Erneutes Urteil: Elf Patientinnen sexuell missbraucht

Ein 46-Jähriger nutzt das Vertrauensverhältnis seiner Patientinnen in seiner Praxis aus. Er soll elf Frauen missbraucht haben. Jetzt hat sich seine Freiheitsstrafe erhöht – Berufsverbot bleibt.
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Aufgrund der Berichterstattung haben sich vier weitere betroffene Frauen gemeldet. Nun hat sich die Freiheitsstrafe gegen den Physiotherapeuten erhöht.
Aufgrund der Berichterstattung haben sich vier weitere betroffene Frauen gemeldet. Nun hat sich die Freiheitsstrafe gegen den Physiotherapeuten erhöht. © dpa

Der Zwang war offensichtlich stärker. Trotz einer vorübergehenden Inhaftierung nach einer ersten Anzeige verging sich der Physiotherapeut nur einen Monat später in seiner Praxis im Landkreis Dingolfing-Landau erneut an einer Patientin.

Die vierte Strafkammer des Landgerichts hatte den 46-Jährigen im März 2016 wegen sexuellen Missbrauchs in fünf Fällen unter Ausnutzung eines Behandlungsverhältnisses zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und neun Monaten verurteilt. Nachdem sich aufgrund der damaligen Berichterstattung in den Medien vier weitere Betroffene gemeldet hatten, ist es gestern vor dem Landgericht zu einem Nachspiel gekommen: Die sechste Strafkammer sah nach der Beweisaufnahme einen weiteren sexuellen Missbrauch als erwiesen an und erhöhte die Freiheitsstrafe auf drei Jahre und sechs Monate. Ein Berufsverbot für weibliche Patienten von fünf Jahren bleibt aufrechterhalten.

Das jüngste Opfer war erst zwölf Jahre alt 

"Die Bandbreite war groß", kommentierte Vorsitzender Richter Ralph Reiter in der Urteilsbegründung das Auswahlverhalten des gebürtigen Landshuters bezüglich seiner Opfer. Der Angeklagte habe sich die Frauen willkürlich ausgesucht, so Reiter. Die jüngste war zur Tatzeit zwölf Jahre alt.

Wie der ermittelnde Beamte vor Gericht sagte, war es aber ausgerechnet das Mädchen, das sich am deutlichsten zur Wehr gesetzt habe. Was den Angeklagten bewogen hat, sich unter Ausnutzung eines besonderen Vertrauensverhältnisses an seinen Patientinnen zu vergehen, blieb ungeklärt: Er legte über seinen Verteidiger Jörg Meyer erneut ein Geständnis ab, ließ sich von diesem auch bei der 47-jährigen Geschädigten entschuldigen. Ansonsten aber schwieg er. Wie Verteidiger Meyer erklärte, hat der 46-Jährige in Haft bereits eine Sexualtherapie durchgeführt.

Auch die meisten der missbrauchten Patientinnen hatten aus Scham und Unsicherheit über mögliche therapeutische Maßnahmen zunächst über das geschwiegen, was ihnen in der Praxis widerfahren war. Die 47-jährige Arbeiterin, deren Missbrauch gestern Gegenstand des Verfahrens war, wollte ebenfalls aus Scham "alles wegschweigen". Doch die Angst, ihrer Tochter, die ebenfalls bei dem Therapeuten in Behandlung gewesen sei, könne Ähnliches passiert sein, habe dazu geführt, dass sie mit dieser gesprochen habe. Die Tochter habe von "komischen Massagen" gesprochen und sie las in der Zeitung von der Verurteilung des Mannes, dann erstattete sie ebenfalls Anzeige.

Die Tochter sprach von komischen Massagen – dann folgte die Anzeige

Der von Staatsanwalt Gerald Siegl vertretenen Anklage zufolge hatte sich die 47-Jährige zur Behandlung starker Kopfschmerzen nach einer Gehirnblutung am 16. März 2015 erstmals in die Praxisräume des Physiotherapeuten begeben. Beim Folgetermin am 19. März steckte der Mann während einer Kopfmassage seine Zunge in die Ohrmuschel seiner Patientin. Dann begrapschte er sie an den Brüsten, küsste sie immer wieder. Er entblößte sein Geschlechtsteil und versuchte, die Hand der 47-Jährigen an seinen erigierten Penis zu führen. Zugleich steckte er laut Anklage "jeweils mindestens einen Finger" seiner anderen Hand sowohl in die Scheide als auch in den After der Geschädigten. Dabei musste der Mann zu keiner Zeit Gewalt anwenden: Die 47-Jährige ließ den sexuellen Übergriff über sich ergehen. Dem ermittelnden Beamten gegenüber sagte die 47-Jährige später, sie sei "wie zu einer Salzsäure erstarrt" gewesen.

Die Geschädigte sei ihm während der Befragung "schwer traumatisiert" vorgekommen, so der Zeuge. Ein Arztbericht von 2016 attestierte eine posttraumatische Belastungsstörung sowie Magersucht. Heute noch ist die 47-Jährige in psychologischer Behandlung. Sie sagt: "Ich wache nachts immer noch auf und höre sein Stöhnen neben mir." Wie viele Patientinnen tatsächlich von dem Physiotherapeuten in seiner Praxis missbraucht worden sind? Die Beteiligten des Prozesses kamen auf elf Geschädigte.

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