Kinderlos fürs Klima? Ein ziemlich unfairer Vergleich
Wenn Sie den Stoffbeutel beim Einkaufen vergessen haben und zur Plastiktüte greifen müssen? Oder wenn Sie statt zum Bio-Fleisch doch zum konventionellen greifen, weil es einfach so viel günstiger und das Geld am Ende des Monats knapp ist? Ich kann Sie beruhigen: Das kann ich toppen. Vor beinahe zwei Jahren habe ich die größte Klimasünde überhaupt begangen. Gerade einmal 52 Zentimeter groß und noch nicht mal dreieinhalb Kilo schwer und trotzdem schon eine echte CO2-Schleuder: 58 Tonnen Kohlendioxid-Ausstoß veranschlagen Forschende pro Jahr für ein Kind – wer sich dagegen entscheidet, spart demnach deutlich mehr ein, als würde er auf ein Auto, Flugreisen oder tierische Lebensmittel verzichten.

Ganz so einfach ist die Rechnung freilich nicht. Die viel zitierte Studie, auf der diese Zahl basiert, steht nicht umsonst in der Kritik. Denn sie berechnet nicht nur den ökologischen Fußabdruck des geborenen Kindes, sondern gleich auch noch den der Nachfolgegenerationen mit – und vergleicht dies dann mit den Einsparungen eines einzelnen Bürgers. Und: Sie geht davon aus, dass die kommenden Generationen in Sachen Klimaschutz nichts dazulernen. Ein ziemlich unfairer Vergleich.

Kinderkriegen ist, daran gibt es trotzdem nichts zu rütteln, eine egoistische Entscheidung. Wer sie trifft, bürdet der nächsten Generation auf, in der Welt, die wir hinterlassen, leben zu müssen. Und natürlich bedeuten mehr Menschen grundsätzlich auch mehr CO2-Ausstoß.
Aber wie so oft gilt: Es kommt darauf an. Zum einen darauf, wo diese Kinder geboren werden. In Industrieländern ist der Pro-Kopf-Ausstoß deutlich höher als im globalen Süden (weshalb man auch niemals auf die in den allermeisten Fällen rassistisch motivierte Erzählung hereinfallen sollte, die „Überbevölkerung“ sei per se schuld an der Erdüberlastung).
Es kommt auf den Lebensstil an
Zum anderen eben vor allem darauf, welchen Lebensstil diese Kinder pflegen, wenn sie erwachsen sind: Auf wie vielen Quadratmetern wohnen sie? Beziehen sie Energie aus erneuerbaren Quellen? Wie viel konsumieren sie und was? Fahren sie einen Verbrenner, ein E-Auto oder im gut ausgebauten ÖPNV? Haben sie ein Bewusstsein für Umwelt und treffen nachhaltige Entscheidungen? Hier, das ist die gute Nachricht, können Eltern, Politik und Gesellschaft ansetzen. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen: Nichts schärft den Blick für die Welt von morgen so sehr, wie die Perspektive derer einzunehmen, die in ihr leben werden.

Letztendlich sind Kinder das vielleicht stärkste Zeichen der Zuversicht – und die braucht es mehr denn je.
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