Kuschliger Frauenkampf

Das Neue Museum zeigt mit „Die Fälscherin" Stoffskulpturen und Rauminstallationen von Wiebke Siem.
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Kuscheltier oder Haustyrann? Der „Pharao“ von Wiebke Siem im Neuen Museum.
Gaul/Alber Kuscheltier oder Haustyrann? Der „Pharao“ von Wiebke Siem im Neuen Museum.

NÜRNBERG - Das Neue Museum zeigt mit „Die Fälscherin" Stoffskulpturen und Rauminstallationen von Wiebke Siem.

So umgarnt das Neue Museum Nürnberg sein Publikum selten: Zwei große Hände ragen in der Ausstellungshalle an langen Gliedmaßen umarmungsbereit aus der Wand. Eine kuschlige Angelegenheit: Die Skulptur besteht aus Schaumstoff und edlem Nadelstreif.

Wie alle von Wiebke Siems Näharbeiten in der Ausstellung „Die Fälscherin“, die 16 Werke der Künstlerin zeigt. Kugelrund hockt ein „Pharao“ aus Tweed auf einer Kommode und lässt die Beine baumeln. Ein Nadelstreifenmann schlingt sich um eine Kabelrolle, und ein Astgeflecht aus Samt mit Hackenschuhen ist zwischen eine Nähmaschine geraten.

So ernst gemeint ist das Kuschelangebot nämlich nicht. Siems skurrile Wesen mit Knuddel-Appeal lassen sich in Männer und Frauen unterscheiden. Unter diesem Blickwinkel bekommt der „Pharao“ tyrannische Züge, wirkt der Kabeltrommelmann wie eine weibliche Rachephantasie. Andere Schaumstoff-Figuren wie die Zigarren auf Schlitten oder ein bezogener Schrank denken Beuys weiter.

Fröhliches Zitateraten auch im titelgebenden Esszimmer, einer von drei Räumen, die in der Mitte des offenen, hellen Ausstellungslabyrinths stehen. Picasso, Schlemmer, Uecker — die Werke männlicher Künstler spiegelt Siem in ihren Hausrats-Skulpturen aus Besen, Nudelhölzern, Wäscheklammern und Perückenköpfen auf 50er-Möbeln. Ironisch lenkt sie so den Blick auf das Leben der Nachkriegs-Frauen. Und erzählt mit ihrem Schlafzimmer rätselhafte Geschichten: Nur eine der Doppelbetthälften ist benutzt, ein Stuhl umgestürzt, und aus dem offenen Schrank lugt ein schaurig-schönes Monster.

Zu den aktuellen Werken zeigt das Neue Museum in der Dauerausstellung eine Werkgruppe aus den 90ern, ein überdimensioniertes Kinderzimmer. Vor dem Riesenflokati fühlt man sich klein, der Ausblick bleibt trostlos: Als Puppen locken nur archaische Fruchtbarkeitsfiguren. GK

Neues Museum (Klarissenplatz): bis 13. September, Di-Fr 10-20 Uhr, Sa/So 10-18 Uhr

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