Krankem Flüchtlingskind nicht geholfen – Geldstrafen für Mitarbeiter

Ein einjähriges Flüchtlingskind erkrankt an einer schweren Infektion. Seine Eltern bitten im Aufnahmelager dringend darum, einen Arzt zu rufen. Doch niemand hilft ihnen. Drei Mitarbeiter der Einrichtung müssen nun Geldstrafen zahlen.
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Der kleine Leonardo P. betritt auf dem Arm seines Vates Jovica am 01.04.2014 im Amtsgericht in Fürth den Gerichtssaal.
dpa Der kleine Leonardo P. betritt auf dem Arm seines Vates Jovica am 01.04.2014 im Amtsgericht in Fürth den Gerichtssaal.

Fürth – Weil sie einem schwer kranken Flüchtlingskind im Zirndorfer Aufnahmelager nicht geholfen haben, sind drei Mitarbeiter zu Geldstrafen verurteilt worden. Sie hätten gesehen, dass die Eltern in heller Aufregung waren und es dem Kind schlecht ging – und trotzdem hätten sie nicht geholfen, sagte der Richter am Dienstag am Amtsgericht Fürth. Das sei ein „herzloses Verhalten, zu dem mir eigentlich nichts einfällt“. Eine Mitarbeiterin der Einrichtung muss wegen unterlassener Hilfeleistung 60 Tagessätze à 40 Euro zahlen. Zwei Pförtner wurden wegen fahrlässiger Körperverletzung durch Unterlassen zu ebenfalls 60 Tagessätzen à 45 beziehungsweise 50 Euro verurteilt. Ein Bereitschaftsarzt wurde freigesprochen.

Das etwa ein Jahr alte Kind erkrankte im Dezember 2011 an einer massiven bakteriellen Infektion. Die Pförtner riefen trotz eindringlicher Bitte der Eltern keinen Arzt oder Rettungswagen. Stattdessen forderten sie den Vater auf, sich zuerst einen Krankenschein zu besorgen. Auch die Angestellte habe keinen Arzt gerufen, sondern die Familie zu Fuß zu einem Mediziner geschickt. Ein Autofahrer kam zufällig an der Familie vorbei und brachte sie in eine Arztpraxis. Die Kinderärztin dort rief sofort den Notarzt.

Bei den Pförtnern folgte das Gericht den Forderungen der Staatsanwältin. Für den Arzt hatte die Anklägerin dagegen auf eine hohe Geldstrafe plädiert. Dem folgte der Richter nicht. Der Arzt habe am Abend noch nicht erkennen können, dass der Junge so schwer erkrankt war.

Die Staatsanwältin hatte zum Leiter der Erstaufnahmeeinrichtung im Prozess gesagt: „Ein Kind wäre fast gestorben, weil bei Ihnen die Organisation nicht funktioniert.“ Jeder der angeklagten Mitarbeiter habe die Verantwortung von sich gewiesen und trotz erkennbarer Krankheit des Jungen die Hände in den Schoß gelegt. „Und das Kind muss sein Leben lang darunter leiden.“ Die Verteidiger hatten für ihre Mandanten durchgängig auf Freispruch plädiert.

Es stellte sich heraus, dass der Junge eine Meningokokken-Infektion hatte. Die Bakterien lösten bei ihm das sogenannte Waterhouse-Friedrichsen-Syndrom aus. Dabei gerinnt das Blut und die Haut oder anderes Gewebe sterben ab. Zuerst bekam das Kind hohes Fieber, dann wurde es apathisch und bekam dunkelblaue Flecken auf der Haut. Es wurde in ein künstliches Koma versetzt, mehrfach operiert und musste eine Amputation und mehr als ein Dutzend Hauttransplantationen über sich ergehen lassen.

Ein Gutachter von der Universität Erlangen sagte in der Verhandlung, dass diese Erkrankung selbst bei Behandlung in 90 Prozent der Fälle tödlich verläuft. Tückisch sei, dass die Symptome am Anfang sehr unspezifisch seien und die Krankheit daher oft spät erkannt wird. Daher habe der Arzt auch am Abend noch nicht unbedingt erkennen müssen, dass es so schlimm steht. Am nächsten Morgen allerdings sei das Bild ein anderes gewesen, da das Kind deutlich sichtbare Flecken auf der Haut gehabt habe, eine erhöhte Temperatur und ein blasses Gesicht. „Die Eltern beschrieben das Vollbild einer Sepsis. Da hätte in jedem Fall sofort ein Notarzt bemüht werden müssen“, sagte der Gutachter.

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