Kunst einfach umpusten!
NÜRNBERG - Labyrinth der Lust und Launen: 150 Studenten und ein paar Preise bei der Jahresschau der Akademie.
Die Handschellen, die gleich neben der Eingangstür dutzendfach und feinsäuberlich aufgehängt warten, waren offensichtlich nicht im Einsatz bei der Jahresschau der Nürnberger Kunstakademie. 150 von 270 Studenten verwandeln das Gelände ab heute wieder in ein entfesseltes „Kreativlabor“, das elastisch zwischen Zwerchfell und Kopflast, Malerei und Installation schnalzt.
Studentenulk wird "work in progress"
Bleiche Daumen wachsen aus den Wänden, „Plauderer“-Puppen baumeln herab, vermummte SEK-Polizisten robben an Heizungsrohren entlang, Schoko-Marienkäfer blasen zum Angriff auf den Laubbaum. Eine rauchende Fassade (Ryoto Yamamoto) vernebelt den Blick, eine Raketenabschussrampe (Sebastian Tröger) sieht auch abenteuerlich aus, und ein farbiges Leitsystem am Boden schafft gezielt Verwirrung: Die bunten Streifen führen in alle Richtung.
Das „große Experiment“ als überdimensionale Momentaufnahme (wo sich Übrigbleibsel von Studentenulk wie an der Fassade der Fleck-Klasse zufällig zum „Work in Progress" auswachsen) verliert sein Reiz nie, weil es sich als Labyrinth der Lust und der Launen, des Übermuts und des Muts präsentiert.
Zeppelintribüne als „Rennstrecke mit Tenniswand“
„Alarmierende Risikobereitschaft“ ist das großspurige Ausstellungsmotto, das etwa die Klasse Angermann ausfüllt mit Malerei, die direkt auf die Wand gesetzt ist. Bei den Bildhauern von Claus Bury krabbeln Termiten und knarzen Plattenteller, in der Klasse Lehanka hebt sich tollkühn der Stirnholzboden und wächst der Gips von der Decke. Die Architektur-Klasse von Arno Brandlhuber liefert einen Gegenentwurf zum geplanten Akademie-Neubau (und fordert ein Großraumatelier für alle Studenten) und macht sich über die Zeppelintribüne als „Rennstrecke mit Tenniswand“ Gedanken. Dafür erhielt die Klasse den Akademiepreis (5000 Euro).
Den 2. Preis bekam das Zweitsemester Michael Roggon für seine interaktives Alltags-Depot. Mit „break together“ lädt er gegen Bezahlung zum Umpusten fragiler Stapeleien aus Stühlen, Tabletts und anderen Fundstücken ein. I break together. Verena Hennig erhielt den Kappa-Preis (3500 Preis) für ihr Magazin, das ihre Maskenfotos groß in Szene setzt. Ein Puzzlesteinchen im bemerkenswerten Pavillon-Parcours, an dem auch Angelika Nollert (Neues Museum) mitwirkte: Sie wählte Kunst für die Ausstellungshalle aus.
Andreas Radlmaier
Kunstakademie (Bingstr. 60): Mittwoch (19 Uhr) bis So; Sommerfest: Sa, 19 Uhr. Katalog: 10