnt sich behaglich zurück. An seinen Füßen schneidet eine junge Dame Nägel und Hornhaut weg, während er erzählt. Der stämmige Mann hat als ehemaliger Bundeswehrsoldat viel erlebt; etwa in Afghanistan: Kinder, die mit Handgranaten spielten, zerfetzte Körper - "solche Bilder vergisst man nicht", sagt er, "die sehe ich jede Nacht vor mir".
Vielleicht ist dieses Trauma ein Grund, warum es Franz nicht mehr gelang, im bürgerlichen Leben Fuß zu fassen. Am Samstag war er Kunde bei der von der Berberhilfe veranstalteten gratis Friseur- und Fußpflegeaktion. Zwei Friseurinnen und eine Fußpflegerin hatten zwischen 12 und 15.30 Uhr alle Hände voll zu tun.
Vor dem Zentrum des Vereins Berberhilfe an der Klötzlmüllerstraße 37 fanden sich viele ein, denen man das Leben auf der Straße und unter widrigen Umständen ansieht. Franz bekam zur Fußpflege noch neue Wollsocken verpasst. Er strahlte, obwohl ihm das Gehen schwer fällt, und er sich auf einen Rollator stützen musste, als er den Raum verließ. Da wartete bereits der nächste Klient der Berberhilfe.
Astrid Kindsmüller, Vorsitzende des Vereins Berberhilfe, achtete darauf, dass jeder sich Temperatur messen und desinfizieren ließ. Während die Friseuraktion schon einmal stattgefunden hatte, wurde am Samstag das erste Mal auch Fußpflege angeboten. "Künftig planen wir alle vier Wochen Friseurtermine so alle sechs bis acht Wochen Fußpflege", sagte Kindsmüller.
Corona-Pandemie bereitet auch der Berberhilfe Probleme
Von den Klienten der Berberhilfe, die sie zumeist schon seit Jahren kennt, würde das Angebot sehr gut angenommen. Die Corona-Pandemie bereitet aber Probleme: Die Küche, in der sonst kostenlose Speisen an die draußen Wartenden ausgegeben werden, war am Samstag bereits geschlossen. Und der Kellerraum, in dem die Pflegeaktion stattfand, sollte eigentlich zum Aufenthaltsraum umgestaltet werden, doch auch das ist wegen der Beschränkung von Personenzahlen nicht möglich.
Mittwochs und samstags ist regelmäßig Lebensmittelausgabe an der Klötzlmüllerstraße. "Wöchentlich versorgen wir etwa 145 Menschen", sagt die Vereinsvorsitzende. Wer nicht in der Lage ist, selbst zu kommen, werde beliefert. Registriert seien bis zu 440 Leute. Obdachlose, Wohnungslose, die irgendwo untergekommen sind, sozial Schwache, Rentner - es würden immer mehr und jetzt kämen viele hinzu, die wegen der Pandemie ihren Job verloren haben. "Aktuell verlieren viele dann auch ihre Wohnung", sagt Kindsmüller.
Der Flachdachbau an der Klötzlmüllerstraße ist eine soziale Anlaufstelle geworden. Die Berberhilfe gibt es seit 2015. Für Astrid Kindsmüller wurde sie zu einer Lebensaufgabe: "Als mein Vater gestorben ist, den ich gepflegt hatte, bin ich ein dunkles Loch gefallen", berichtet die heutige Vereinsvorsitzende. Weil sie "schon immer ein Helfersyndrom hatte", kam sie zur Berberhilfe. 2017 wurde schließlich der Verein gegründet.
Auch die Anwohner spenden viel
Die monatliche Miete von rund 1.200 Euro und alle sonstigen Kosten werden ausschließlich von Sponsoren, Mitgliedsbeiträgen und Spenden finanziert. Der größte Raum wurde zu einem Lebensmittelladen umfunktioniert. Samstags werden in der Regel auch Winterkleidung und Schlafsäcke ausgegeben. Dank der großen Spendenbereitschaft ist das Lager voll; Schuhe und Kleidung stapeln sich.
Die Nachbarn in diesem Wohngebiet haben sich mittlerweile an die Einrichtung gewöhnt, vor der sich regelmäßig Männer und Frauen versammeln, um zu warten, bis sie an der Reihe sind. Von den Anwohnern werde auch viel gespendet, erzählt Astrid Kindsmüller. Gerade habe jemand, der nun wieder eine Wohnung gefunden habe, einen Elektroherd bekommen.
Die Berberhilfe bietet ein "Rundumpaket" zur Versorgung Bedürftiger an. "Wir bringen die Leute auch zu Ärzten oder Gerichtsverhandlungen, gehen mit zu Ämtern, wo es nötig ist." Vielen der Klienten im Alter von 18 bis 83 Jahren, fehle es an Selbstbewusstsein, solche Termine auf eigene Faust wahrzunehmen. Es gebe aber auch viele Erfolge: "Wir haben beispielsweise zwei ehemalige Klienten, die es geschafft haben und jetzt Mitglied bei uns sind und anderen helfen", erzählt Kindsmüller. Und einem Mann, der geraume Zeit im Wald gelebt habe, habe man gerade zu einer menschenwürdigen Unterkunft verhelfen können. "Manche brauchen erst einen Anstoß."
*Name geändert