KZ-Arzt – nach dem Krieg holte ihn die CIA

Professor Kurt Blome war im Dritten Reich maßgeblich an Menschenversuchen beteiligt. Er kooperierte mit dem US-Geheimdienst. Lohn dafür: ein Freispruch und ein fragwürdiger Job
von  Abendzeitung
US-Vizepräsident Richard „Dick“ Cheney.
US-Vizepräsident Richard „Dick“ Cheney. © dpa

Professor Kurt Blome war im Dritten Reich maßgeblich an Menschenversuchen beteiligt. Er kooperierte mit dem US-Geheimdienst. Lohn dafür: ein Freispruch und ein fragwürdiger Job

NÜRNBERG Professor Kurt Blome gehörte zu jenen zwielichtigen Funktionären der NS-Zeit, die die strafrechtliche Aufarbeitung des verbrecherischen Regimes ohne jeglichen Flecken auf ihrer nur bedingt weißen Weste überstanden. Sein Freispruch bei den Nürnberger Prozessen war ein erstaunlicher Vorgang. Immerhin war Blome maßgeblich an entsetzlichen Menschenversuchen beteiligt, die unter dem Deckmantel wissenschaftlicher Forschung in den KZs gemacht wurden.

Kurt Blome (geboren 1894) hatte weniger den Eid des Hippokrates im Auge, das ethische Grundprinzip moderner Medizin, als vielmehr seine eigene Karriere. Das stramme NSDAP-Mitglied (seit 1922) sammelte Titel und Funktionen en masse: Beauftragter für ärztliche Fortbildung, Mitglied im „Reichsausschuss zum Schutz des deutschen Blutes“, stellvertretender Leiter des NS-Ärztebundes, Generalarzt, Stellvertreter des Reichsgesundheitsführers, wissenschaftliches Mitglied im Reichsforschungsrat. Viel höher ging es nicht.

"Bevollmächtigter für die Krebsforschung"

Eine besonders sensible Aufgabe bekam Blome im April 1943 übertragen. Er wurde „Bevollmächtigter für Krebsforschung“´ und war Mitglied der Arbeitsgemeinschaft „Blitzableiter“. Das hört sich unverfänglich an. In Wirklichkeit ging es aber um die Erforschung von Bio-Waffen und der Vorbereitung einer biologischen Kriegsführung. Blome experimentierte mit Milzbrandsporen (Anthrax), Tbc und Pockenviren, mit Kampfgasen (Lost), Gift (Botulin) und Psychodrogen (Meskalin). Die Wirkungsweise, die oft tödlich endete, probierte er an KZ-Häftlingen aus.

Die verachtenswerten Menschenversuche machten ihn bei den Nürnberger Prozessen nicht zum Kandidaten für den Galgen. Ganz im Gegenteil. Professor Kurt Blome wurde für den amerikanischen Geheimdienst, der ebenfalls mit Bio-Waffen hantierte, zum Objekt der Begierde. Wer konnte schließlich schon vorweisen, Bio-Waffen am Menschen ausprobiert zu haben? Mit den Ergebnissen der Experimente, die er den US-Geheimdienstlern überließ, erkaufte sich der Arzt seinen Freispruch.

Lagerarzt im US-amerikanischen "Camp King"

Am Fuß des Taunus, nur ein paar Kilometer von der Mainmetropole Frankfurt entfernt, liegt Oberursel. Nach dem Krieg kamen die Amerikaner hierher. Erst benutzten sie ein ehemaliges Gefangenenlager der Wehrmacht als Verhörzentrum für prominente Repräsentanten des untergegangenen Dritten Reichs. Später wurde es zu „Camp King“, dem europäischen Hauptquartier des US-Armee-Geheimdienstes ECIC. In dem hermetisch von der Außenwelt abgeschotteten Geländes tauchte Anfang der 50er Jahre ganz überraschend Professor Kurt Blome als der neue Lagerarzt auf.

Seine eigentliche Aufgabe, die ihm der Geheimdienst übertrug, war „top secret“. Professor Kurt Blome führte in Deutschland die medizinische Aufsicht über ein Geheim-Projekt mit dem Decknamen „Artischocke“, von dem nichts an die Außenwelt dringen durfte. US-Army und CIA arbeiteten an der Entwicklung von Biowaffen und Psychodrogen – und probierten sie entgegen aller internationalen Vereinbarungen am „lebenden Objekt“ aus. Opfer der Versuche waren Kriegsgefangene, Überläufer und Agenten, denen mit der Verabreichung von LSD und Drogen-Cocktails, mit Elektroschocks und Psycho-Tricks „die Wahrheit“ entlockt werden sollte.

Professor Blome war mit seinen Erfahrungswerten von den Menschenversuchen im Dritten Reich genau der richtige Mann für derartige Experimente. Aus Unterlagen, die erst vor wenigen Jahren entdeckt wurden, geht hervor, dass Blome und seine amerikanischen Auftraggeber den Tod der „Versuchskaninchen“ von vornherein mit einkalkulierten. Wie Journalisten erst in diesem Jahrtausend enthüllten, soll der amerikanische Geheimdienst CIA in den 50er Jahren in einen Mord an einem Mitarbeiter des Geheimprojekts „Artischocke“ verwickelt gewesen sein. Er wollte aussteigen – und auspacken. An der Vertuschung der Affäre sollen den Recherchen zufolge zwei Männer beteiligt gewesen sein, die später politische Karriere machten: Donald Rumsfeld als US-Verteidigungsminister und Dick Cheney als US-Vizepräsident.

Professor Kurt Blome wurde nie von einem Gericht belangt. Nach seinem fragwürdigen Geheim-Auftrag ließ er sich in Dortmund als Facharzt für Dermatologie und Urologie nieder. Er starb 1969 an Krebs.

Helmut Reister

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