"Gehen Sie auf die Suche nach Ihrer Schöpfungskraft!"

Sie hat schon viele Keramiker am Landshuter Marienplatz ausgebildet. Annette Ody ist eine Frau, die seit Jahren ein Händchen für die Kunst hat
Bernd Wackerbauer |
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Annette Ody mit ihrem Hund Lotta im Atelier in der Keramikschule. Diesen Platz liebt sie sehr.
Bernd Wackerbauer Annette Ody mit ihrem Hund Lotta im Atelier in der Keramikschule. Diesen Platz liebt sie sehr.

Landshut - Annette Ody (67) ist Fachschuldirektorin der Keramikschule Landshut. Mit der Landshuter AZ sprach sie über ihren Lieblingsplatz, und warum die Frage "Was bringt mir das?" nichts bringt. Hund Lotta (11) machte im Hintergrund derweil ein Nickerchen.

AZ: Frau Ody, wollen Sie uns etwas über Ihren Werdegang erzählen?

ANNETTE ODY: Ich bin in einer Künstlerfamilie in Bremen aufgewachsen. Mein Vater war Bildhauer. Bei uns im Haus sind stets Künstler ein- und ausgegangen. Meine Mutter war Schneiderin, sie hat Haute Couture genäht. Es war ein buntes und turbulentes Leben daheim. Ich war 14, beziehungsweise 16 Jahre, als meine Eltern verstarben - ab dann war ich auf mich selber gestellt. Mit 17 habe ich ein Freiwilliges Soziales Jahr im Krankenhaus gemacht. Diese Jahre prägten mich für mein Leben und deshalb nehme ich vielleicht heute Vieles nicht so ernst - denn die wirkliche Ernsthaftigkeit, die das Leben ausmacht, die habe ich doch sehr früh kennenlernen müssen.

Und wie kamen Sie zur Keramik?

Mit 18 habe ich mir eine Lehrstelle in der Keramik gesucht. Das schien mir eine gute Brücke zur Bildhauerei zu sein, auch als Vorbereitung für das Studium. Hier an der Keramikschule Landshut habe ich meinen Gesellenabschluss gemacht.

Wie ging es dann weiter?

Ich war sehr designinteressiert und nachdem ich einen Artikel über Luigi Colani gelesen hatte, schrieb ich ihm einen Brief, dass ich gerne bei ihm arbeiten würde. Einige Tage später kam ein Telegramm in die Schule, in dem er schrieb, dass ich mich sofort bei ihm vorstellen sollte. So bin ich dann in das Team von Colani im Schloss Harkotten gekommen. Ich konnte mir da eine Keramik-Werkstatt einrichten. Ich habe Prototypen für Villeroy & Boch und Rosenthal hergestellt.

Sie schätzen Colani?

Ich halte Colani für einen der kreativsten Köpfe, die in Deutschland leben. Aber die Deutschen schätzen ihn leider viel zu wenig. Er ist ein Genie! Später habe ich in einer Bau-Keramik-Werkstatt gearbeitet. Zu der Zeit habe ich meinen damaligen Mann kennengelernt, habe geheiratet und mich mit einer kleinen Töpferei 1975 in Witten selbstständig gemacht. Innerhalb von fünf Jahren hatte ich 25 Mitarbeiter, es lief sehr gut. 1989 fielen die Umsätze, wir verkleinerten uns und ich habe mich neu orientiert.

Ging es ab dann in eine neue Richtung?

Ich habe dann Kunst und Literaturwissenschaften studiert und nebenbei in einer Werbeagentur gejobbt. Auch für Colani habe ich noch ab und an gearbeitet. Dann habe ich noch eine Ausbildung als Soziotherapeutin gemacht. Ich hab immer Spaß am Lern-Leben gehabt. Aber irgendwann muss man dieses Lern-Leben auch anwenden. Ich war zum Beispiel in der Denkmalberatung tätig und kunsttherapeutisch in der Psychotherapie mit Tinnitus-Patienten. Ich habe ein paar Jahre lang als Kunsterzieherin in einem Internat gearbeitet. Dort habe ich viel gelernt - auch wie man eine Schule leitet.

Wie kam es, dass Sie wieder zurück nach Landshut gekommen sind?

Die Stelle hier in Landshut wurde frei. Seit 2006 bin ich jetzt Fachschulrektorin an der Keramikschule. Ich liebe diese Schule. Sie ist viel mehr als eine Schule: Hier wird man im Handwerklichen ebenso geschult wie in der Wertebildung. Wertebildung, das heißt, sein eigenes Verhalten zu bilden. Heute fragen ja alle immer: "Was bringt mir das?" Das ist ein fürchterlicher Satz. Es geht doch darum, dass ich Gestalter darin bin, wie ich mit anderen umgehe. Das hat ganz viel mit Gestaltung und Ästhetik zu tun. Das versuchen wir zu bilden.

Warum ist das Atelier der Keramikschule Ihr Lieblingsplatz?

Das Atelier der Keramikschule habe ich von Anfang an für meine Arbeiten verwendet. Dann haben die Schüler gefragt, ob sie dazu kommen können. Das war wunderbar - es ist ein Ort kreativer Freiheit und künstlerischer Entwicklungsmöglichkeit geworden. Weil der Ort es den Schülern ermöglicht, sich unabhängig von schulischen Zwängen zu entwickeln. Der gestalterische und schöpferische Geist lässt sich nicht in das Korsett eines Schulplans zwängen.

Schüler und auch Externe können hier ihre eigene kreative Geschwindigkeit entwickeln und auf die Suche nach der eigenen gestalterischen Sprache gehen. Mit der Kunst oder der Schöpfungskraft ist es doch so: Je mehr Sie sich dem hingeben, desto mehr kommt zurück. Das ist das Konzept des Ateliers. Alles was dort passiert, wird in der Schule ausgehängt. Es blüht dann.

Wie oft sind Sie hier im Atelier?

Im Atelier haben wir zwei Termine für Schüler und Externe, darunter sind einige echte Naturbegabungen. Die muss ich schützen. Es macht auch etwas mit den Schülern, wenn sie solche Werke sehen. In ihnen liegt eine gestalterische Wahrheit, die alle anderen motiviert.

Gefällt Ihnen hier besonders der Raum?

Es geht nicht um das Atelier als solches. Meine Lieblingsorte sind eher die "immateriellen Orte" im Atelier, wenn ich merke, dass die Schüler sich und ihre Schöpfungskraft entdecken. Dann spüre ich: Es hat einen Sinn, dass ich lebe. Denn ich kann daran mitwirken, dass die Schüler sich auf diese Art entwickeln können. Je mehr immaterielle Orte es gibt im Atelier, desto lieber ist mir der Ort.

Haben Sie einen Tipp für die Leser der Landshuter Abendzeitung?

Gehen Sie auf die Suche nach Ihrer Schöpfungskraft! Nutzen Sie die Medien zweckmäßig, aber nicht anstelle Ihrer individuellen Entwicklung. Gehen Sie mehr in Ausstellungen und Museen, um Ihre Werte nicht zu verlieren. Mir ist es wichtig, jeden für das Material Keramik zu sensibilisieren. Denn jeder - und da bin ich mit Beuys einer Meinung - hat gestalterische Fähigkeiten.

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