Kehraus mit Gewalt-Zirkus und Tanzmeister

NÜRNBERG - Maskenmänner und Matsch: „Rock im Park“ endete mit The Prodigy, Slipknot, Jan Delay und Mando Diao.
Ein Hoch auf die hartnäckigen Klischees: Rocker sind ungeduscht und muffeln. Und Tatsache: Montag Morgen nach dem Nürnberger Kirchentag der Rockmusik stimmt’s! Da bevölkerten Hundertschaften von ungeduschten Park-Rockern mit Rucksack und Pack, Wasserkästen und Schmutzwäsche, Campingstuhl und Fastfood-Wegzehrung die Gänge des Hauptbahnhofs und gaben eine ungefähre Vorstellung davon ab, wie Nürnberg aussähe, wenn es für immer jung wäre.
Die übernächtigten Gestalten waren die Nachhut eines der größten deutschen Musikfestivals, das sich mit Hagel und Platzregen, Temperatursturz und den Chartstürmern Mando Diao, die auf der überfüllten „Alternastage“ den Rausschmeißer gaben, von den fast 65000 Zuschauern verabschiedete.
Die Schweden, live mit rostigen Fässern und Hafenkränen im Bühnenhintergrund, kamen alles andere als abgewrackt daher. Energiegeladen eröffneten die Hochspannungs–Indierocker, mischten alte Hits wie „Down in the Past“ mit souligeren Nummern wie „Mean Street“ aus dem neuen Album. Und auf dem matschigen Platz wurden die letzten Energiereserven mobilisiert.
Vorher tobten die irren Maskenmänner von Slipknot über die „Centerstage“ auf dem Zeppelinfeld als sonntäglicher Höhepunkt. Ein albtraumhafter Gewalt-Zirkus, entstanden aus dem Fieberanfall eines Psychopathen. Das Perkussion-Inferno der neun Bühnenprofis aus Iowa ist brachial, optisch reizüberflutet und doch irrsinnig konservativ: Ausfahrbare Podeste, drehende Schlagzeuge und Flammenzungen in den Bühnenhimmel. Das Highlight: „Wait and bleed“ – man kann sogar die Melodie erahnen.
Durchaus konservativ auch der Auftritt der englischen Breakbeat-Punks von „The Prodigy“ auf der „Centerstage“. Will heißen: Amphetamin-induzierte 90er-Beats mit harten Gitarrenriffs, stilecht in Szene gesetzt mit gewohnt irrem Gesichtsfasching der Tanzmariechen Keith Flint und Maxim Reality, einem Live-Drummer, der – obwohl kaum hörbar – bereits nach wenigen Songs halbtot über den Fellen hängt und punktgenauen Sample-Triggers von Mastermind Liam Howlett. Der warf trotz Lärm-Verbots ab und an mal den Tieftonverstärker an, um die pitschnasse Menge mit dem Bassfön durchzublasen.
Von schönen Tönen hat das Rap-Nölorgan Jan Delay reichlich Ahnung. Der „Beginner“ betätigt sich als abendliches Highlight nicht nur als Großmeister des gepflegten Bühnentanzes im schicken Anzug, sondern erfreut auch durch die geschickte Zweitverwertung grausiger Discohits. Man denke hier an „Word Up“ oder „Everybody“. Groß: „Klar“ – das soulige Sahnehäubchen auf dem Tanz im Matsch. daer/mm/StW