Kluge Wahl an frischer Luft
Nürnberg - Klassik Open Air: Die gut aufgelegten Nürnberger Philharmoniker unter Chefdirigent Christof Prick vermeiden den klanglichen Einheitsbrei
Wer nach dem Konzert mit Grasflecken an den Klamotten nach Hause geht, war wohl nicht adäquat ausgestattet. 60000 Picknick- und Klassikwütige zogen am Sonntag in den Nürnberger Luitpoldhain. „Oper und Tänze“ war die etwas beliebige Betitelung des Konzertabends der Nürnberger Philharmoniker, und doch war es ein sehr ungewöhnliches Programm. Anstatt die oberflächenwirksamen Gassenhauer zahlloser Opern zu präsentieren, beschränkte man sich auf Auszüge aus zwei Opern: Einmal aus Albert Lortzings „Zar und Zimmermann“ – und in der zweiten Hälfte Auszüge aus Bedrich Smetanas „Die verkaufte Braut“.
Diese Wahl war klug, bedenkt man, welche Zerstörungskraft Freiluftkonzerte auf klassische Musik haben können: Widrigkeiten wie Wind, nicht präzise eingestellte Verstärker-Anlagen und zu lautes Publikum können den Konzertgenuss schmälern. Doch dagegen erwiesen sich die beiden Opern als äußerst robust. Dirigent Christof Prick entlockte seinen Philharmonikern überraschend viele Feinheiten und Klangfarben, ohne dass die Musik zu einem klanglichen Einheitsbrei verkam. Tilman Lichdis feiner Tenor und Markus Marquardts polternder Bass ergaben ein ungleiches, jedoch äußerst charmantes Paar – in Zar und Zimmermann als schmieriger Gesandter und aufgeblasener Bürgermeister, in der verkauften Braut als bauernschlauer Heiratsvermittler und listenreicher Unbekannter.
Erstmals auf der Bühne im Luitpoldhain stand der Hans Sachs-Chor. Vor der Pause hatte der sich noch bei „Zar und Zimmermann“ den Solisten unterzuordnen, ehe er danach in der „Verkauften Braut“ als Chor der Dorfbewohner mit zwei Trinkliedern seine beiden großen Soloauftritte hatte. Ein wenig verloren im Programm hingegen wirkten Johannes Brahms’ ungarischer Tanz am Beginn und Antonín Dvoraks Slawischer Tanz am Ende. Hier machte die problematische Akustik dem Orchester tatsächlich einen Strich durch die Rechnung. Die Bläserstimmen waren kaum mehr hörbar. Heraus kam ein Wummern, das nur entfernt an einen Tanz erinnerte.
Ebenfalls eher farblos war die Moderatorin Sabine Sauer. Sehr betulich stellte sie mit wikipedianischer Beflissenheit die Solisten und die einzelnen Kompositionen vor – und dankte am Schluss nicht den Nürnberger Philharmonikern, sondern den Symphonikern. Die spielen aber erst in zwei Wochen! Aber wenn der einzige Fauxpas an einem solchen Abend ein kleiner Versprecher ist, dann muss man sich eigentlich nur noch Sorgen machen, ob die Picknickdeckenlosen ihre Grasflecken wieder aus der Hose bekommen haben.Maximilian Theiss
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