Ein Landshuter Postbote geht in Rente

Als Postbote gehört Suchen zum Beruf: Wolfgang Münzberger ist 65 und jetzt in Rente – ein kleiner Nachruf.
Christina Werner |
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Für einen Plausch ist immer Zeit: „Wolfi ist einfach ganz Guter und zwischen uns ist eine grundehrliche Freundschaft entstanden“, sagt Ina Spornraft.
cw Für einen Plausch ist immer Zeit: „Wolfi ist einfach ganz Guter und zwischen uns ist eine grundehrliche Freundschaft entstanden“, sagt Ina Spornraft.

"Für Josef Maier* in der Kirchgasse hinter der Martinskirche, fünftes Haus zweiter Stock", stand einmal auf einem Brief, der bei Postbote Wolfgang Münzberger in der Zustellbox gelandet ist. "Da muss ich schon erst mal schmunzeln", sagt der 65-Jährige.

Trotz der recht vagen Beschreibung wusste Münzberger sofort, wer gesucht war. Zielsicher stellte er den Brief zu, so wie er es seit 15 Jahren tut. "Früher, als die Weihnachtskarten einzeln gekommen sind, da hatten wir behälterweise Karten mit falschen Straßen oder Postleitzahlen. Da musste man richtig suchen." Auch Angaben wie "Bitte in dem Haus gegenüber vom Schmuckgeschäft Schiessl einwerfen" standen da auf den Briefen. "Einmal war auch ein Brief an die liebe Lieselotte in der Spiegelgasse dabei." Das Problem: Der Nachname fehlte. "Ein neuer Postbote hätte wahrscheinlich den Brief einfach zurückgeschickt, aber ich wusste ganz genau, welcher der insgesamt 14 Briefkästen vor Ort einer Lieselotte gehörte", sagt Münzberger und grinst stolz. "Man kennt einfach alle seine Pappenheimer."

Vom Bürojob bei der Post raus zum Kunden vor Ort

13 Jahre war Münzberger in der Altstadt der Postbote. Vor 15 Jahren hatte er mit dem Ausfahren der Post angefangen. "Ich habe zuerst im Büro im Mittleren Dienst gearbeitet." Als man die Niederlassungen Landshut und Freising zusammengelegt hat, wurde jedoch seine Abteilung aufgelöst. "Zuerst wollten sie mich ins Briefzentrum stecken, aber das wollte ich nicht. Für mich war klar, dass ich Zusteller werde und raus zu den Kunden will." Die Kollegen verstanden zuerst nicht, wie man vom Mittleren Dienst plötzlich zum Zustellen gehen kann. Aber niemand konnte Münzberger von seinen Plänen abbringen. "Und das war die beste Entscheidung, die ich getroffen habe", sagt der heute 65-Jährige. "An meinem 50. Geburtstag war ich das erste Mal allein als Postbote unterwegs. Das werde ich nie vergessen. Da habe ich um 5 Uhr morgens angefangen und um 17.30 Uhr bin ich wieder zu Hause gewesen." Zwar kannte Münzberger alle Abläufe in der Theorie. In der Praxis sei das Zustellen aber ein richtiger Hochleistungssport.

Von der Ussar-Villa bis zur Metzgerei Axthaler in der Inneren Münchner Straße – das war das Revier des Post boten. Geht man mit Münzberger durch die Gassen, wird er alle paar Meter aufgehalten. "Ja, Wolfi. Wie geht’s dir denn ?", fragt eine Frau, als sie ihn in der Altstadt auf dem Radl sieht."Hallo Frau Heim. Sehr gut, vielen Dank und Ihnen ?", antwortet Münzberger, der zu jedem Gesicht gleich den Namen parat hat. Trotz der vollbepackten Kisten, ein Ratsch ist immer drin. "Das Lustige ist ja, dass ich eigentlich bekannt bin wie ein bunter Hund. Sobald ich aber in zivil in der Stadt unterwegs bin, kennen mich mache nicht mehr oder wissen nicht mehr, wo sie mich zuordnen müssen." Das größte Kompliment, das ihm jemals gemacht wurde, kam von Franz Spornraft. "Der hat mal zu mir gesagt ‚Du lebst den Postboten !‘" Und beobachtet man den 65- Jährigen, dann ist das kein Kompliment, sondern die reine Tatsache.

Ein Ratsch ist eigentlich immer drin

Obwohl die Postkarten mit den falschen Hausnummern oder Postleitzahlen weniger wurden, weil die Leute immer weniger Briefe und Karten schreiben, musste sich Münzberger trotzdem hin und wieder auf die Suche nach einem Empfänger machen. "Manchmal ist auf dem Brief nur der Name eines Mitarbeiters angegeben, aber nicht das Unternehmen selbst. Da fragt man sich dann einfach bei den Geschäften durch. Das kann manchmal dauern. Aber gefunden habe ich bisher fast jeden noch."

Eine knifflige Aufgabe für den Postboten war es auch, wenn Familie Schmidt in der Spiegelgasse einen Brief bekommt, aber keine Hausnummer angegeben war. "In der Spiegelgasse gibt es nämlich fünf Häuser, in denen drei Mal eine Familie Schmidt wohnt. Da weiß man nicht, wer die richtige Familie ist und muss sich eben bei allen drei Schmidts durchfragen."

Besonders gute Laune hat Münzberger, wenn er am Ende seiner Tour bei Blumen Spornraft vorbeikommt. "Wir verstehen uns so gut, dass sich inzwischen eine echte Freundschaft entwickelt hat." Am Ende seiner Route durch die Stadt nahm Münzberger dann oft auf einem Stuhl im Hinterzimmer des Blumengeschäfts Platz und hielt einen Plausch. "Wolfi ist einfach ganz Guter und zwischen uns ist eine grundehrliche Freundschaft entstanden", sagt Ina Spornraft. "Jetzt hoffen wir, dass wir auch einen netten neuen Postboten bekommen."

Denn Münzberger ist am Ostersonntag in Rente gegangen. "Es ist gar nicht so leicht für mich, weil ich meine Arbeit wirklich liebe", sagt der 65- Jährige. "Vielleicht arbeite ich noch ein paar Stunden als Postbote, damit mir der Übergang nicht so schwerfällt." Die Kunden würde es freuen. „Denn wenn Wolfi mit einem dicken Grinsen ins Geschäft kommt, weiß ich, dass mein Mann wieder einen Strafzettel zugestellt bekommt", sagt Spornraft, die Münzberger noch zum Abschied schnell ein noch Busserl aufdrückt.

* Name von der Redaktion geändert

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